Kapitel 12

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Am nächsten Morgen formierte sich der lange Wanderzug aus Menschen und Pferden erneut und wir zogen weiter in Richtung Südwesten. Irgendwann am Nachmittag machten wir Halt. Kaum hatten die Frauen die Zelte aufgebaut, bereiteten sich die Männer auf die Jagd vor: Sie legten nur ihre Gürtel und Lendenschurze an und ölten ihre Körper mit Bärenfett ein, bis sie glänzten. Sie machten ihre Büffelpferde und Waffen bereit und besprachen sich ein letztes Mal darüber, wie die Jagd ablaufen sollte.

Als Ohitika das Zelt betrat, um seine Pfeile und den Bogen holen, hielt ich ihn auf. „Ohitika?"

Er drehte sich zu mir um.

„Werden wir auch die Büffel sehen können, vom Lager aus?"

Er verneinte. „Die Frauen und Mädchen bleiben zurück. Nur die Jungen begleiten die Krieger, um die Packpferde zu bewachen und uns beim Zerteilen der Beute zu helfen."

„Kann ich nicht auch mitkommen?", fragte ich. „Ich bleibe auch bei den Jungen und bin niemandem im Weg."

Ohitika legte den Kopf leicht schief. „Warum will Malie mitkommen?"

„Ich würde so gern Büffel sehen."

Er zögerte kurz, dann schüttelte er den Kopf. „Die Büffeljagd ist eine gefährliche Angelegenheit. Sie ist nichts für Frauen und Mädchen." Damit wandte er sich um und verschwand aus dem Zelt.

In dem Moment hasste ich es, ein Mädchen zu sein. Immer wurden uns Beschränkungen auferlegt. Das war für jemanden wie mich, die aus einem anderen Zeitalter stammte, besonders schwer zu akzeptieren.

Verstohlen beobachtete ich, wie sich die Männer am Rand unseres Lagers versammelten und schließlich angeführt von den Häuptlingen unserer beiden Gruppen losritten. Die Jungen mit den Lastpferden zogen hinterher.

„Heute Abend wird es Lendenstücke und Büffelzunge geben", schwärmte Wihinapa, die auf einmal neben mir auftauchte.

„Ich würde die Büffel lieber lebend sehen als in ihre Einzeile zerlegt", brummelte ich. Sie bedachte mich mit einem verwirrten Seitenblick, doch ich ging nicht näher darauf ein. Schließlich schlüpfte sie ins Zelt, um den Rest unserer Sachen auszupacken.

Ich begann, im Dorf umherzuwandern, und driftete dabei, vielleicht absichtlich, vielleicht auch nicht, in Richtung des Bachs ab, an dem wir Halt gemacht hatten. Das Ufer war mit ein paar Büschen und Bäumen bestanden, die Holz für unsere Feuer lieferten. Ganz in der Nähe, auf der anderen Seite der Furt, weideten die Pferde. Ich kannte den Jungen, der sie bewachte. Er war ein wenig jünger als ich und hatte mich bisher nicht wirklich beachtet — natürlich weil ich ein Mädchen war.

Ich fragte mich, ob ich es versuchen sollte. Bisher hatte man mir nicht verboten, mich frei im und um das Lager zu bewegen. Ich wollte nur einen Ausritt machen, das war alles. Was sollte er schon dagegen haben?

Ich watete durch den flachen Bereich des Bachs hinüber zur Herde und suchte unter den vielen braunen, gescheckten, roten und wildfarbenen Pferderücken nach der Fuchsstute. Der Junge blickte in meine Richtung, aber er ließ mich in Ruhe. Er war wahrscheinlich genauso sauer wie ich, dass er zu Hause bleiben musste und sich nicht an der Jagd beteiligen durfte.

Die Stute graste in der Nähe des Ufers. Sie drehte ihre Ohren in meine Richtung, als ich mich ihr näherte. Doch sie schien mich zu erkennen, denn sie scheute nicht vor mir zurück, ließ sich streicheln und kraulen und fraß dabei gemütlich weiter. Ihre Vorderbeine waren an den Fesseln mit einem Lederriemen zusammengebunden, sodass sie nur kleine Schritte machen, sich aber trotzdem frei bewegen konnte. Rasch hockte ich mich hin und knotete das Band auf.

Dann machte ich mich bereit, aufzusitzen. Der Junge kam auf mich zugeschlendert. Ich bemühte mich, so selbstverständlich wie möglich zu wirken, als wäre das alles so geplant.

Plötzlich Indianer - Eine ZeitreisegeschichteWhere stories live. Discover now