Neunzehn

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Ich erwischte Jared endlich mal alleine, als Edwin sich auf Auskundschaft begeben hatte und Zora im Wagen etwas schlafen wollte.

"Wie geht es deiner Verletzung?"

Jared hob die Brauen. "Gut sie wurde behandelt und genäht."

"Weil du dich da so oft kratzt und drückst. Ich denke die Fäden müssten gezogen werden."

Er war dabei Wasser in verschiedene Flaschen zu füllen, die wir im Wagen gefunden hatten.

"Ich denke nicht, dass das eine Aufgabe für eine Prinzessin ist. Ich werd' später selber danach sehen."

Trotzig stemmte ich meine Hände an die Hüften. "Hör auf mich so zu nennen. Ich habe den Pfeil gezogen, ich werde es wohl verkraften die Fäden zu ziehen. Außerdem kommst du gar nicht an die Stelle."

Endlich hielt er bei seiner Tätigkeit inne. "Ich nenne dich so, weil es die Wahrheit ist und die darf ich nicht vergessen. Ich habe die Grenze schon genug überschritten."

Ich wurde aus seinen Worten nicht schlau. Dafür gab Jared auf, er zog sein Hemd über den Kopf und drehte mir den Rücken zu. Die Wunde schien gut verheilt zu sein. Es kostete mich Kraft, mich nur auf seine Wunde zu konzentrieren und nicht seinen Rücken zu bewundern. Ich bat Jared um ein Messer, welches er sehr widerwillig reichte.

"An deiner Stelle wäre ich jetzt sehr vorsichtig, schließlich ist das Messer in der Hand einer Prinzessin." Scherzte ich.

"Es würde mich nicht aufhalten." Brummte er leise. Meine Aufmerksamkeit lag jedoch komplett auf meinen Händen. Mit Mühe schnitt ich einen Faden durch und versuchte zu ziehen. Beschwerlich glitt der Faden durch das Fleisch, aber in wenigen Sekunden war es schon vorbei, ich hatte die Zähne unmerklich zusammen gebissen, der Ekel musste mir ins Gesicht stehen, denn Jared lachte.

"Ich sagte doch es ist nichts für dich, dennoch bin ich beeindruckt, du hast es durchgehalten." Wie selbstverständlich strich er mir eine Haarsträhne hinters Ohr, sofort erstarrte ich.

"Ich verstehs immer noch nicht weshalb man dich all die Jahre weg gesperrt hat, fast wie einen seltenen Vogel." Seine Hand verweilte auf meiner Wange, als würde er es immer machen. Sein Blick war klar, nicht so benebelt wie bei anderen, die es je gewagt hatten mir in die Augen zu schauen, so wie letztens bei Edwin.

Eine Gänsehaut durchfuhr mich.
"Lass uns die Anderen los werden."
Sofort verblasste für mich der Moment, schnell rückte ich von ihm fort. Mit einer raschen Bewegung griff er nach meiner Hand.

"Er gefällt mir nicht, irgendetwas stimmt mit deren Geschichte nicht."

"Dir gefällt niemand." Entgegnete ich ihm und versuchte meine Hand aus seinen langen Fingern zu ziehen. "Wieso musst du nur immer jedem sofort misstrauen!"

"Mir gefällt nicht wie er schaut." Noch kräftiger zog ich meine Hand weg, was nur bewirkte, dass er mehr Stärke aufwand. "Mir gefällt nicht wie er dich ansieht!" Brüllte er fast schon und ich erstarrte.

"Verflucht, mir gefällt es einfach nicht mit welchem Blick er dir immer folgt." Setzte er leicht erhitzt hinzu. Sein Griff wurde weicher, liebevoller und ich begann ihn zu verstehen. Er fürchtete sich davor was kommen könnte, dass es wieder so wäre wie bei den Fahrenden.

Ich verstand ihn zwar, doch es hieß nicht dass ich direkt tat was er wollte. Schließlich musste ja nicht immer sofort etwas Schlechtes passieren. Ich sprang auf. "Ich werde nach Zora schauen, sie hat sicher Durst."

Damit verschwand ich mit klopfendem Herzen zwischen den Bäumen.

Als ich die leisen Stimmen von unseren beiden Begleitern hörte blieb ich stehen. Eigentlich wollte ich sie nicht belauschen, aber es war Edwins Ton, der mich erschauern ließ.

"Ich will nichts mehr von dir hören!" Grob und gefährlich klang sein Flüstern. Doch das junge Mädchen hob nur das Kinn in die Höhe, sie wirkte auf einmal viel älter.

"Du kannst mir gar nichts befehlen. Wären wir damals abgehauen wie ich gesagt hatte, wären wir jetzt nicht hier." Ich verstand die Worte aber nicht den Sinn, weshalb ich auch nicht in die Unterhaltung platzen wollte.

"Tu wie ich es dir gesagt habe. Du gehst mit dem Mädchen." Dann war er weg, nun sah ich den richtigen Zeitpunkt um aus den Bäumen zu treten mit Absicht trat ich auf mehrere Zweige.

Kurz schrak Zora auf, dann erkannte sie mich und wurde wieder das undurchschaubare, junge Mädchen.

"Wir haben genug Wasser für uns alle gesammelt. Ich denke wir werden bald weiter fahren." In dem Erwarten nichts von ihr zu hören drehte ich mich zum Gehen.

"Warum vertraust du uns?" Erklang ihre Stimme leise hinter mir.

"Wieso sollte ich auch nicht? Ihr habt uns nichts getan." Noch nicht, schalte es in meinen Kopf.

"Du solltest mehr auf deinen Begleiter hören." Bei diesen Worten musste ich schnauben.

"Ich sag dir mal was, mir wurde seit ich klein war misstraut. Ich hatte niemanden zum Spielen, dabei wussten die meisten fast nichts über mich. So etwas werde ich nicht anderen antun."

Seit dem ersten Tod wurde ich eingesperrt, Vater und Mutter liebten mich, doch auch sie warten eine gewisse Distanz. Jared war seit langem, der erste der keine Scheu vor mir zeigte auch nach dem ihm klar war was ich tun konnte.

Zora wusste nichts auf meine Worte zu erwidern weshalb ich zu dem Wagen zurück ging.

Edwin begrüßte mich schon mit einem breiten Lächeln. "Hat euch die Zweisamkeit gut getan? Es ist halt nicht richtig von uns euch frisch verliebten zu stören auf eurer Reise."

Ich winkte ab, er schien wieder der fröhliche Mann zu sein, wie er war bevor er mir in die Augen gesehen hatte. "Ich bin froh noch mehr Gesellschaft zu haben."

"Wir sollten bald aufbrechen, damit wir etwas vorwärts kommen." Jared trat aus dem Wald. "Wo ist das Mädchen?" Sein Blick glitt über die beschauliche Lichtung.

"Sie ist sicher etwas die Beine vertreten."

Es dauerte nicht lange und Zora kam mit einer Hand voll Beeren. Edwin schien viel zu begeistert zu sein.

"Wir sollten sie pflücken. Wie wärs wenn ihr beiden welche einsammeln geht, während wir in der Zeit alles schon mal reisefertig machen."

Ich erkannte in Jareds Augen, dass er kurz davor war dem blonden Mann ins Gesicht zu springen. Die Worte aus dem Wald halten noch durch meinen Kopf, du gehst mit dem Mädchen.

Begann hier ihr Plan? Zora schien sehr unentschlossen, ich dagegen wollte es drauf ankommen lassen.

"Gute Idee, komm wir nehmen jeder einen Korb mit. Du bleibst bitte hier." Wandte ich mich an Jared.

"Aber..."

"Was wenn er den Wagen oder die Vorräte stiehlt? Du solltest besser hier bleiben." Unterbrach ich ihn und schlug ihn mit seinen eigenen Gründen warum er sie nicht dabei haben wollen.

Ich drückte Zora einen Korb in die Arme und ging voraus. Zögernd folgte sie mir, wir ließen beide Männer hinter uns und damit legte ich mein ganzes Vertrauen in Zoras zarte Hände.





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