⚠️ 26.12. Besuch ⚠️

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Am Morgen danach werde ich kurz nach neun von lautem Gelächter und Gerede aus der Küche geweckt. Im ersten Moment denke ich noch, meine Eltern streiten sich wieder, aber dafür ist der Umgangston zu freundlich. Mühsam schäle ich die kuschelig Bettdecke von meinem Körper und werde sofort von einer Eiseskälte empfangen. Appa spart mit den Heizkosten.

Ich verabschiede mich von meinen alten Boxershorts und dem großen, lilanen Oversize Shirt und schlüpfe unter die Dusche. Gerade, als ich meine Haare ausspülen will, geht das Wasser aus. Na toll, mein Vater hat die Dusche von sieben auf fünf Minuten getrimmt. Dieser verdammte Pfennigfuchser.

Seufzend und tropfend klettere ich aus der Duschwanne und wasche das Shampoo am Waschbecken aus meinen Haaren. Von unten immer noch Gekicher und Geplapper. Ich wette, das ist die alte Freundin mit der herzzerreißenden Tochter in meinem ungefähren Alter.

Eigentlich habe ich keine Lust dazu, aber weil ich ein höflicher, junger Ma- äh Teenager bin, beschließe ich nach meinem Styling wenigstens "Hallo" zu sagen. Auf dem halben Weg, möchte ich aber schon wieder umkehren. Beide lachen und hauen sich gegenseitig auf die Hände, wenn ihnen eine mordsinteressante Geschichte aus ihren tristen Leben einfällt.

Noch kichernd zieht meine Mutter mich an sich und stellt die hübsche Brünette mit Sonnenbrille und mich gegenseitig vor. "Jeno, dass ist Young Jijang, Jiji, dass ist mein Sohn Jeno." "Tagchen.", zwinge ich mich zu einem Lächeln und grüße Jijang knapp mit der Hand.

Sie kichert nur wieder wie blöd und haut meiner Mutter auf die Pfoten. "Du hast nicht übertrieben, meine Liebe, auf so ein Prachtexemplar wäre ich auch stolz. Nase und Kinn hat er vom Vater, ja?" Stolz?! Das ich nicht lache. Meine Mutter leugnet meine Sexualität und damit einen großen Teil von mir und meiner Persönlichkeit, nur um ihren guten Ruf zu bewahren.

Mein abfälliges Schnauben reißt ein Loch in die vorherrschende Atmosphären. Die ohnehin schon großen Augen meiner Mutter weiten sich ein Stückchen und ihre Freundin verliert das dauerhafte Schmunzeln. Um zu verhindern, dass ich irgendwas rauslasse, was in der Familie bleiben soll, hadert mein Mutter ein wenig umher, findet aber eine plausible Weise, ihr Gespräch wieder aufzubauen:

"Er ist ein wenig schüchtern. Aber ich denke, mit Kaisoo wird er gut zurecht kommen. Jeno Schatz, sei doch so lieb und hol' uns süße Teigtaschen in Yttong's Backstube. Wir reden gerade über ein Treffen, diese Woche noch."

Als sie mir das Geld mit zitternden Händen in die Hosentasche schiebt, starre ich emotionslos geradeaus. Wow, nicht mal mehr eine Woche in Freiheit bleibt mir. Meine Eltern wollen das Problem, also mich, so schnell wie möglich aus dem Weg haben. Irgendwas in meiner Brust zieht plötzlich so schrecklich.

Auf dem Weg zur Bäckerei schnüre ich meinen Mantel enger um meinen frierenden Körper. Man sollte meinen, ich habe jetzt genug Zeit nachzudenken, aber nein, mein Kopf ist völlig leer. Auf der Suche nach Hilfe durchstöbere ich meine Kontakte. Mark oder Jaehyun, einer von ihnen muss doch Zeit für mich haben.

Bevor ich zu Ende tippen kann, bin ich schon da. Seltsam, der Bäcker ist ganz nah bei meiner Schule und bis dahin brauche ich doch auch länger. Ich habe einfach komplett das Zeitgefühl verloren. Manche Schüler trudeln langsam auf dem von hier aus sichtbaren Schulhof ein.

Die meisten von ihnen müssen Stunden nachholen und auch wenn sie nicht pünktlich zum Schulbeginn erscheinen müssen, zehn Uhr kann es also noch nicht nicht sein.

Ich suche mir die süßen Teigtaschen mit den schrecklichsten Geschmacksrichtungen wie Paprika Zitrone oder Grüner Tee aus. Vielleicht findet Young Jijang meinen Geschmack dann so schlecht, dass sie mir ihre Tochter nicht anvertraut, aus Angst ich könnte sie vergiften. Wer's glaubt wird seelig..

Sobald ich mich vom Verkaufstresen abwende, bitte ich Mark um ein Treffen. Jetzt wird er mir nicht antworten können, weil er auch noch Zeit in der Schule absitzen muss. Aber er ist ein guter Freund, ich bin mir sicher, dass er sobald er meine Nachricht erhält, zum Schulklo geht, um sie lesen zu können.

Völlig vertieft will ich Jaehyun gerade die selbe Nachricht schicken, als ich ein starkes Kribbeln auf meiner Haut spüre. Augenblicklich beginnt meine sie heiß zu werden und zu jucken, nervös zwicke ich mich in meinen Schenkel. Irgendwer beobachtet mich!

Als ich aufsehe, blicke ich direkt in die braunen Augen Jaemins. Lange oder kurz, ich kann es nicht einschätzen, starren wir uns einfach nur an, bis Jaemins Gesicht eine sehr, sehr rote Farbe annimmt und er sich beschämt wegdrückt. Ach ja, gestern habe ich die Hälfte seiner Familie, ihn miteingeschlossen zur Sau gemacht.

Sein bester Freund Haechan, der mit Jae zur Schule läuft, zieht ihn beschützend an sich und stiert mich böse an. Schnell mache ich, dass ich wegkomme.

Haechan hasst mich. Gegen Ende der Sommerferien, als ich viel Zeit mit Jaemin verbracht habe, ist er ganz wehmütig zu mir gekommen und wollte von mir wissen, ob Jaemin ihm aus dem Weg geht, weil er seine Liebe nicht erwidert.

Auf diesen Gedanken wäre ich nie gekommen, aber das arme Kerlchen war ganz aufgelöst. Ich habe ihm versprochen, ihn mit Jae zu verkuppeln und das auch anfangs versucht, doch nach und nach gefiel mir der Gedanke nicht, dass die beiden ein Paar werden könnten. Damals war mir noch nicht bewusst, dass ich auf meinen Kindheitsfreund stehe.

Also habe ich damit begonnen, Haechan falsche Tipps zu geben und ihn stattdessen mit Rejun zusammenzubringen. Heute schäme ich mich unendlich dafür. Irgendwann, als er schon lange mit Rejun zu tun hatte, ist Haechan aber hinter meinen Plan gestiegen und war ziemlich wütend.

Ich wollte Rejun nicht auch noch auf meine Kosten das Herz brechen, also habe ich intensiv an ihrer Beziehung gearbeitet. Blöderweise habe ich ihm dann einmal eingeredet, ein Foto von den beiden auf Instagram zu posten, das ich zufällig geschossen habe, als wir nachts unterwegs waren und sie miteinander gekuschelt haben. Rejun hat einen ziemlichen Shitstorm abbekommten und Haechan hat es nicht ausgehalten, ihn so unglücklich zu sehen.

Auch daran gibt er mir heute noch die Schuld. Ich bin nicht sauer mit ihm, ich kann Haechan verstehen, auch wenn es nie meine Absicht war, den beiden zu schaden. Schließlich wäre das ein Eigentor, ich wollte Jaemin für mich haben.

Jetzt bekomme ich Young Kaisoo. Unehrlichkeit zahlt sich nicht aus.

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Kann sich einer vorstellen wie schwer es ist, bei dreißig Grad vom Winter zu schreiben?

- "Nono"

How to tell I'm gay ~Nomin~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt