Kapitel 20

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Heute endlich würde ich das erste Mal auf Patches reiten. Ich hatte sie in den letzten Tagen an die Decke auf ihrem Rücken gewöhnt. Zuerst hatte ich sie mit der Decke überall berührt und sie schließlich immer länger auf ihrem Rücken liegen gelassen. Mittlerweile stand sie ruhig da, wenn ich ihr die Decke auflegte und es machte ihr überhaupt nichts mehr aus. Auf die gleiche Weise hatte ich sie an eine Art Zaumzeug gewöhnt, eigentlich nur ein Lederseil, das dem Pferd durchs Maul gezogen wurde. Manche, wie Ohitika, ritten auch ganz ohne Zügel, aber für mich war es so einfacher.

Ohitika hielt Patches fest, damit sie still stehen blieb, während ich von einem umgefallenen Baumstamm aus auf ihren Rücken kletterte. Ich wollte beim ersten Mal nicht auf sie springen, um sie nicht zu sehr zu erschrecken. Vorsichtig schwang ich mein rechtes Bein nach oben, doch als es ihren Rücken berührte, wich Patches nach links aus. Sie drehte ihre Ohren rückwärts, als wollte sie fragen, was das werden sollte. Ich klopfte ihr beruhigend den Hals und versuchte es noch einmal. Diesmal klappte es und sobald ich oben war, schlang ich meine Beine um ihre Seiten und griff nach einer Faustvoll Mähne, denn Ohitika hatte sie losgelassen und Patches, verwirrt von dem ungewohnten Gewicht, machte ein paar Galoppsprünge nach vorn, bevor sie in schnellem Tempo weitertrabte. Ich ließ ihr freuen Lauf, damit sie ein Gefühl dafür bekam, wie es war, einen Reiter auf dem Rücken zu tragen. Erst als sich ihre Geschwindigkeit etwas verringerte, lenkte ich sie behutsam im Kreis zurück und lobte sie überschwänglich.

Meine kleine Stute begriff rasch. Nachdem wir diese ganze Prozedur mehrmals wiederholt hatten, brauchte ich Ohitika nicht mehr, um Patches zu halten. Sie hielt still, bis ich oben saß, brach dann zwar noch aus, beruhigte sich aber viel schneller wieder, sobald sie merkte, dass der Mensch auf ihrem Rücken ihr nichts tat. Auch Ohitika hatte es geschafft, den Falben an sich zu gewöhnen. Das Tier, das erst misstrauisch und am wildesten von allen gewesen war, folgte ihm jetzt wie ein zahmes Schoßhündchen, ließ aber niemand anderen auf seinen Rücken. Ohitikas Lied musste wirklich ein Zauberlied gewesen sein, wenn es so eine Veränderung bewirkt hatte. Aber ich war auch sehr glücklich mit meiner Patches — oder Wiyaskabye, wie sie auf Lakota hieß.

Jetzt war es an der Zeit, mit den neuen Mustangs zum Hauptlager zurückzukehren. Die Tage wurden immer kürzer und die Vorbereitungen auf den Winter standen an. Ich freute mich darauf, Wihinapa mein neues Pferd zu zeigen. Auf dem Weg ritt ich auf Patches und Ohitika auf dem Falben. Ich führte den Schecken, der ein wenig eifersüchtig auf den Falben war, seit dieser die ganze Aufmerksamkeit seines Herren beanspruchte. Die beiden Hengste konnten sich nicht riechen und mussten voneinander getrennt gehalten werden.

Während ich vor mich hinträumte und überlegte, ob wir wohl bald nach unserer Rückkehr zu der Höhle aufbrechen würden, kam Hehaka zu mir herangeritten und ließ seinen Braunen auf einer Höhe mit mir in Schritttempo fallen. Mir war schon während der letzten Tage aufgefallen, wie er mir immer wieder verstohlene Blicke zugeworfen hatte, doch ich hatte sie ignoriert — mit einem leicht schlechten Gewissen, denn das wunderbare Messer, das er mir geschenkt hatte, hing noch immer an meiner Seite. Am liebsten hätte ich es ihm wiedergegeben.

„Malie hat eine gute Wahl getroffen mit der Fuchsstute", sagte er und schaute dabei stur geradeaus.

„Ja, sie ist ein braves Tier." Ich tätschelte ihr den Hals und blickte ihn ebenfalls nicht direkt an.

„Es war ein großes Geschenk von Ohitika", sagte er nach einer endlos scheinenden Weile des Schweigens.

Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte.

„Ohitika ist sicher ein guter Jäger und furchtloser Krieger", fuhr er fort.

Jetzt warf ich ihm doch einen irritierten Seitenblick zu.

Plötzlich Indianer - Eine ZeitreisegeschichteTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang