Kapitel 21

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Am Abend hockten wir in dem kleinen Jagdzelt, das gerade groß genug war, dass wir beide uns darin ausstrecken konnten. Ich starrte in die tänzelnden Flammen, die an den trockenen Zweigen leckten, und spürte ihre Wärme auf meiner Haut. Das Feuer hatte eine beinahe hypnotische Wirkung, wenn man lange genug hinsah und sich ganz darin versenkte.

„Ite-ska-win." Ohitikas Stimme ließ mich zusammenzucken.

Er saß mir gegenüber. So nah, dass ich nur meine Hand ausstrecken müsste, um seine zu berühren. Als ich meinen neuen indianischen Namen aus seinem Mund hörte, rieselten Schauer über meine Arme. Ich blickte ihn an.

„Wonach werden wir morgen in der Höhle suchen?", fragte er.

Ich beschrieb ihm die Felsformation, eine Halbinsel, umgeben von einem Wassergraben. „Die Wände in diesem Bereich der Höhle sind überall mit schimmernden Kristallen besetzt. Damals habe ich einen von ihnen berührt. Und dann war ich auf einmal hier."

Er zog die Stirn in Falten. „Wie bist du in die Höhle gekommen?"

„Durch einen anderen Eingang. Ich weiß nicht genau, wo er liegt."

„Er muss weit von hier entfernt sein, sonst hätte ich dich schon vorher bemerkt. Ich war schon einige Tage durch dieses Gebiet gestreift und ein halbnacktes weißes Mädchen, das sich kaum leiser fortbewegt als ein Wildschwein, wäre mir sicher aufgefallen."

Ich bedachte ihn mit einem empörten Blick und er schmunzelte. „Du hast dich verbessert."

„Vielen Dank!"

Ohitika wartete ab und ich blickte auf meine Hände hinab. Ich konnte mich nicht dazu durchringen, ihm die ganze Wahrheit zu sagen. Er würde es nicht verstehen, das ganze Konzept einer Zeitreise wäre ihm fremd. Und vielleicht hatte ich auch Angst, dass es uns voneinander entfremdete, jetzt, da wir uns gerade näher zu kommen schienen.

„Du hast es selbst gesagt", begann ich, „es ist ein Zauber. Ein Geheimnis. Ich kann es mir auch nicht erklären. Die Geister müssen ihre Hand im Spiel gehabt haben."

Ob er mir glaubte oder nicht, er ließ es darauf beruhen.

Bei Morgengrauen war ich auf den Beinen und lief zum Bach, an dem wir das kleine Tipi aufgebaut hatten. Ich hatte unruhig geschlafen und musste ganz furchtbar aussehen, mit Augenringen und wirren Haaren. Zum Glück war die bewegte Wasseroberfläche kein sehr guter Spiegel und ersparte mir diesen Anblick. Wie lange hatte ich schon nicht mehr in einen richtigen Spiegel geschaut? Komischerweise vermisste ich es nicht.

Ich kniete mich an einer flachen Uferstelle nieder und wusch mir gründlich das Gesicht. Dann löste ich meine Zöpfe, um mein Haar zu kämmen und neu zu flechten, während die Morgensonne am Himmel emporkletterte und mit ihren Strahlen meinen Rücken wärmte.

Doch auf einmal verschwand die Wärme und ich spürte seine Gegenwart hinter mir. Ich hatte ihn nicht kommen gehört und erschrak, sodass mir der Kamm ins Wasser fiel. Rasch angelte ich mit der Hand danach und wäre dabei beinahe selbst vornüber gekippt. Da griff Ohitika mich am Oberarm und zog mich sanft nach oben. Ich wandte mich langsam zu ihm um. Er blickte mich an, als würde er mich zum ersten Mal sehen. So wie damals, als er mich gefunden hatte. Warum stolperte mein Herz auf einmal so in meiner Brust?

„Mein Kamm", sagte ich nach einer undefinierbaren Zeitspanne; dabei war mir das Ding in diesem Moment vollkommen gleichgültig.

Ohitikas Mundwinkel hoben sich leicht und ein Funkeln trat in seine unergründlichen Augen. Er öffnete langsam seine Finger, die noch immer meinen Oberarm umfassten. Dann glitt seine Hand an meiner Schulter nach oben zu meiner Wange, die er mit der Rückseite seiner Hand unendlich leicht streifte. Mein Atem stockte. Er fuhr mit den Fingern durch mein offenes Haar und ließ eine dicke Strähne durch seine Hand fließen. Sie glänzte im Sonnenlicht rötlich-golden.

Plötzlich Indianer - Eine Zeitreisegeschichteजहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें