Sieben

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Ein weiteres Mal tauchte ich das Stück Stoff, welches ich von meinem Kleid abgerissen hatte, ins Wasser. Nur um dann aufs Neue über Jareds Stirn zu wischen.

Seit wir, nach einer durchflohenden Nacht, am schmalen Fluss ankamen und ich den Pfeil im Körper des bewusstlosen Jareds sah, war alles schnell gegangen.

Ich hatte von einigen meiner Unterröcken viele lange Streifen abgerissen. Der schlimmste Augenblick war, als ich ihm den Pfeil zog. Es floss so viel Blut, dass ich befürchtete er würde in wenigen Sekunden sterben.

Ich hatte mein Bestes getan und ein dickes Stück des Stoffes auf die Wunde gedrückt. Ich wollte nicht riskieren, dass er starb während ich ihm alles auszog, weshalb ich den Verband über seiner Kleidung festband.

Ich breitete seinen Umhang unter einem großen Baum, in der unmittelbaren des Flusses, aus und zog ihn sogut es ging dort hin.

Nun war schon einige Zeit vergangen und sein Atem hatte an Kraft zurück gewonnen. Dennoch fürchtete ich um ihn. Was sollte ich ohne ihn nur tun? Immer wieder bekam er Schweißausbrüche und unermüdlich wischte ich ihm diese weg.

Der Tag neigte sich fast dem Ende zu und meine Verzweiflung wuchs. Ich bettete seinen Kopf auf meinen Schoß, in der Hoffnung es ihm dadurch einfacher zu machen.

Ich war unendlich müde, doch ich hatte Angst einzuschlafen. Ich wusste nicht wer uns überfallen hatte, aber sie hätten uns nun schnell finden können. Immer wieder strich ich seine dunklen Haarsträhnen aus dem Gesicht.

Ich betete dass er aufwachen möge. Als die Sonne dabei war unter zugehen, regte er sich. Er dreht seinen Kopf hin und her und unter seinen geschlossenen Lidern zuckten die Augen, sodass seine dunklen, langen Wimpern einen Tanz aufführten.

Dann öffneten er langsam seine Augen. Zuerst wanderten sie ohne ein Ziel hin und her, bis sie meine fanden. Lange sah er mich an ohne zu reagieren.

"Jared? Könnt Ihr mich hören?" Erst kam keine Antwort, schließlich kniff er die Augen zusammen und brummte, bevor er diese weit aufriss und mit seinem Körper hoch fuhr.

Natürlich kam es wie es kommen musste. Vor Schmerz zuckte er zusammen und fiel wieder nach hinten. Diesmal lag er nicht mehr auf meinem Schoß.

"Möchtet Ihr trinken? Ich war so dreist und habe in den Taschen eures Pferdes nach gesehen." Ich reichte ihm die gefundene Flasche. Kurz murrte er, dennoch ließ er sich stützen und trank, beinahe alles.

Ich war froh, nicht zu viel getrunken zu haben. Trotz des Brennen in meinem Hals hatte ich Angst, es würde für Jared nicht reichen und er brauchte es dringender. Sein Gesicht nahm Farbe an. Beruhigt lehnte ich mich etwas zurück.

"Wo genau sind wir?" Seine Augen wanderten über die Bäume hinweg.

"Ich weiß es nicht. Das Pferd lief immer weiter bis wir am Wasser ankamen und Ihr herunter gefallen seid."

Stirnrunzelnd sah er mich an, seine Hand ruhte auf seiner bandagierten Brust.
"Euch hat ein Pfeil im Rücken getroffen. Ich habe in heraus gezogen, aber ich bin mir nicht sicher wie die Wunde aussieht."

Still musterte er mich.
"Ihr habt mir den Pfeil heraus gezogen? Mit was habt Ihr denn alles verbunden?"

Wortlos zog ich meinen Rock etwas hoch, sodass er meine zerrissene Unterröcke sah. Das machte ihn sprachlos. Er hatte wohl nicht erwartet, dass ich meine Röcke zerreißen würde. Nun sah er auch an meinen Handschuhen das Blut.

Sein Blut.
Ich hatte mich sehr bemüht alles abzuwaschen, doch es war hoffnungslos.

"Könnt Ihr mir sagen was passiert war?" Ich sah ihn fragend an.
Bevor er sprach, schloss er die Augen und holten tief Luft.

"Wir sind in einen Hinterhalt geraten. Sie haben gewusst dass wir kommen, sie hatten es auf euch abgesehen."

Ich erinnerte mich an den Mann, der sich in meine Kutsche gebeugt hatte. Ein Schauer durchlief mich. Nun wollte Jared sich wieder aufsetzten, diesmal jedoch langsamer.

"Wir müssen ein Dorf finden um zu klären wo wir uns befinden. Dann müssen wir eine Nachricht an euren Vater verfassen."

Ich hob meine Hand um ihn zu stoppen. "Zuerst braucht Ihr einen Arzt. Danach sehen wir weiter. Legt euch erst mal wieder hin." Leicht drückte ich ihn runter.

Ohne ein Wort gehorchte er. Nach wenigen Minuten schlief er wieder, mittlerweile war mir sein leises Schnarchen vertraut. Er schwitzte nicht mehr, sein Schlaf war ruhig.

Liebendgerne hätte ich mich dazu gelegt, doch ich wollte nicht riskieren, dass wir überfallen wurden. Deshalb bemühte ich mich wach zu bleiben. Mal lief ich lange umher, mal spritzte ich mir kaltes Wasser ins Gesicht.

Es war schon lange dunkel geworden und mir wurde langsam kalt. Doch ich machte mir mehr Gedanken um Jared. So gut es ging zog ich den Umhang unter ihm hervor, sodass ich einen Teil von ihm damit zudecken konnte.

Ich erwischte mich wieder dabei, wie ich länger als nötig sein Gesicht betrachtete. Schnell riss ich mich von ihm los.
War es wärmer geworden oder kam es mir nur so vor?

Ich lehnte mich zurück und sah zum Himmel empor. Als ich jünger war hatte ich gerne die Sterne angeschaut. Doch hier schienen sie viel mehr, viel leuchtender zu sein. Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen.

Trotz des Streits mit Vater, trotz des Überfalls, trotz Jareds Verletzung, fühlte ich mich plötzlich leichter. Ich war zum ersten mal draußen, ich bin im Galopp durch einen Wald geritten! Mein Herz schlug schneller.

War es nicht Richtig von mir, mich über meine Lage zu freuen? Am liebsten würde ich den Brief nie an Vater senden. Was würde ich alles geben, um immer auf einer Wiese die Sterne sehen zu können.

Meine Aufmerksamkeit wanderte zu Jared, weil mir bewusst wurde, dass ich sein Schnarchen nicht mehr hörte. Überrascht beschleunigte mein Herz. Seine Augen waren auf mich gerichtet. Schnell sah ich wieder zum Himmel.

"Sie sind schön, nicht wahr?" Ich erwartete eigentlich keine konkrete Antwort von ihm, doch dass was er sagte konnte ich nicht verstehen, weil er so leise vor sich hin murmelte.

Fragend sah ich zum ihm. "Was sagtest Ihr?"
Sein Blick war schnell nach oben gewandert. "Nichts. War eher zu mir selbst."

"Habt Ihr schlimme Schmerzen?" Ich konnte meine Besorgnis nur schwer verbergen. Denn sollte es schmerzen hieß es, dass die Wunde schlimmer wurde.

"Geht schon." Erst legte sich Stille über uns, ehe er erneut sprach. "Wie viel habt Ihr geschlafen?"
"Gar nicht. Schließlich wäre es viel zu riskant gewesen, wenn wir beide geschlafen hätten.

Verwundert sah er mich an. "Ihr habt gar nicht geschlafen? Ihr müsst doch vorm Umfallen sein."
Aus irgendeinem Grund klangen seine Worte auch noch vorwurfsvoll. Dabei hatte ich für uns beide die Augen offen gehalten.

"Los legt euch schon hin. Ich bleibe den Rest der Nacht wach." Er bat mich nicht zu schlafen, nein, er befahl es mir! Empört über seinen harschen Ton, legte ich mich ins Gras, mit dem Rücken zu ihm.

Ich wusste nicht weshalb es mich so traf, doch nach all den Bemühungen hatte er nicht einmal 'Danke' gesagt.

Frühlingsfrost Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon