⚠️ 24.12. Jaetang, Jeotang, Jeomin ⚠️

1.7K 111 78
                                    

Draußen schüttet es in Strömen und in meinem Gesicht schüttet es auch.

Allein der Gedanke morgen über den aufgeweichten, schlammdurchtränkten Rasen zu laufen, lässt mich wie eine Sirene aufheulen. Im Moment kann ich über alles und jeden weinen, denn wenn ich erstmal im Modus bin, kann ich mich überall reinsteigern.

Ungeschickt versuche ich mein aufkehlendes Schluchzen in meinem Plüschkissen zu ersticken, aber der Versuch scheitert kläglich. Enttäuscht und etwas sauer setzte ich mich wieder auf, und will erneut zum Weinen ansetzten, aber dann höre ich ein Geräusch, dass mich verstummen lässt.

Obwohl meine Fensterläden in dem Gewitter hin- und herfliegen, an die Wand und in ihre Verankerung knallen sowie mein lilaner Vorhang im stürmischen Wind gespenstisch herumwirbelt und seltsame Geräusche von sich gibt, kann ich diese deutlich von dem Fußgetrampel unterscheiden.

Meine Wände sind dünn und meine Brüder nicht taub. Klar, warum habe ich Dämel auch nicht damit gerechnet, dass sie sich Sorgen machen, wenn ich das halbe Haus zusammenjammere? Angespannt kralle ich mich in den kuscheligen Stoff meiner lilanen Übergangsdecke und verfolge mit meinen Augen das im Flur aufleuchtende Licht, das sich unter meiner Türleiste den Weg in mein Zimmer bahnt. Ich höre ihre Schritte, sechs Füße, wie sie vor meinem Raum halt machen. Ich höre ihre Stimmen gedämpft durch das Holz, wie sie sich beraten und flüstern. Und ich höre wie sich eine Hand behutsam um die Türklinke legt.

Dieser jemand stellt sich als mein ältester Bruder Jaetang heraus, der sie nach unten drückt und seinen Kopf mit besorgtem Gesichtsausdruck durch den kleinen Spalt in mein Zimmer streckt. Kaum eine Sekunde später entdecke ich Jeotangs Kopf, auch ein älterer Bruder, direkt unter Jaetangs, allerdings mehr mitleidig als er. Jeomin sieht mich von ganz unten mehr neugierig als fürsorglich an, wie die älteren beiden, aber er ist schließlich unser Nesthäcken, deswege nehme ich es ihm nicht all zu übel.

Als Jaetang die Klinke loslässt und die Tür aufschnellt, fallen die zwei Jüngeren, die etwas genickt stehen, beziehungsweise knien einfach kreischend vor mein Bett auf den Boden, da die Tür ihre einzige Möglichkeit war, sich zu fixieren.

Mein ältester Bruder gibt den beiden einen leichten Klaps auf den Hinterkopf, sodass sich danach alle drei Augenpaare an mir festheften. Obwohl ich weiß, dass sie mich schon längst gehört haben, wische ich mir eilig die Tränen aus den Augenwinkeln und richte meinen Blick zum Fenster.

Da die tropfenden Umstände vor meinem geöffneten Fenster ziemlich trostlos wirken und den ganzen Ausblick in unseren Vorgarten vertrüben sowie mich wieder zum Weinen animieren, wende ich mich schnell davon ab und suche einen anderen Punkt in meinem Zimmer, den ich fokusieren kann.

Aber mit drei Brüdern in der selben Etage samt großem Bad und Elternschlafzimmer, bleibt wenig Platz für jedes einzelne Kind. Und da mein Zimmer deshalb weniger groß ist, kommt es vor, dass ich die besorgten Blicke meiner Brüder streife. Ihre Güte rührt mich wieder zu Tränen.

Jaetang ist der erste, der das aufsteigende Wasser in meinen Augen bemerkt und langsam auf mich zu kommt. "Hey Bruderherz, du schaust so traurig", setzt er sich an die Bettkante und wuschelt durch mein Haar, "lass mich dich mal anschauen." Ohne auf eine Zustimmung oder der gleichen zu warten, legt er seinen Daumen und Zeigefinger an mein Kinn, um es vorsichtig nach oben zu drücken und mich zu mustern.

"Willst du uns erzählen, was los ist?", fragt Jeomin, der wie gesagt ziemlich neugierig ist und vor meinem Bett kniend, mit den Händen brav auf seinen Schenkel platziert und erfürchtig auf eine Antwort brennt.

Ich mag die drei echt gerne und wir sind ein eingespieltes Team, aber trotzdem kommt es mir falsch vor, mit ihnen über meine waghalsigen Liebesprobleme zu sprechen, also schüttle ich heftig den Kopf und erkenne genau, dass Jeomin die Enttäuschung über meine Antwort für einen kurzen Moment ins Gesicht geschrieben steht, bis er sich wieder fängt.

Auch Jeotang bemerkt das und weißt ihn an: "Das ist schon ok Jeomin, lass ihn doch, wenn er nicht möchte.", und zieht, gegen den pfeifenden Wind ankämpfend, mit viel Kraftaufwand das Fenster zu.

Urplötzlich wird es still im Raum, die Naturgeräusche sind wie ausgesperrt, das unterstützende Jammern des Windes vernehme ich nicht mehr und der kaltklare Regen zeichnet sich nur noch durch ein gleichmäßiges Klopfen an meine Scheibe von meiner Fantasie ab. Starr verfolge ich die abprallenden Tropfen, wie sie sich ihren Weg auf dem Glas langsam schräg nach unten bahnen und immer wieder in den Spuren anderer, vorrausgegangener Tropfen enden. Das alles wirft mich zurück in meine Kindheit, wo ich am Fensterplatz im Auto während den langen Fahrten immer verfolgt habe, welcher Tropfen es am schnellsten zum Ende des Glases schafft.

Doch mein kleiner Bruder schafft es, mich mit einem einzigen Satz aus meinen Sandkastenjahre rauszureißen: "Du bist schwul." stellt Jeomin fest.

Sofort laufen wir restlichen drei knallrot an, ich aus Scham und die älteren beiden wahrscheinlich, weil der Jüngste ausgeplaudert hat, was sie sich alle denken. Jeotang stürmt zu Jeomin und zieht im am Ohr: "Du bist so einfühlsam wie eine Kartoffel!" Während der Kleinste sich mit Händen und Füßen wehrt und protestschreit, breche ich an Jaetangs Schultern zu wiederholten Mal heute in Tränen aus.

-----

Hallo?! Wo sind meine drei liebevollen Brüder? Ich warte seit gut 16 Jahren :(
Ich würde sogar die unsensible Kartoffel haben wollen :(

- Nono

How to tell I'm gay ~Nomin~Where stories live. Discover now