~Wer mit dem Glück spielt wird zum Verlierer~

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Lace

1.2.3.4.3  5.6.7.8.3  9.10.5   11.6.12.3.2   13.2.14.9 

Für mich sahen diese Zahlen einfach so aus wie das, was sie waren. Seltsame Anordnungen von Ziffern, die irgendwie Sinn ergeben sollten, aber niemandem auch nur den Hauch einer Information vermittelten. Schlichtweg etwas, was meinen Geist überforderte.

Jasper hingegen schien hellauf von der Aufgabe begeistert zu sein. Seine Augen leuchteten förmlich, während es in seinem Gehirn zu rattern schien. Auch alle anderen starrten die Benachrichtigung an, aber niemand schien damit etwas anfangen zu können. Wenigstens war ich nicht der einzige ahnungslose Mensch auf dieser Welt.

"Ich brauche alle Wörter mit 5 Buchstaben, deren dritter und letzter gleich sind, alle anderen aber anders", unterbrach schließlich Jasper unsere nachdenkliche Stille.

Seine Finger flogen schon wieder über den Bildschirm. Ein wenig nachdenklich suchte ich nach entsprechenden Wörtern, doch mir fiel beim besten Willen nichts ein. Obwohl...

"Probier es mal mit 'Jetzt'", schlug ich vor und starrte die nachfolgenden Wörter, oder was auch immer das darstellen sollte, an.

Wenn das Wort jetzt war, dann könnte der Satz...

"Jetzt sucht das bunte Feld."

Überrascht richtete ich meinen Blick auf Jasper, der triumphierend zu uns blickte. Ich konnte nicht anders als den anderen überrascht anzusehen. Woher hatte er das gewusst?

"Du bist ja ein absolutes Genie, Jasper. Woher wusstest du das?", wollte Stella mit einem bewundernden Blick zu Jasper wissen und sprach damit genau meine Gedanken aus. 

Der Angesprochene jedoch wurde rot und zuckte verlegen mit den Schultern.

"Ich dachte mir, dass wir wieder etwas machen müssen, besonders nachdem Lace das erste Wort vorgegeben hat. Also habe ich 'sucht' eingesetzt. Der Rest hat sich dann einfach so ergeben. Keine große Sache."

Zum ersten Mal mischte sich nun Jason ein. Mit Schwung schlug er seinem Bruder auf die Schulter und lächelte glücklich. Das er dem schmächtigeren dabei Schmerzen zufügte schien ihm gar nicht aufzufallen.

"Keine falsche Bescheidenheit, Brüderchen. Das hast du wirklich super gemacht."

Wir anderen nickten zustimmend, auch ich war von Jaspers strategischem Denken überrascht. Dennoch war da dieser bittere Beigeschmack, diese Frage, weshalb ich das nicht konnte. Eines meiner größten Probleme, mal so nebenbei erwähnt.

Wann immer jemand etwas besser konnte war ich zweigeteilt. Auf der einen Seite freute ich mich für die andere Person, auf der anderen Seite wurde ich, abhängig von der Situation, unglaublich eifersüchtig. Momentan hielt es sich in Grenzen, ich hatte schließlich meinen Teil dazu beigetragen.

"Das ist ja alles schön und gut, aber wo soll bitte dieses bunte Feld sein? Soweit ich es überblicken kann ist hier nämlich alles sehr eintönig."

Die ruhige Stimme meiner Schwester, die unsere Stille durchbrach, schien wie ein Zeichen gewesen zu sein. Wir alle begannen uns wie auf Kommando um zusehen. Doch Anja hatte recht. Das einzige bunte in dieser hellgrauen Halle waren die Klamotten der Teilnehmer und die Zuschauer auf den Tribünen.   

Also brachte uns die Lösung herzlich wenig. Auf der anderen Seite musste dieses Feld hier irgendwo erreichbar sein, sonst hätten wir schließlich nicht den Auftrag bekommen es zu suchen. Wir mussten einfach alles absuchen. Wobei, einfach war nicht das richtige Wort. Eher 'verzweifelt'.

"Wir könnten uns aufteilen und dann die Halle absuchen", schlug Sofia da vor.

Ich nickte zustimmend, doch da brachte Anja schon die ersten Zweifel ein.

"Und was sollen wir mit den Seilen machen? Wie wollen wir uns verständigen? Wie sollen wir unsere Erkenntnisse vor den anderen verschleiern? Wo soll dieses Tablet-was-auch-immer-Ding hin?"

Auf die Fragen wusste wieder niemand Antworten und ein weiteres mal überkam uns die unangenehme Stille. Dabei bemerkte ich eine starke Veränderung meiner Schwester. Weshalb auch immer war sie nicht mehr die Person, die alles positiv sah sondern viel eher jemand, der Fragen stellte und alles von der dunklen Seite sah.

Ihre plötzliche Veränderung verwirrte mich. Ich hatte nie gewusst, dass meine Schwester so negativ oder viel eher sachlich in bestimmten Situationen sein konnte. War das vielleicht auch Teil des Tests? Das man zeigt, was wirklich in einem steckt? Das man sein wahres selbst offenbart?

Was auch immer es war, es sorgte für ein unangenehmes Gefühl in meiner Magengegend. Und obwohl ich versuchte, mich auf die Probleme zu konzentrieren, konnte ich momentan nur zu der düsteren Miene meiner Schwester blicken. Wenn ich darüber nachdachte war sie seit dem Test viel ruhiger.

War etwas passiert, das sie mir nicht erzählt hatte? Hatte sie die Aufgaben nicht lösen können? Oder war es nur eine Einbildung und ich interpretierte zuviel darein? Es ließ mir keine Ruhe. Verdammt nochmal, es machte mich verdammt unruhig. 

"Zwei Leute könnten hier bleiben und auf das Zeug aufpassen. Die anderen könnten sich unauffällig umsehen. Seht ihr die Uhr da oben? Wir könnten uns in einer Viertelstunde wieder hier treffen. Wenn jemand etwas gefunden hat kann er es den anderen dann mitteilen. Wenn ein Team vor Ablauf der Zeit etwas gefunden hat können sie sofort herkommen, dann müssen alle aber auf die anderen warten", schlug Jasper schließlich vor.

Nickend wandte ich meinen Kopf und sah in die Richtung, in welche Jasper deutete. Dort hing tatsächlich eine Uhr, die kurz vor 11 Uhr anzeigte. Wenn ich mich richtig erinnerte hatte mein Test um 9 Uhr begonnen, was bedeutete, dass ich schon fast eine Stunde hier war. Hätte ich mich allein auf ein Zeitgefühl verlassen, so hätte ich höchstens halb 11 geschätzt.

"Gut, welche Teams?"

Jasper legte kurz seine Stirn kraus, dann meinte er:"Ich denke wir gehen immer in unseren Zwillingspaaren. Wir müssten nur entscheiden, welches Team hier bleibt."

Bevor jemand auch nur darüber nachdenke konnte schnellte Stellas Hand hoch.

"SoSo und ich bleiben hier. Es ist nicht so unsere Stärke nach Dingen zu suchen und so."

Einverstanden nickten wir. Dann teilten wir uns auf. Anja und ich würden links herum gehen, die anderen rechts. Gerade als wir eine genau Uhrzeit ausmachten durchdrang ein unglaublich lautes Klingeln die Unruhe. Wie die anderen hielt ich meine Ohren zu. Dieser Lärm war ja kaum auszuhalten.

"Liebe Teilnehmer, sehr geehrtes Publikum: Wir geben hiermit bekannt, dass kein Team es in der eingeplanten Zeit von 45 Minuten geschafft hat, dass Feld zu finden. Wir bitten alle Teilnehmer zurück zum Podium, um den weiteren Verlauf zu klären."

Überrascht sah ich zu den anderen. Weshalb hatten sie uns nichts von dem Zeitlimit erzählt? Und was in aller Welt sollte der weitere Verlauf sein? Mit einem mehr als unguten Gefühl begab ich mich dann neben Anja zu dem Podium. Dabei registrierte ich, wie Jasper sich das Tablet und Jason sich die Seile nahmen und dann hinter uns hertrotteten. 

Beim Podium winkte uns dann der schwitzende Herr von vorhin zu sich. Mit rasenden Fingern versuchte er sein Hemd zu glätten und gleichzeitig lässig zu wirken. Doch es misslang ihm komplett.

"Es freut mich, dass ihr die Seile gefunden habt. Wirklich. Ihr seit Team 'Royalblau'. Viel Glück, werdet ihr brauchen."

Und schon wieder wankte er zu dem nächsten Team, eine Geruchsfahne hinter sich herziehend. Ich sah dem seltsamen Kauz noch einige Sekunden hinterher, dann drehte ich mich wieder zu der Bühne, der ich vorher den Rücken gekehrt hatte. Dabei hallten seine letzten Worte noch in mir nach.

Viel Glück, ihr werdet es brauchen.  

2095 - ᴡɪᴇ ɢᴜᴛ ʙɪꜱᴛ ᴅᴜ ᴡɪʀᴋʟɪᴄʜ?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt