Neun

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Unsicher bemühte ich mich dem Blick der Frau stand zu halten. Ihre dunklen Augen bohrten sich forsch in meine, bis sich plötzlich ein breites Lächeln auf ihr Gesicht stahl und dabei einige Zahnlücken präsentierte.

"Na da seid ihr noch rechtzeitig zu uns gestoßen, bald beginnt es zu regnen."
Mit diesen Worten kehrte wieder Leben in die Leute. Männer erhoben sich und begannen eine Überdachung zu errichten.

Jared durfte sein Pferd zu den anderen stellen und gesellte sich dann zu mir ans Feuer. Ich streckte meine Hände zur Flamme und spürte wie sich ihre Wärme langsam, aber behaglich durch meinen Körper breit machte.

Die alte Frau, die sich als Shea vorstellte, schien das Sagen zu haben, denn sie spie einen Befehl nach dem anderen aus. Uns wurde etwas zu Essen und zu Trinken gebracht, danach nährte sich uns eine Frau mit einem kleinen Korb.

Sie forderte Jared auf ihr seine Wunde zu zeigen. Dieser hatte jedoch nicht die Absicht ihr zu gehorchen.

"Komm schon Junge, Marr ist unsere geschickteste Heilerin. Keine Sorge du wirst nachher wie neu sein." Rief die Frau mit der Pfeife im Mund, mit einem Zwinkern, ihm zu.

Ich legte meine Hand auf seinen Arm. "Bitte Ihr müsst ihr die Wunde zeigen. Wer weiß wann wir endlich ein Dorf mit einem richtigen Arzt erreichen." Redete ich auf ihn ein.

Zu meinem Erstaunen ließ er seine Schultern sinken und gestattete der Frau seinen Verband zu entfernen. Ich sah ihr genau zu wie sie die Wunde begutachtete, um dann zu einer Nadel zu greifen.

Geschickt führte sie die Nadel mit dem Faden durch die Haut und schloss mit jedem weiteren Stich die Wunde. Zu mir gewandt meinte sie.
"Ihr müsst ihm den Faden wieder heraus ziehen. So nach einer Woche, dafür müsst Ihr nur ein Stück abschneiden, den Rest könnt Ihr dann einfach herausziehen."

Ich hörte ihr zwar aufmerksam zu, doch ich zweifelte stark daran in einer Woche noch an seiner Seite zu sein. Jared zog sich wieder seine Sachen über als ich das erste Platschen der aufkommenden Regentropfen hörte.

Überrascht sah ich mich um. Die zu erst zaghaften Tropfen wurden mit jedem weiteren Wimpernschlag stärker. Bis nach wenigen Sekunden ein heftiger Schauer über uns hereinbrach. Das aufgerichtete Dach hielt stand und trotzte der enormen Kraft des herabfallenden Wassers.

Jared schenkte mir nur einen Blick, der fast schon so was sagte wie, hab ich es doch gesagt. Wie hatte er das wissen können? Den ganzen Tag war nicht eine Wolke zusehen gewesen.

Wir aßen und lauschten der Musik der Fahrenden. Es berauschte mich hier zu sitzen, das Schloss weit hinter mir. Irgendwann rutschte Jared näher an mich, sodass ich ihm mehr Platz machen wollte, doch da legte sich seine Hand auf meine Hüfte.

Verwundert sah ich zu ihm auf, seine Augen waren finster auf etwas anderes gerichtet.
"Ihr solltet in meiner Nähe bleiben, ich traue den Männern nicht."

Von der Neugierde geleitet folgte ich seinem Blick. Es stimmte schon, einige Männer besahen mich, doch es konnte auch einfach daran liegen dass ich so helle Haare und Augen hatte. Ich hatte den Blicken kaum Beachtung geschenkt.

Shea bemerkte seine angespannte Haltung. "Mach dir keinen Kopf Junge. Deine Angebetete wird niemand anrühren. Mag sein, dass meine Jungs nichts als Flausen im Kopf haben, doch sie würden wohl nie auf die Idee kommen eine vergebene Frau zu umgarnen."

Bei ihren Worten war ihr Blick scharf durch die Menge gewandert, so als wollte sie damit zu verstehen geben, weder mich noch Jared anzurühren. Der General neben mir machte sich nichts aus ihren Worten. Weiterhin ruhte seine Hand an meiner Hüfte.

Ehe ich dazu kam ihm etwas zu sagen, sprach Shea schon weiter.
"Wollt ihr dass ich euch etwas aus eurer Zukunft erzähle? Los Mädchen gib mir eine Haarsträhne." Sie griff schon nach meinem Haar, als ihre Hand von Jareds kräftigem Griff zurück gehalten wurde.

Ich sah ihm an wie unwohl ihm bei der Sache war. Doch noch nie war ich auf Fahrende getroffen, nur aus dem Getratsche der Bediensteten hatte ich gehört, dass diese sogar Teile der Zukunft vorhersagen konnten. Alle gingen zwar dahin, hielten es jedoch gleichzeitig für Humbug.

Aber wieso auch nicht? Wenn ich zu dem in der Lage war zu dem ich nun mal fähig war, wieso konnte es dann nicht auch genauso gut möglich sein die Zukunft zu deuten? Zumindest würde es ein kleiner Spaß sein, zu hören was mich womöglich erwarten würde.

Ich hielt Shea die Haarspitzen einer Strähne hin und nickte Jared kurz zu. Es gefiel ihm gar nicht, dass ich ihm nicht gehorchte, aber meine Neugierde war viel zu groß. Ich wollte wissen was ihr meine Haare sagen würden.

Geschickt schnitt sie einen kleinen Teil ab und warf es in eine Schale. Zu meiner Verwunderung nahm sie sich einen kleinen Stock und lehnte sich zum Feuer. Als die Flamme dann endlich auf das Holz gewandert war, zündete sie das Haar in der Schale an.

Dunkler Rauch stieg auf und sofort goss Shea eine Flüssigkeit hinein, die ihr eines der Kinder reichte. Mit großen Augen sah ich ihr bei jeder Bewegung zu. Sie flüsterte einige Worte und verstummt für sehr lange.

Abrupt wanderten ihre Augen zu mir. Ohne ein Wort besah sie mich.
"Du bist wie zwei Seiten einer Medaille, ist dir das bewusst?"

Sprachlos sah ich sie an. Wie meinte sie dies? Ehe ich sie fragen konnte fuhr sie fort.
"Derzeit kennst du nur die grausame Seite an dir, aber vertrau darauf, dass die Liebe bald in dein Leben tritt. Sie wird dich lehren, dass du nicht nur für den Tod stehst."

Jareds Finger an meiner Taille verkrampften sich etwas sodass sie mich aus meiner Starre lösten. Ich hatte gar nicht bemerkt wie ich die Luft angehalten hatte. Nun atmete ich etwas schneller, um den Mangel wieder auszugleichen.

"Ich versteh nicht ganz. Für was könnte ich denn noch stehen?" Ich konnte mir einfach keinen Reim darauf machen, was sie meinen könnte. Natürlich stand ich für den Tod, dies hatte ich schon zum zweiten Mal bewiesen.

Shea lachte nur laut auf und schüttete den Inhalt der Schüssel in die Flammen. Es zischte so unerwartet dass ich vor Schreck zusammen zuckte und näher an Jared rückte. Die Flammen nahmen einen blauen Ton an, dann wurde aus dem kalten Blau ein kräftiges Grün ehe sie wieder zu einem Spiel aus Rot und Gelb wurden.

Shea erhob sich schwerfällig.
"Begleitet uns doch. Wir wollen in die nächste Stadt, da könnte ihr genauso gut mit uns kommen. Ein Dorf wird es vorher nicht geben."

"Wirklich? Wäre das in Ordnung? Würden wir euch sicher nicht zur Last fallen?"

Jared schnaubte.
"Natürlich, solange ihr beiden mit anpackt, könnt ihr auch mit uns reisen." Sie sah Jared in die Augen. "Du wirst ihr in deiner Verfassung nicht helfen können, aber was willst du tun wenn eure Reise ein Ende nimmt?"

Sie erwartete keine Antwort von ihm, sondern ging auf die Wagen zu und Jared blieb ihr die Antwort schuldig.

Ich dagegen saß da und wusste nicht was die alte Frau damit Jared hatte sagen wollen. Schließlich ist es Jared der meine Reise so schnell wie möglich beenden will.

Frühlingsfrost Where stories live. Discover now