Siebzehn

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Natürlich hatte er Recht, es fühlte sich an, als würde mein Herz wild durch meinen Körper schlagen. Doch ich würde es vor ihm, in diesem Augenblick niemals zugeben.

Mit wackligen Beinen machte ich mich von ihm los, bewusst darauf bedacht ihn nicht mehr anzusehen, stieg ich in den Wagen.

Wir schwiegen beide. Schon seit Stunden hatte nicht einer von uns ein Wort gesagt. Ich wusste nicht an was Jared dachte, doch meine Gedanken kreisten nur um zwei Dinge.

Erstens, die Möglichkeit einer weiteren Fähigkeit und zweitens, dass Jared mehr über meine Gefühle wusste als mir selbst klar war.

Ohne es gemerkt zu haben, hatte ich mich an seine Nähe gewöhnt. Ich verließ mich bei vielen Sachen auf ihn. Er orientierte sich besser als ich, er war in der Lage was Essbares zu finden, für ein Feuer zu sorgen und immer zu wissen wie das Wetter wird.

Ich dagegen fühlte mich fast wie eine Last. Doch noch mehr hatte mich seine Tat überrascht. Hatte er mich geküsst, weil er mich mochte? Oder hatte er nur gespielt, um mir etwas zu beweisen? Nachdem ich mich schweigend in den Wagen gesetzt hatte, hatte ich ihn nur kurz lachen gehört, dann war auch er still geblieben.

Er hatte noch nicht mal versucht die Situation und damit auch seine Handlung zu erklären. Jared tat fast als wäre es absolut selbstverständlich.

Erfahrungen über diese Art von Gefühlen und Taten kannte ich höchstens aus Büchern. Doch selbst beim Lesen hatte ich es nicht immer nachempfinden können. Ich glaubte so etwas wie Liebe meinen Eltern gegenüber zu empfinden, genauso empfand ich sie auch für die Zwillinge.

Meine Amme stand mir am nähesten von allen. Aber diese Art von Liebe war natürlich anders als die, die man einem Lebenspartner entgegen bringt.

Frustriert seufzte ich hinten in dem Wagen auf.

"Du solltest versuchen zu schlafen." Meldete sich Jared leise zu Wort. Plötzlich hatte er wohl seine Stimme wieder gefunden!

Meine Antwort fiel grob aus.
"Ich habe genug von dem ewigen Sitzen und diesem Geschaukel!" Eigentlich hatte ich eher vor mich hin gemotzt, doch da hörte ich ihn schon leise lachen.

Jetzt wagte er es auch noch zu lachen! Dabei hatte er mir noch immer nicht den Grund seiner Handlung erklärt. Mit wachsender Wut betrachtete ich seinen Hinterkopf.

Ein leichter Regen hatte eingesetzt, weshalb sich Jared die Kapuze mit einer schnellen Bewegung über den Kopf zog.

Als der Regen endlich aufhörte vom Himmel zu fallen, war auch schon die Nacht herein gebrochen. Jared entzündete ein Feuer und winkte mich dazu auf eine Decke.

Missmutig setzte ich mich zu ihm. Darauf achtend weit weg von ihm zu sein.

"Hier etwas Fleisch und noch etwas Obst. Wir haben jetzt zwar reichlich Vorräte, aber wir sollten sie trotz allem sparen."

Er reichte mir einen Apfel und ein aufgespießtes Stück Fleisch. Voller Hunger verschlang ich zweiteres. Seit einem schnellen Frühstück hatten wir nichts mehr gegessen.

"Du solltest kauen, sonst bekommst du Magenbeschwerden."

Jareds Einstellung zu mir hatte sich komplett verändert. Er sprach offener zu mir, er wagte es mich zu ermahnen!

"Dich geht mein Magen gar nichts an! Es hat mir besser gefallen als du mich noch als Prinzessin gesehen hast."

Da hatte er zumindest nicht gewagt mir zu nahe zu kommen. Nun aber wagte er es über mich zu lachen!

"Genau weil ich dich so sehe, sorge ich mich um deinen Magen, Prinzessin." Er klang so spöttisch, dass ich sofort auf sah.

Seit dem Morgen lachte er ständig und es war so ungewohnt sein Lächeln zu sehen. Dabei war es wunderschön. Er hatte sich zu mir gelehnt, ich war mir nicht sicher was folgen würde, doch ich war mir bewusst wie warm mein Gesicht wurde. Seine dunklen Augen bohrten sich in meine, dabei streckte er seine Hand zu mir aus und seine Fingerspitzen strichen über meine Wange.

Plötzlich wurde sein Pferd unruhig und Jareds Lächeln verblasste. Aus den dichten Büschen erklang Geraschel und entsetzt sah ich auf. Waren es Jäger oder die Fahrenden? Wer von ihnen hatte uns zuerst gefunden?

Ein junger, blonder Mann trat dicht gefolgt von einem kleineren Mädchen in den Schein der Flammen. Sofort wurde ich entspannter, doch Jareds Anspannung blieb.

Der Mann hob die Hände in die Luft. "Wir haben nicht die Absicht euch etwas zu tun. Wir würden ein warmes Nachtlager nicht abschlagen und wenn es sich erübrigt auch etwas warmes für den Magen."

Als er Jareds ablehnenden Blick sah änderte er seine Bitte. "Wenigstens für sie." Er deutete neben sich auf das dürre Mädchen. Ihre Augen hafteten an den hellen Flammen.

Sie regte meine Neugier viel mehr an, als der Mann. Ich kam Jared zuvor.
"Hallo, ich bin Vienna und das ist Jared, setzt euch ruhig zu uns." Meine Worte waren mehr an das Mädchen gerichtet. Dieses sah nicht mal auf, es zuckte lediglich etwas zusammen, als der Blonde es vor schob.

Ich konnte Jareds Wut spüren, als er mir noch zu flüsterte.
"Hör endlich auf allen unsere Namen zu sagen!"

Mir waren seine Worte egal, Hauptsache ich war wenigstens für eine Weile nicht mit ihm allein. So sehr mein Herz auch in seiner Nähe schlug, so sehr machte mir das unbekannte Gefühl angst und verunsicherte mich. Missmutig gab er das Fleisch an das Mädchen, dabei ignorierte er ihren Begleiter.

Weshalb ich ihm etwas reichte und dabei einen wütenden Blick von zwei dunklen Augen bekam.

"Ich heiße Edwin, die kleine hier ist Zora. Wir sind auf der Durchreise, zu Verwandten." Erklärte Edwin mit einem herzlichen Lächeln.

"Was ist aus eurem vorigen Wohnort geworden?" Bohrte Jared nach. Für einen ganz kurzen Moment hatte ich das Gefühl, dass Edwins Ausdruck härter wurde. Doch kaum, dass ich das Gefühl hatte es zu bemerken, war es auch schon wieder verschwunden.

Ich wollte nicht schon wieder Feinde treffen. Schnell schob ich diese Möglichkeit in den hintersten Winkel meines Gehirns, doch nicht weit genug, dass er nicht präsent wäre.

"Wir sind Waisen. Wir haben vor kurzem erfahren, dass es wohl noch Verwandte von uns gibt." Plapperte er drauf los.

"Nach all den Jahren konntet ihr euer Zuhause einfach aufgeben? Ich meine mit irgendetwas musst du ja Geld verdient haben."

Hakte ich nach. Ich versuchte nicht misstrauisch zu klingen, doch es fiel mir wirklich schwer. Es war für mich unvorstellbar alles zurück zulassen. Mag sein, dass ich gerade dies tat, doch ich lebte ein Leben im Schatten, sie dagegen hatten Arbeit und ein Dorf, in dem sie sich hatten frei bewegen können.

Edwin legte ein charmantes Lächeln auf. "Was ist das für ein Zuhause, in dem man niemanden hat?"

Seine Antwort hinterließ in mir nur Verblüffung. Er hatte doch jemanden. Er hatte seine Schwester. Erst jetzt begann ich Zora wieder zu betrachten.

Sie hatte rote Haare, wie rot sie waren konnte ich, wegen dem Schein der Flammen, nicht richtig erkennen. Ihr Blick hatte sich nicht einmal gehoben. Stumm saß sie da und starrte vor sich hin.

Jared bot ihr Obst an, welches sie stumm ohne ihn anzusehen annahm. Mir fiel auf wie liebevoll er sich um dieses Mädchen kümmerte. Wieder fragte ich mich ob er nicht selbst eine Schwester oder gar Kinder hat.

Edwin bemerkte es genauso und natürlich hatte er nicht Jareds defensive Haltung übersehen können.

"In welchem Verhältnis steht ihr zu einander?"

War natürlich klar, dass er diese Frage stellen würde. Ich durchdachte meine letzte Erklärung und entschied mich für Jareds letzten Vorschlag.

"Er ist mein Br-" Ehe ich meinen Satz beenden konnte Unterbrach er mich.

"Verlobter. Ich bin ihr Verlobter."







Frühlingsfrost Where stories live. Discover now