~Überschätze nicht den Wettbewerb und unterschätze nicht dich selbst~

4.5K 374 35
                                    

Tim Ferriss

Lace

Obwohl ich damit gerechnet hatte zuckte ich zusammen, als der Startschuss fiel. Laut und klar scholl er durch große Halle und gab mir das Gefühl, komplett von neuem anzufangen. Natürlich wusste ich, dass ich noch lange nicht bei der eigentlichen Veränderungen angekommen war, doch erst jetzt wurde mir so richtig bewusst, wie nah ich einem anderen Leben stand.

Einem Leben, in dem ich mich selbst neu entdecken könnte, in dem ich etwas werden würde, was ich mir vorher niemals hätte vorstellen können. Und das jagte mir eine heiden Angst ein.

"Links Jason, rechts klettern alle. Keine Angst vor dem Abgrund, Sofia. Haltet euch fest. Rückt etwas von dem Zentrum weg, ihr bekommt sonst gleich Ärger mit Raven jr."

Diese und weitere Sätze liefen pausenlos durch den Kopfhörer und machten es mir etwas einfach, nicht gleich panisch wegzurennen. Alles ist gut, keine Panik, du schaffst das schon, wiederholte ich immer wieder und hoffte, dass niemand mir meine momentane mentale Schwäche ansah.

"Stella, Lace, macht euch bereit. Die anderen Klettern jetzt gleich die Seile herauf. Die Treppe dürft ihr bestimmt schon hoch. Habt gleich keine Angst. Die Seile werden oben mit der Hilfe von Profis festgemacht und unter euch sein Netze, euch kann also nichts passieren. Viel Erfolg und hört auf das, was wir euch sagen."

Obwohl Jasper es nicht sehen konnte nickte ich und machte mich dann zusammen mit Stella an den Aufstieg der breiten Holztreppe, eingeengt zwischen Jungs und Mädchen, über deren Kopfhörer ständig Informationen zu laufen schienen. 

Während wir schweigend liefen bemerkte ich, dass die meisten der anderen im ersten Moment tief entspannt wirkten, auf den zweiten Blick aber nervös aussahen. Hier trat einer immer von einem Bein zu dem anderen, da kaute ein Mädchen auf einer Haarsträhne und wieder jemand anderes blickte sich kontinuierlich um.

Als ich auf unserer Startplattform ankam staunte ich nicht schlecht, wie weit es immer noch hinauf ging. Wir waren bestimmt schon 10 Meter über dem Boden und dennoch wirkten die Decke und die beiden anderen Decks noch Meilenweit von uns weg.

 Müsste ich schätzen, so würde ich sagen das wir mindestens 25 Meter klettern mussten, um zu der ersten Laufbahn zu kommen. Doch viel Zeit blieb mir nicht mehr, da im nächsten Moment zwei dunkelblaue Seile vor meiner Nase baumelten. Stella, die direkt neben mir stand, zögerte nicht lange und griff danach.

Mit klopfendem Herzen folgte ich ihrem Beispiel und versuchte nicht darüber nachzudenken, wie tief ich fallen könnte, wenn ich jetzt loslassen würde. Knoten um Knoten zog ich mich hoch und wischte immer wieder meine verschwitzten Finger an der Hose. Nach einiger Zeit begannen meine Arme zu brennen, doch ich versuchte es auszublenden.

Wie die anderen auch quälte ich mich auf das Deck. Aber dort blieb keine Zeit für eine Pause. Gerne hätte ich mich einfach ausgestreckt, aber der Druck durch die anderen Teilnehmer, die jeden Moment ebenfalls die Fläche betreten würde, quälte ich mich auf die Füße.

Mit einem kurzen Seitenblick zu einem weiteren Jungen, der dicht gefolgt von einem Mädchen das Holzgerüst betrat, lief ich los. Ich gab mit größte Mühe, die ca 30 Meter hinter mich zu legen, doch ich war zu langsam. Als ich zu dem ersten Schwimmbecken gelangte war ich nur noch der dritte. 

Zitternd vor Anstrengungen watete ich dennoch in das relativ flache Becken und stieß mich ab. Ohne genau zu wissen, was ich eigentlich tat, begann ich meine Arme und Beine in einem schnellen Rhythmus zu bewegen. Arme strecken, Schüssel, Atmen, Kopf runter, Beine nicht vergessen. Die Bewegung wiederholte ich einige male, dann erreichte ich das Ende.

Triefend hiefte ich mich aus dem Wasser und merkte, dass ich der zweite war, der es aus dem kühlen Nass geschafft hatte. Gleichzeitig bemerkte ich auch den alles andere als glücklichen Blick des anderen, der genauso wie ich jetzt über die ebene Fläche hastete.

"Pass auf Lace, dein Gegner ist aus dem Team von Raven jr.. Der lässt dich bestimmt nicht gewinnen. Zieh also nach rechts und halt dich da."

Ohne zu antworten entfernte ich mich in die genannte Richtung und dann kam auch schon das zweite Becken. Ohne darüber nachzudenken sprang ich in das Wasser und wiederholte meinen vorherigen Rhythmus. Arme strecken, Schüssel, Atmen, Kopf runter, Beine nicht vergessen.

Als ich das Ende sah, dieses mal mit Stufen, richtete ich mich auf und lief den letzten Meter darauf zu. Der andere war mit mir gleich auf. Da ich wusste, dass der erste Platz nochmal extra Punkte bekommen würde, schoss ich so schnell ich konnte los, als ich das Wasser verlassen hatte.

Mein Gegner mobilisierte auch seine letzten Kräfte und nebeneinander liefen wir als ginge es um unser Leben, was im übertragenen Sinne stimmte. Überrascht bemerkte ich, wie der andere langsam zurückfiel. Mit letzten Kräften schleppte ich mich über die dunkle Ziellinie, dann stolperte ich in den dunkelblauen Korb.

Mit Lungen, die sich anfühlten als würden sie jeden Moment aufgeben und weichen Knie ließ ich mich in eine Ecke fallen und richtete meinen Blick auf die Bahn. Der Junge aus Raven jr.'s Team saß in dem Korb nebenan und hechelte wie ich verzweifelt nach Lust. Auch zwei weitere Farben bekamen schon bald einen Finisher gut geschrieben, da bemerkte ich Stella, die neben einem anderen Mädchen über die letzte Fläche rannte.

"Verdammt Stella, halt dich von der neben dir fern. Die..."

Doch es war zu spät. In vollem Lauf bekam sie ein Bein gestellt. Wie in Zeitlupe fiel sie und richtete sich danach nicht mehr auf.

"Mein Fuß tut so verflucht weh."     

Ohne lange zu zögernd stand ich auf und rannte zurück zu meinem Teammitglied. Wenn ich Stella jetzt da wegbekam konnten wir noch zweiter werden.

"Was machst du da Lace? Bleib im Korb. Das meine ich ernst. Lace!"

Ohne auf die anderen zu achten kniete ich mich mit dem Rücken zu der anderen. Stella schien zu verstehen was ich meinte, da sie sich zitternd aufrichtete und ihre Arme um meinen Hals legte. In dem Moment, in dem ich mich aufrichtete legte sich ihre Beine von hinten um meine Hüfte.

Und zum dritten mal heute lief ich über diese gottverdammte Fläche. Ich musste ganz dringend den Korb erreichen, das war alles was zählte. Mit dem im Sinn biss ich die Zähne zusammen und taumelte zum zweiten Mal in den Korb.

Möglichst vorsichtig ließ ich Stella herunter, dann sackte ich nochmal zusammen und begann nach Luft zu schnappen.

"Ich... werde... nie mehr... so viel...laufen", presste ich zwischen hektischen Atemzügen hervor und legte meine Stirn gegen das kühle Material unter mir.

Nie. Wieder.


2095 - ᴡɪᴇ ɢᴜᴛ ʙɪꜱᴛ ᴅᴜ ᴡɪʀᴋʟɪᴄʜ?Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon