Neunundzwanzig

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"Vienna!"

Hektisch stürmte Jared in unser Zimmer.

Die Sonne stand schon lange am Himmel und wir hatten längst in unserem Zimmer gefrühstückt. Nun war ich dabei Zoras Haare zusammen zu flechten, sodass ein schöner Kranz aus Haar auf ihrem Kopf lag.

"Was ist denn in dich gefahren?" Skeptisch sah ich ihn an. Ehe er antworten konnte erschien Edwin hinter ihm.

"Es gibt hier einen Hinterausgang, wir dürfen ihn nutzen, aber wir müssen uns beeilen, bevor die Jäger den Wirt befragen."

Ich sprang auf. "Die Jäger? Sie sind hier?"

Zora begriff nicht wer die Jäger sein sollten. Statt mir die Zeit zunehmen ihr etwas zu erklären griff ich sie am Handgelenk und zog sie mit mir, den Männern hinter her.

Wieso konnten wir nicht einmal Ruhe haben? Immer kam irgendetwas oder irgendjemand dazwischen.

Möglichst leise stiegen wir die Stufen hinab. Edwin führte uns, während Jared sich hinter Zora und mich stellte.

Edwin leitet unser kleines Grüppchen durch das Dorf ohne dass wir auch nur einer Menschenseele über den Weg liefen.

"Was ist mit Farr." Ich dachte an Jareds Pferd welches im Stall des Wirtshauses untergebracht war.

"Ich habe ihn schon los gemacht und ihn laufen lassen. Er wird den Wald ansteuern und nachher mich aufsuchen."

Plötzlich blieb Edwin stehen.

"Ich weiß nicht ob es gut oder schlecht ist, aber es scheint ausgerechnet heute ein Fest hier zu geben."

Wir sahen auf einen vollen Marktplatz, Menschen tanzten, Kinder schrien und lachten, von überall her roch es köstlich und über all dem klang Musik. Dieses Bild brannte sich in mein Inneres, zu sehr hätte ich den Tag ohne wegzulaufen hier verbracht.

Jared ergriff meine Hand und verschränkte seine Finger mit meinen.

"Wir sollten es ausnutzten und uns unter die Menge mischen, so kommen wir am schnellsten und am unauffälligsten in den Wald. Sie scheinen es nicht auf das Dorf abgesehen zu haben, aber wir sollten uns dennoch hüten von ihnen gesehen zu werden."

Er hatte Recht, ich wusste schließlich nicht für wen sie wirklich arbeiteten, womöglich waren sie Diener von Larus und das Gerücht, sie würden unter dem Befehl des Königs stehen diente nur zur Tarnung.

Wieso mussten sie gerade jetzt uns über den Weg laufen? Was wollten sie nur? Ich dachte an die zerstörten Dörfer und an die Hektik damals bei den Fahrenden, diese hatte Angst vor den Jägern gehabt und dafür musste es einen guten Grund geben.

"Hör auf nach zudenken."Jared riss mich aus meiner wachsender Verunsicherung.

"Entspann dich, sie werden schon nicht hinter uns her sein. Du meintest doch selbst, dass dich beinahe niemand aus dem Schloss und besonders von den Soldaten erkennt."

Er hatte Recht, niemand würde mich erkennen, selbst diese Jäger nicht. Als er mein Lächeln sah, zog er mich mit sich, der Musik folgend drehte er sich mit mir und wir mischten uns unter die Leute.

"Was ist mit den Anderen?" Ich sah mich um konnte aber weder den blonden Mann noch das Mädchen mit den roten Haaren finden.

"Jetzt denk nicht an sie. Die Beiden kommen schon klar jeder von ihnen ist schon selbstständig genug." Seine Hand legte sich um meine Hüfte, während er weiter leichtfüßig tanzte.

"Wo hast du tanzen gelernt?" Ich konnte mir nicht vorstellen dass Jared je Unterricht im Tanz bekommen hatte. Er selbst hatte noch letztens erwähnt er wäre nur der Sohn eines Bauern.

"Meine Mutter konnte besser tanzen als jede feine Dame des Hofes, sie brachte es meiner Schwester bei und ob ich es wollte oder nicht ich war immer dabei." Als er von seiner Mutter erzählte nahm seine Stimme einen anderen Ton an.

"Was ist mit deinen Eltern? Was machen sie?"

Er schwieg kurz und ich hatte schon ein schlechtes Gewissen ihn zu etwas zu sehr zu drängen.

"Sie sind beide gestorben. Schau nicht so, das ist der Kreislauf des Lebens, jeder stirbt einmal, der eine früher, der andere später."

Ehe ich es bemerken konnte, wichen Jareds Augen von mir, nur um sofort mich mit sich durch die Menge zu ziehen.

"Verflucht, sie haben uns entdeckt! Was wollen die von uns?"

Ich hörte Schreie hinter uns, hatte aber keine Zeit mich umzublicken, denn es war schwer Jareds Hand wegen den vielen Leuten nicht loszulassen. Durch die Rufe, blickten uns einige Menschen an oder aber sie sahen an uns vorbei, wir waren immer so schnell an ihnen vorbei so dass ich ihre Blicke nicht deuten konnte.

"Wenn wir hier raus sind musst du sofort laufen. Ich werde dich loslassen und du läufst los ohne dich umzusehen. Verstanden?"

Ich widersprach ihm nicht. Er klang zu verunsichert, als dass ich ihm entgegnen wollte, ich würde ihn lieber nicht loslassen und mit ihm laufen. Doch ich schwieg, mit der freien Hand hatte ich meinen Rock hoch gerafft, damit meine Beine mehr Freiheit hatten.

Wieso waren die Jäger hinter uns her? Was wollten sie nur?

Kaum waren wir aus der Menge Richtung Wald, da hörte ich Zora.

"Vienna, Jared, hier her!" Sie stand mit Edwin schon bei den Bäumen. Wie aufs Stichwort ließ mich Jared los, blieb etwas zurück und schob mich kurz von hinten an. Wie er es gewollt hatte lief ich mit dem Ziel bis Zora zu kommen weiter.

Kaum kam ich bei den Beiden an, liefen sie los. Jared blieb weiterhin hinter mir. Die Schrei der Männer die bis vor kurzem noch hinter uns laut schalten, wurden schließlich leiser bis ich sie gar nicht mehr hörte.

"Ich denke wir haben sie abgehängt." Rief ich Edwin nach vorne, wie konnte er nur so schnell laufen?

"Das denkst auch nur du Prinzessin! Sie sind viel zu schnell und wir zu langsam!"

"Er hat Recht, sie sind näher als du denkst." Bestätigte Jared Edwins Worte.

Wie konnten die Beiden nur wissen dass die Jäger noch hinter uns waren? Ich konnte nichts hören außer den schweren Atem von mir und Zora.

Als wir endlich hielten, hatte ich Mühe überhaupt noch nach Luft schnappen zu können, dabei zitterten meine Knie. Wir waren an einer Schlucht stehen geblieben. Ein kurzer Blick verriet mir wie tief es runter ging. Jared stützte mich damit ich nicht zusammen sackte, ich spürte dass ich nicht mehr hoch kommen würde sollte ich mich jetzt auf den Boden setzten.

"Wie weiter?" Die beiden Männer sahen gehetzt aus. Dabei konnte ich niemanden weit und breit sehen oder hören, ich wusste dass Jareds Ohren besser waren als meine, aber unmöglich war uns jemand nach diesem Lauf noch auf den Fersen.

"Vienna!"

Ich erstarrte von der Stimme. Ein Blick zu Jared ließ mich noch mehr erschaudern. Während ich mit dem Rücken zur Stimme stand, sah er dieser entgegen. Er war blass geworden, noch nie hatte ich ihn so gesehen, ich selbst wagte gar nicht mich um zu schauen, denn was ich nicht sah konnte nicht wahr sein.

Doch da erklang sie wieder und eine Gänsehaut jagte über meinen Rücken.

"Vienna!"






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