~Arroganz ist die Kunst, auf die eigene Dummheit stolz zu sein~

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Lace

Immer noch aufgewühlt blickte ich über das Feld und direkt in die Augen meines Zwillings. Sie lächelte vorsichtig, dann zog sie mich in eine Umarmung. Kurz erwiderte ich die Geste der Zärtlichkeit, nur um mich kurze Zeit später in einem Kreis aus Fremden wieder zu finden.

Da war einmal Melli, die etwas pummelige, aber ziemlich intelligente aus dem Mittelstand, Jasper, der Junge aus der Oberschicht und Dean, ebenso wie wir ein Unterschichtler. Alle hatte meine Schwester in der letzten Stunde kennen gelernt und schamlos als Informationsquelle ausgenutzt.

Besonders Jasper schien viel zu wissen. Wie er mir erklärte war das hier so eine Art Sichtung.

"Die Oberschichtler finden sich hier ein, um den Prüflingen aller Schichten zu zuschauen. Dabei ist es wie ein Wettkampf, den man bestreitet und dem man mit Freude folgen kann. Manche sind auch hier um potenzielle Arbeitskräfte, die späteren Mittelschichtler, zu sichten und gegebenenfalls später zu engagieren."

Ich nickte bloß, immer noch von der neuen Erfahrung beeindruckt. Es war ein verdammt großer Unterschied, vor einem Publikum zu zeigen was man konnte, als nur vor Mitstreitern. Aber damit musste ich mich nun mal abfinden.

"Alle Prüflinge, die zwischen dem 7.03.2078 und dem 13.03.2078 geboren wurden, bitte in die Mitte."

Ein lauter Ausruf, der den aufgeschreckten Haufen 17-jähriger wenn möglich noch unkoordinierter durcheinander laufen ließ. Selbst Anja, sonst die Ruhe selbst, lief unruhig etwas näher an das in der Mitte aufgebaute Podest heran. Ich selbst folgte ihr etwas langsamer, immer noch nicht ganz verstehend, was hier abging.

Geduldig wartete der Mann auf dem Podest, dann, als alle sich in ihren Schichten gruppiert hatte, begann er ruhig zu sprechen:"Herzlich Willkommen zu dem zweiten Teil des Eignungstestes. In diesem werdet ihr in gemischten Gruppen aus Ober-, Unter- und Mittelschicht gegeneinander in verschiedenen Disziplinen antreten.

Wichtig dabei ist, dass ihr als Team arbeitet. Keiner macht einen Alleingang. Gebt dennoch euer Bestes, eure Einzelleistungen werden ebenfalls bepunktet. Ich werde jetzt eure Teams vorlesen. Kommt dann kurz auf die Bühne."

Dann begann eine Liste an Namen. Dabei viel mir die genau gleiche Anzahl an Schülern pro Schicht auf. 10 Jungen und 10 Mädchen, ausnahmslos. Da hatte jemand nachgedacht.

"So das nächste Team, Nummer 4. Lustigerweise eine Gruppe voller Zwillingspaare. Als erstes Jasper Pridgeton und Jason Pridgeton."

Neugierig ließ ich meinen Blick zu den beiden Jungen schweifen, die nicht unähnlicher sein konnten. Jasper, der eben noch so lebhaft mit Anja geredet hatte, war schlank und drahtig. Sein Bruder breit wie ein Schrank. Eine wirklich ungleiche Mischung. Was man zu den Mädchen aus der Mittelschicht nicht sagen konnte. Die beiden braunhaarigen Schönheiten, Sofia und Stella, glichen sich bis auf ihre Kleidung.

"Dann noch Anja und Lace Underwood."

Seufzend folgte ich meiner Schwester auf die Bühne. Dabei vermied ich Augenkontakt und starrte stur auf dem Boden. Auf der Bühne hob ich dann schließlich den Blick, weil ich nun wirklich nicht wie die schüchterne Person von nebenan wirken wollte. Wenn die Oberschichtler wirklich da waren um Angestellte für spätere Zeiten zu suchen, so musste ich positiv auffallen. Anders würde ich keine Chance haben aus der Unterschicht herauszukommen.

Die Zeit auf dem Podest verging wie in Zeitlupe und obwohl wir keine Minute später wieder vor der Bühne standen fühlte ich mich, als hätte ich einen ganzen Tag lang wie ein Ausstellungsstück stumm dort oben gestanden. Was vielleicht auch daran lag, dass ich die intensiven Blicke der Anwesenden wie Stiche auf mir gefühlt hatte. Ich konnte nur mutmaßen, weshalb mir auch jetzt noch die Blicke des ein oder anderen Oberschichtlers folgten. Wegen meiner seltenen Haarfarbe.

Aber darum würde ich mir später noch Gedanken machen. Jetzt musste ich mir erstmal überlegen, wie man unsere Gruppe am besten verschiedenen Stärken zuordnen konnte. Natürlich gab es da die ein oder andere offensichtliche Stärke. Jason beispielsweise würde sich gut bei Aufgaben eignen, für die man Muskelmasse benötigte.

Bei den beiden Mädchen aus der Mittelschicht musste ich automatisch an Turnen oder Gymnastik denken. Jasper war bestimmt ein guter Läufer. Meine Schwester war eine unglaubliche Volleyballerin und eine annehmbare Turnerin. Ich selbst lief für mein Leben gerne, egal ob Kurz-, Mittel- oder Langstrecke.

Was auch immer wir für Aufgaben bestehen mussten, eins stand fest: Ich würde zeigen, was die einzelnen Mitglieder der Gruppe drauf hatten. Natürlich würde ich mich dabei nicht vernachlässigen, ich war schließlich auch nur ein Jugendlicher, der etwas erreichen wollte.

"Ich würde die Jugendlichen bitten, sich bei ihrer Nummer einzufinden. Dort werdet ihr weitere Instruktionen und eure Aufgaben bekommen. Ich wünsche allen Teilnehmern viel Erfolg."

Langsam lief ich zusammen mit Anja und den anderen beiden Mädchen, welche jetzt schon ein anregendes Gespräch führten, zu der durch ein Hologramm an eine Wand projizierten '4'. Dort warteten Jasper und Jason schon neben einem Typen, den ich als den Glatzkopf von der schriftlichen Prüfung wiedererkannte. 

Ein wenig gestresst wischte er sich den Schweiß mit einem Tuch von der Glatze und trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Kaum waren wir bei ihm angekommen holte er mit zittrigen Fingern ein Tablet aus einem Beutel und reichte es Jasper.

"Hier, alles was ihr braucht."

Dann stürzte er schon zu der nächsten Gruppe, die ihn unruhig erwarteten. Soviel zum Thema 'weitere Instruktionen'. Bei uns blieb es kurz still, niemand wusste so recht, was wir jetzt machen sollten. Irgendwann jedoch gab sich Jasper einen Ruck und tippte beherzt auf die beinah durchsichtige Fläche des hauchzarten Geräts. Das musste eines der neuesten Geräte sein, bemerkte ich bei der Gelegenheit. Die, die ich bisher gesehen hatte waren um einiges breiter, alles andere als durchsichtig und extrem langsam.

Dieses jedoch ging innerhalb weniger Sekunden an und kaum hatte ich das verarbeitet tippte Jasper schon munter und geübt auf dem Gerät herum. Dann hielt er es mir unter die Nase.

"Siehst du das? Das ist unsere Mission."

Ein wenig verwirrt betrachtete ich die Buchstaben, bis mir der Fehler auffiel.

"Die Buchstaben ergeben keine Worte, also keinen Sinn."

Jasper nickte.

"Stimmt. Ich nehme an, dass wir sie in die richtige Reihenfolge bringen sollen. Ich habe mir eben die Zeit genommen und nach einem Programm gesucht, aber die sind alle gesperrt. Da ich noch keine Gelegenheit hatte mich mit diesem Modell auseinander zu setzen kann ich auch nicht sagen, wie man die Sperre umgeht. Wir müssen das hier also allein und ohne technische Hilfe klären."

Super. Irgendwie hätte mir klar sein müssen, dass die Aufgaben nicht so leicht waren, wie sie schienen.

   

2095 - ᴡɪᴇ ɢᴜᴛ ʙɪꜱᴛ ᴅᴜ ᴡɪʀᴋʟɪᴄʜ?Where stories live. Discover now