Zwanzig

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Natürlich gab es keine Sträucher mit Beeren und natürlich hatte ich es geahnt. Sie hatten uns trennen wollen, ich bin nur drauf eingegangen, weil ich von Zora wissen wollte weshalb.

Um Jared machte ich mir wenig Sorgen, er war nicht umsonst der General meines Vaters.

Ich blieb abrupt stehen, sodass das Mädchen fast in mich rein gelaufen wäre.

"Nun bin ich ganz Ohr was euer Plan ist."

Ihre Augen wurden groß, sie hatte es einfach nicht kommen sehen. "Ich weiß nicht-" Ehe sie zu ende sprechen konnte, brachte ich sie mit einer Handbewegung zum Schweigen.

"Wieso ist es euch, oder eher Edwin, so wichtig uns zu trennen? Du weißt, dass ich niemandem misstrauen möchte, aber seit ich draußen bin werde ich regelrecht belehrt niemandem mehr zu glauben."

Sie sah plötzlich so zerbrechlich und klein aus.

"Ich wollte nicht." Flüsterte sie. "Wir müssen, sonst sind wir dran."

Ich verstand gar nichts, ehe ich dazu kam zu fragen fuhr sie fort und alles sprudelte nur so heraus, zwischen durch erstickten sie die Tränen, doch es fühlte sich so an als würde sie es schon seit langem jemandem sagen wollen.

Zora kam eigentlich aus einem Waisenhaus, bevor es eines Tages abbrannte. Edwin lebte in der Nähe und war einer der Helfer, die herbei eilten. Der Brand war kein Zufall und die meisten Helfer gehörten nicht zum Dorf.

Sie sammelten alle überlebenden Kinder ein. Zora wurde von Edwin aus den Flammen geholt, doch statt auf ihren Wunsch hin weg zu laufen, vertraute er auf die Helfer.

Sie waren nichts anderes als Menschenhändler, da sie Edwin schlecht verkaufen konnten und er Zora aus seinem Pflichtgefühl heraus nicht zurücklassen konnte, machten sie ihm ein Angebot.

Wenn er ihnen einen schönen Ersatz bot, würden sie die Beiden frei lassen. Wenn nicht würde Zora verkauft und Edwin umgebracht. Damit sie nicht die Möglichkeit hatten zu fliehen wurde sie beschattet.

Ungläubig sah ich sie an. Nun verstand ich weshalb sie so leise sprach.

"Wie viele folgen euch." Sobald Jared das erfuhr würde er außer sich sein und mir beteuern, dass er dies hatte kommen sehen.

"Mir folgt nur einer, bei Edwin sind es zwei." Also insgesamt drei die unerwünscht sind.

Wir mussten ihren Verfolger los werden und dann zu Jared eilen. Wie ganz nebenbei wanderten meine Augen über die Bäume hinweg. Es war schwer zu sagen wo sich der Mann befand.

"Du wirst ihn nicht finden und selbst wenn was-" In dem Moment trat ich einen Schritt von ihr Weg und sprach so laut dass ich sicher gehört werden musste.

"Zora hat mir alles erzählt komm und hol mich." Lange blieb es Still um uns herum, ich hörte nur ein leises kurzes Wimmern von Zora, die mich sicher für verrückt hielt.

Doch meine Vermutung wurde erfüllt. Ein sonnengebräunter, großer Mann trat herbei. Zu meinem erstaunen war er sehr schmal so, dass seine Arme und Beine einfach viel zu lang für seinen Körper wirkten.

Mit einem abfälligen Lächeln blieb er kurz vor uns stehen uns trennten höchstens fünf Schritte.

"Willst du dich gleich ergeben oder darf ich dich noch etwas jagen."

Ich suchte nach der Kälte in mir. Ich dachte an Zora, die gezwungen war ahnungslose Menschen zu belügen und in Angst zu leben. Ich dachte an die anderen Waisenkinder, die nun hoffnungslos verkauft wurden.

Und dann dachte ich an Vater, der nichts davon wusste oder noch schlimmer nichts unternahm oder er wusste davon und machte es nicht bekannt!

Aus irgendeinem Grund schien er einfach die stärkste und verlässlichste Quelle meiner Wut zu sein. Ich hatte mir vorgenommen nicht zu töten, doch was sollte ich nur tun, dieser Mann verdiente es nicht auf freiem Fuß zu sein.

Langsam schritt er auf uns zu. Ich stellte mich vor Zora, meine Hände hinterm Rücken, wo ich unauffällig die Handschuhe abstreifte und wartete, dass er nah genug war. Im letzten Moment überdachte ich mein Vorhaben, ich würde versuchen ihn nur außer Gefecht zu setzten statt ihn umzubringen.

Viel zu spät merkte ich, dass diese Entscheidung meine Entschlossenheit und meine Kälte gemildert hatte. Der Mann stürmte auf mich zu und griff nach meinem Arm. Meine andere Hand schnellte vor, er fing diese ab in der Erwartung einen Schlag von mir zu bekommen, dem war nicht so.

Ich brauchte nur ein Stück seiner Haut. Seine Hand verfärbte sich blau, mit winzigen weißen Eiskristallen bedeckt stieß er mich fort.

Wut und Schmerz verzerrten sein Gesicht. Erst betrachtete er seinen Arm dann mich. Ich brauchte einen Moment genau wie er, um zu realisieren was gerade geschehen war.

Ich war zu schwach gewesen!

"Hexe!" Brüllte er. Geistesgegenwärtig wirbelte ich herum und zog dabei Zora am Arm mit mir.

"Lauf!" Befahl ich ihr. Sie gehorchte schweigend. Leider waren wir zusammen nicht Ansatzweise so schnell wie ich gehofft hatte. Ich hatte einfach noch nicht genug Ausdauer zu einem so langen und schnellen Lauf.

In kürzester Zeit hatte der Mann uns eingeholt. Rasant bog ich ab, wie ein Hase auf dem Feld, es ging in die verschiedensten Richtungen. Ich hörte Zora hinter mir schwer atmen, auch sie konnte dieses Tempo nicht mehr lange halten.

Während ich über die Wurzel hinweg sprang stolperte Zora. "Lauf." Sprach sie noch wobei ich mich, aber zu ihr hockte.

"Kannst du aufstehen?" Sie schüttelte den Kopf. Schweiß lief ihr Gesicht hinab weshalb die Haare an ihr klebten, ich zweifelte nicht, dass ich gerade nicht besser aussah.

Wir hörten die Schritte des Mannes näher kommen. "Bitte flieh, es war unser Schuld, du hast es nicht verdient verkauft zu werden."

"Red nicht solchen Unsinn! Niemand hat es verdient, niemand!" Schrie ich sie an.

Der Mann kam in mein Sichtfeld und mein Körper erbebte. Solche Menschen wie er waren Schuld! Sie nannten mich Monster, dabei waren die wahren Monster genau unter ihnen. Verkleidet als Menschen!

Der Arm hing schlapp an ihm herunter, als er bei uns ankam. Vom Zorn getrieben sprang er uns an. Aus einem inneren Impuls heraus streckte ich meine Hände vor mich und bekam sein Gesicht zu fassen.

Sofort wurde er blau, nicht nur ein kleiner Teil wie am Arm oder wie der Reisende der über mich herfiel. Nein, sein ganzer Körper wurde zu einer einzigen Statue aus Eis.

Schwer atmend hob ich Zora an, die sich nicht sträubte von mir berührt zu werden. Sie ließ sich von mir stützen und half dabei den Weg zurück zu unserem Lager zu finden.

Ich stand kurz vor einer Ohnmacht, immer wieder biss ich entschlossen die Zähne noch mehr zusammen und ging weiter, bis wir endlich ankamen.

Das letzte was ich noch verschwommen wahrnahm war eine schreiende Zora und Männer, die aus unserem Wagen stiegen.

Männer die ich nicht kannte.



Frühlingsfrost Where stories live. Discover now