Kapitel 16

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Tag und Nacht schallten die Trommeln der Krieger durch das Lager, bis alles zu vibrieren schien, sogar die Luft selbst. Der monotone Rhythmus ging mir durch und durch und selbst wenn der Wind über die offene Prärie pfiff, blieb immer dieses Geräusch im Hintergrund, wie das ferne Grollen eines Gewitters. Die Krieger bereiteten sich auf ihren Auszug vor, während die Frauen und Mädchen noch immer die Jagdbeute verarbeiteten. Ich schüttelte meine Arme aus, die vom Abschaben der Büffelhaut ganz schwer waren. Ein heißer Wind wehte mir ins Gesicht und half nicht gerade dabei, die Schweißtropfen auf meiner Stirn zu kühlen. Auch Wihinapa hielt in ihrer Arbeit inne und wischte sich mit dem Ärmel die Stirn ab.

„Es war zu trocken in diesem Sommer", sagte sie und schaute besorgt in den wolkenlosen Himmel.

Mir fiel auf, dass es tatsächlich nicht einen Tag geregnet hatte, seit ich mitten in dem heftigen Gewitter hier ‚gelandet' war. Die Prärie war mit gelb-braunem, welkem Gras bedeckt und der Wasserlauf, an dem wir lagerten, wurde Tag für Tag seichter und hinterließ spröde, trockene Erde.

„Ich hoffe, wir gehen bald zurück", meinte Wihinapa. „In den Schutz der Berge."

Ich nickte und kniete mich wieder neben sie. Vor uns lagen die großen Häute auf der Erde ausgebreitet. An den Ecken, da, wo die Beine gewesen waren, hatten wir sie mit Pflöcken festgesteckt. Mit meinem Schaber aus Knochen kratzte ich immer wieder über die Haut, um alle Fleischreste davon zu entfernen und ihr eine ebenmäßige Dicke zu geben. Wir waren schon seit Stunden damit beschäftigt und das war erst der Anfang. Es würde noch viele Tage Arbeit erfordern, bis diese Haut weich und haltbar wurde und verarbeitet werden konnte. Diese hier sollte Teil einer Zeltwand werden — für den Fall, dass ein Tipi beschädigt wurde.

Ich dachte oft daran, wie hart die Frauen hier arbeiten mussten, und doch waren sie dabei fröhlich oder wenigstens gleichmütig bei der Sache. Ich hatte noch nie gehört, dass Wihinapa sich beschwert hätte. Im Gegenteil, sie legte ihren ganzen Stolz hinein, eine gute ‚Hausfrau' zu sein. Ohitika musste nie um etwas bitten — sie schien all seine Bedürfnisse vorauszuahnen. Ich konnte mir wirklich nicht vorstellen, was werden sollte, falls sie unser Zelt verließ.

Die kleine Zica tappelte barfüßig zu mir und streckte mir ihren Arm entgegen, um mir etwas zu geben. Es war eine Puppe. Ihr Kopf und Rumpf bestanden aus weichem, mit Heu gefülltem Wildleder. Sie hatte Haare aus Büffelmähne, die sorgfältig geflochten waren. Sogar winzige bestickte Mokassins und ein Kleidchen hatte jemand für sie angefertigt.

Ich lächelte. „Die ist aber schön. Ist das deine?"

Zica nickte ernst. Sie sprach nicht viel, aber ich hatte trotzdem keine Probleme, sie zu verstehen.

„Dann pass gut auf sie auf." Ich gab ihr die Puppe zurück.

Zica hockte sich neben mir auf den Boden und spielte weiter, während ich schabte. Ihre Mutter, eine junge Frau namens Magaska-win, oder Weißer Schwan, winkte uns zu. Sie machte sich auf den Weg auf die andere Seite des Bachs, um Holz zu sammeln. Ich winkte zurück und gab ihr damit zu verstehen, dass wir ein Auge auf ihre Tochter haben würden. Es war hier ganz normal, dass die Kinder sich die meiste Zeit über frei bewegen konnten und alle Frauen im Dorf mit auf sie aufpassten. Ich fühlte mich geehrt, dass Magaska sie mir anvertraute, als wäre ich eine von ihnen.

Zica spielte still mit ihrer Puppe und Wihinapa summte vor sich hin, wobei sie immer wieder den Kopf hob und in den nordwestlichen Himmel schaute. Ich war so in meine Arbeit vertieft, dass ich erst nicht merkte, wie der Wind immer stärker heulte und die Kriegstrommeln ausgesetzt hatten.

Erst als Zica staunend sagte: „Groooße Wolken!", schaute ich auf.

Über dem westlichen Horizont hingen tatsächlich dicke schwarze Wolken, schwärzer als alle Gewitterwolken, die ich je gesehen hatte. Doch ich hörte keinen fernen Donner und sah auch noch keine Blitze. Unzählige Vögel flogen und flatterten über unsere Köpfe hinweg. Zica und ich reckten unsere Hälse. So viele Vögel auf einmal ... sie schienen alle vor der dicken Wolkenwand zu fliehen.

Plötzlich Indianer - Eine ZeitreisegeschichteWhere stories live. Discover now