Elf

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Bei ihren Worten setzte mein Herz aus. Der König. Der König war mein Vater! Niemals würde er eine solche Grausamkeit zu lassen! Ich war entsetzt, es konnte nicht wahr sein!

Sie mussten etwas missverstanden haben, niemals könnte dies die Wahrheit sein!
Ich hatte schon vorgehabt ihr heftig zu widersprechen, als sich Jareds Hand um mein Handgelenk legte.

Leicht schüttelte er seinen Kopf und zum ersten mal sah ich eine leichte Wärme in seinen dunklen, sonst so kalten, Augen.
"Wisst Ihr, weshalb er dies tut?" Übernahm er das Reden. Gebannt wartete ich auf die Antwort, dabei zog mich Jared weiter.

"Es gibt Gerüchte, dass er um das Leben seiner kranken Erbin fürchtet. Die Rebellen sind schon lange gegen die Vorstellung einer Prinzessin zu dienen, welche sie noch nie gesehen haben."

"Sie soll wohl unsagbar hässlich sein und bei jedem Atemzug kränkeln." Höhnte jemand von weiter hinten, bei diesen Worten wurde Jareds Griff fester, was mich daran hinderte zu fallen. Als ich ihre Vermutungen über mich hörte, war ich gestolpert und hatte kurz mein Gleichgewicht verloren.

Ich hatte immer daran gedacht, dass mich alle für kränklich halten mussten. Aber dennoch hätte ich nie daran geglaubt, für so schlecht gehalten zu werden. Zudem richteten sich Bürger des Landes gegen ihren König, nur weil ich mit diesem unsagbar schrecklichen Fluch geboren wurde.

Alle gingen lachend weiter und die Vermutungen darüber was nun mit der weggesperrten Prinzessin wäre, wurden nicht weniger. Nun konzentrierte ich mich lieber auf den Schmerz meiner Füße, als ihnen weiter zu zuhören.

Ich war Jared dankbar, dass er mein Handgelenk nicht los gelassen hatte. Der Marsch wurde für mich immer schwieriger, oder eher schmerzhafter. Doch nun sah ich es erst recht nicht ein, um einen Platz im Wagen zu bitten.

Die Sonne war schon lange untergegangen, als Shea rief, wir würden nun endlich ankommen. Wir kamen auch an, in einem weiteren, leeren Dorf. Mein Magen zog sich zusammen, bei dem Gedanken dass dies auf Befehl von Vater geschah.

Viele zogen sich mit ihren Familien in Hütten zurück und für den Rest gab es eine Hütte für Frauen und eine für Männer. Jared und mir blieb die Wahl entweder wir schliefen getrennt oder zusammen in einer Hütte. Da Jared nicht mit sich verhandeln ließ bekamen wir eine Hütte am Rand.

Endlich konnte ich mich hinsetzten, müde streckte ich die Beine von mir. Jared säuberte die frühere Feuerstelle und entfachte in kürzester Zeit eine wärmende Flamme. Dann wand er sich zu mir.
"Ihr solltet eure Schuhe über die Nacht ausziehen."

Ich gehorchte, meine Füße präsentierten einen furchtbaren Anblick. Sie waren wund gelaufen, sicher würde ich morgen schlimme Blasen haben. Achtsam versuchte ich sie ein wenig zu massieren, doch es brachte nichts.

Jared hatte, ohne dass ich es bemerkte, die Hütte verlassen und war nun mit einer kleinen Schüssel und zwei Lappen wiedergekehrt.
"Ihr solltet kalte Kompressen machen, damit die Füße nicht noch anschwellen. Morgen werdet Ihr den Wagen nehmen."

Natürlich widersprach ich ihm nicht. Dankbar wickelte ich die Tücher um meine Füße, das kalte Wasser linderte den gröbsten Schmerz. Mit einem Seufzer lehnte ich mich zurück.

"Ihr mit eurer dummen Tapferkeit." Hörte ich Jared schimpfen. "Ihr solltet aufhören euch Dingen immer Frontal zu stellen. Es war dumm gewesen direkt auf die Gruppe zu zugehen. Ihr hättet mich vorgehen lassen sollen."

Er hatte wohl lange auf so einen Moment gewartet, in dem wir beide alleine waren und er mich nun nach Herzenslust tadeln konnte. Wieso hatte ich immer das Gefühl, er würde mich nur als ein Kind sehen?

Nur weil ich immer im Schloss gelebt habe, heißt es noch lange nicht, dass ich eine Nuss bin.
"Aber sie waren alle freundlich und helfen uns nun auch." Ein wenig trotzig regte ich mein Kinn hoch, jetzt war ich wirklich zu einem Kind geworden.

Jared sah noch nicht mal zu mir.
"Eine der besten Methoden seinem Feind näher zukommen, ist es freundlich zu ihm zu sein. Nur so besteht die Möglichkeit ihn in der Nacht zu überraschen."

Mein Blick senkte sich. "So wie ich überrascht wurde." Es war nur ein leises Nuscheln und niemals hätte ich erwartet, dass er es hören könnte, noch weniger hätte ich gedacht, dass er drauf eingehen würde.

"Wie meint Ihr das?" Als ich verwundert zu ihm sah bereute ich meinen Blick schnell. Seine Augen bohrten sich schier durch mich, als könnten sie so mein tiefstes ergründen. Stattdessen besah ich den vom Dreck überzogenen Boden.

"Wie hattet Ihr das gemeint, ihr wurdet auch überrascht?"
Verbittert lachte ich auf. "Als ob Ihr das nicht wüsstet. Was denkt Ihr weshalb Ihr ins Schloss gerufen wurdet?"

"Weil sich ein Unbekannter Zutritt in eure Gemächer verschafft hat und noch gefasst wurde, bevor er auf euch stoßen konnte."
Ich war mir sicher er würde sich über mich lächerlich machen, doch als ich ein weiteres Mal zu ihm sah, stand in seinen Augen Ungläubigkeit.

Ich hätte alles darauf verwettet dass Vater ihm die ganze Geschichte erzählt hatte. Natürlich nicht den Teil über mich, doch zumindest, dass der Fremde mir viel zu nah gekommen war.

Nun wollte er nicht locker lassen. Eindringlich sah er mich an und wartete darauf, dass ich endlich etwas sagte, es gab kein zurück mehr.
"Er kam Nachts in mein Zimmer und hatte schon seine Hand an meinem Hals."

Ich vermied ihm das Detail über den Tod des Mannes zu nennen. Doch als sich seine Augen bedrohlich zusammen kniffen war mir klar, dass er es sich dachte.

"Wer hat den Mann umgebracht?" Seine Stimme war dunkel und leise, sodass mir ein Schauer über den Rücken lief. Ich streifte die dreckigen Handschuhe ab und betrachtete meine sehr helle Haut.

"Manchmal da kommt es über mich, ich kann es dann nicht zurück halten. Ehe ich mich versehe passiert es."

Ich halte inne und warte auf seine Reaktion. Lange bleibt es still und ich sehe fast förmlich wie es in ihm arbeitet, eigentlich hatte ich erwartet dass ihn die Angst über kommen würde. Aber genauso wie damals im Zimmer, als er zum ersten mal von meinem Geheimnis erfuhr, blieb er auch diesmal ruhig.

"Deshalb fürchtet Ihr euch jemanden zu berühren. Passiert es nur durch eure Hände?"

Ich schüttelte den Kopf. "Meine ganze Haut kann das."
Wieder verfiel er in Schweigen. Ich krallte meine Finger in den Rock meines Kleides und wartete. Er könnte jetzt einfach aufstehen und gehen, nichts hielt ihn mehr.

"Verflucht, weshalb hat er denn nichts gesagt und unternommen?" Er beugte sich vornüber und stütze seinen Kopf in die Hände. Seine Finger schlangen sich in sein dunkles Haar und so saß er erst mal reglos, in dem langsam wärmer werdenden Raum.

Nach einiger Zeit hörte ich ihn laut ausatmen, er schwang sich zurück und stand auf.
"Ich werde mal etwas Essbares suchen und Ihr solltet euch später die Haare weg stecken lassen."

Damit ging er und ich blieb allein zurück.



Frühlingsfrost Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt