~Zuhause ist, wo das Herz sich wohlfühlt~

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Lace

Vollkommen am Ende ließ ich mich in das Auto fallen und schloss erschöpft die Augen. Nebenbei bemerkte ich, wie Jasper sich neben mich setzte und hörte ihn leise Lachen. Dieser Idiot.

Nachdem ich mich umgezogen hatte, hatte er mich noch zu einem Schuhladen und einem Elektronikfachgeschäft geschleppt. Diese ganze Prozedur hatte uns 2 Stunden gekostet und eine Menge Geld, von dem ich nicht mal wusste, wo mein so genannter Assistent es her hatte.

"Wehe du zwingst mich nochmal, solange am Stück einem Fachgespräch über etwas, was ich nicht interessant finde, zu zuhören", murmelte ich schließlich in die Stille, die uns wie einen Kokon einhüllte, hinein.

Wieder hörte ich Jasper Kichern und drehte mich leicht zu ihm. Sofort hörte er auf und blickte mich mit seinem Welpenblick, den ich in den letzten Stunden kennengelernt hatte, an.

"Die Sachen waren wichtig. Schuhe brauchst du, das musst du wissen. Die Elektronik ist ebenfalls wichtig und die Einführung hat die Grundlagen dessen umfasst, was jeder wissen sollte."

Ich schnaubte bloß und schloss meine Augen.

"Wie auch immer."

Damit war das Gespräch beendet und wir hingen beide unseren Gedanken nach. Woran Jasper dachte wusste ich nicht, aber meine Gedanken kreisten um den Kram, den wir erstanden hatten.

Als allererstes hatte Jasper mir eines dieser durchsichtigen Tablets besorgt. Lediglich die Ränder links und rechts waren fest und dienten dem festhalten und auseinander schieben. Dieses Teil konnte nämlich, hatte der Angestellte mir stolz erzählt, in seiner Größe variiert werden.

Man musste nur einen kleinen, kaum sichtbaren Knopf drücken, dessen genaue Position ich schon wieder vergessen hatte, und schon konnte man breiten zwischen 4 cm und 14 cm auswählen. Die Höhe mit 12 cm war jedoch Standard. Bei der Bedienung hatte ich nur noch mit einem halben Ohr zugehört und die Spezialanwendungen hatte ich gänzlich überhört.

Ein weiteres Teil, welches Jasper mir aufgeschwatzt hatte, war eine Kontaktlinse. Mithilfe dieser konnte ich im Internet Inhalte herunterladen, Bilder machen, kurze Videos drehen und, wenn mir danach war, sogar die Wärme meines Gegenübers bestimmen. 

Alles Dinge, die ich allein geschafft hätte. Aber als sich dann auch noch der Angestellte eingemischt hatte und mir mit den Vorteilen im Ohr gelegen hatte, hatte ich aufgegeben und es einfach genommen. 

Das dritte und letzte Gerät war etwas, was man wohl mit dem veralteten Kindle beschreiben konnte. Ein hauchdünnes Gerät zum lesen von so gut wie jedem vorhandenen Buch der letzten Jahrzehnte. Nicht, das ich das nicht auch mit dem Tablet gekonnt hätte.

Ich seufzte auf. All diese Geräte schienen für Jasper so wichtig und alltäglich während ich bis vor kurzem noch alte, halb zerfledderte Bücher gelesen hatte. Dieser extreme Umbruch, welchen ich hier durchlebte, machte mich völlig fertig. 

"Ich möchte dich ja nicht stören, aber wir sind angekommen", riss Jasper mich vorsichtig aus meinen Gedanken.

Blinzelnd hob ich den Kopf. Angekommen? Wo waren wir denn? Zögernd blickte ich aus dem Fenster und mir ging ein Licht, etwa so groß wie die Sonne, auf. Wir mussten bei meiner neuen Behausung angekommen sein.

Vorsichtig folgte ich Jasper aus dem dunkeln Innenraum auf einen hell beleuchteten und für März erstaunlich warmen Bürgersteig. Hier und da liefen Leute über die hellen Steine und ein paar wenige Elektroautos schnurrten lautlos über die Straße. Staunend sah ich mich um.

Erst da bemerkte ich den Mann, der meine Einkäufe aus dem Kofferraum fischte und auf eine offene Tür zusteuerte. Nach einem kurzen Blick zu Jasper folgte ich dem Mann in das Gebäude und sah mich staunend um.

Die Decke des Raumes, in dem wir uns befanden, war riesig und schein einzig aus einem Spiegel zu bestehen, der das Licht aus den Fenster reflektierte. Einige Meter von der Tür entfernt stand eine große Rezeption, hinter der uns eine Frau mittleren Alters freundlich zu sich winkte.

Nach dem ersten Schock durch diesen hellen Raum folgte ich Jasper zu der Frau. Kaum standen wir vor ihr reichte sie zuerst mir, dann dem anderen Jungen die Hand.

"Sie müssen Herr Lace Underwood und Herr Jasper Pridgeton sein. Ich habe Sie bereits erwartet."

Damit kramte sie in einer Schublade herum und schob uns dann jeweils ein Tablett zu. Auf meinem befand sich ein Chip, ein verschlossenes Couvert und eine Visitenkarte, auf Jaspers dasselbe.     

"Die Chips dienen der einmaligen Nutzung von Aufzug und dem Öffnen Ihrer Wohnungstüren. Die Codes, die Sie danach benutzen müssen, stehen auf einem Zettel in dem Couvert. Die Nummer auf der Visitenkarte können Sie anrufen, wenn etwas nicht stimmt oder Sie gerne etwas bestimmtes Essen würde. Weitere Verwendungszwecke und eine kurze Einführung befinden sich ebenfalls in dem Couvert. Ihre Wohnungsnummern stehen auf dem Couvert."

Nach der kurzen Ansprache bedankten wir uns und schon ging es weiter zu einem Aufzug, der ebenfalls glänzend neben der Rezeption stand. Kaum hatte Jasper seinen Chip vor das Lesefeld gehalten öffneten sich die Türen schon und ließen uns ein.

Ein wenig unwohl fühlte ich mich bei dem ganzen Chrom, den Spiegeln und dem dunklen Teppichboden schon, doch während ich die Taste für meine Etage-34- drückte, versuchte ich es mir nicht anmerken zu lassen.

Auch Jasper, der einige Geschosse unter mir wohnte, sah sich nervös um. Die Türen glitten zu und kurz lief klassische Musik, dann öffneten die Türen sich plötzlich zu meiner linken und enthüllten einen großen Raum, von dem aus zwei Türen abgingen. Jasper atmete einmal durch, dann trat er aus dem Aufzug.

"Bis später", rief ich ihm noch nach, dann schlossen sich die Türen für ein paar Sekunden wieder, nur um dann lautlos auseinander zu gleiten. Ein wenig zögernd trat ich heraus und fand mich in einem schlicht eingerichteten Raum wieder. Hinter mir befanden sich die nun geschlossenen Türen des Aufzugs.

Zu meiner war ein großes Fenster, welches den Blick aus dem Gebäude erlaubte. Dem Fenster gegenüber stand ein Sofa, welches mit dunklem Samt bezogen war. An der letzten der 4 Wände war eine große Tür, die meinen Blick wie magisch anzuziehen schien.

Langsam bewegte ich mich über den dunklen Boden und blieb dann vor der Tür, vor meinem neuen Zuhause, stehen. Wie in Zeitlupe hob ich den Chip vor ein kleines Feld. Das leise Klicken, welches in der Stille fehl am Platz wirkte, ließ mich zusammenfahren.

Als ich mich etwas gesammelt und meine plötzlich so empfindlichen Nerven beruhigt hatte legte ich meine Hand auf die kühle Klinke und atmete tief durch. Dann drückte ich sie herunter und stieß die Tür auf.

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Nicht bearbeitet   

2095 - ᴡɪᴇ ɢᴜᴛ ʙɪꜱᴛ ᴅᴜ ᴡɪʀᴋʟɪᴄʜ?Where stories live. Discover now