Kapitel 27

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Im Hof des Forts roch es nach Pferden, Rauch und gekochten Bohnen. Eines der Gebäude, ein längliches Blockhaus, war ganz offensichtlich ein Stall. Ich hörte einige Pferde wiehern, die wohl unsere Maultiere rochen. Soldaten in Uniformen liefen von hier nach da und warfen uns verstohlene Blicke zu. Vor dem Haus, aus dem die Essensgerüche strömten, hatte sich eine Schlange gebildet. Weitere Blockhäuser stellten vermutlich die Schlafbaracken und Offiziersunterkünfte dar. Das Holz war noch neu und frisch, als wäre das Fort mit seinen Gebäuden erst vor Kurzem erbaut worden. Wo befanden wir uns? Waren das immer noch die Black Hills?

Der Soldat, der uns hereingelassen hatte, trat zusammen mit einem weiteren Mann aus einer Blockhütte am anderen Ende des Hofs und kam auf uns zu. Der andere Soldat war groß und schlank, hatte einen gepflegten dunklen Schnauzbart und auf Hochglanz polierte Stiefel. Ich wusste nichts über die Uniformen der amerikanischen Armee, aber ich nahm an, dass er ein Offizier war.

„Guten Tag", sagte er, als er unsere Gruppe erreichte. „Ich bin Major Lewis, der Kommandeur dieses Stützpunkts. Wie ich hörte, hatten Sie einen unschönen Zusammenstoß mit ... Indianern?" Hier streiften seine Augen vor allem mich in meiner Indianerkleidung.

Stuart nahm seinen Hut ab und fuhr sich durch sein wirres schwarzes Haar. „So ist es, Major. Haben einen unserer Männer verloren und dieses Mädchen da aufgelesen. Sie ist vermutlich eine Gefangene gewesen, aber sie spricht nicht viel, steht wahrscheinlich unter Schock. Wir dachten, dass Sie hier vielleicht etwas mehr mit ihr anfangen können."

Mein Kiefer spannte sich an. Glaubte Stuart tatsächlich, dass er meine Rettung vor den ‚Rothäuten' zu verantworten hatte?

„Sie wissen, dass Sie sich unerlaubt im Indianergebiet aufgehalten haben?", fragte der Major streng.

„Nun ja, wir wollten ja nichts Böses, sind doch nur eine kleine Gruppe. Und als Bürger der Vereinigten Staaten bitten wir um Ihren Schutz", sagte Stuart mit geheuchelter Reue.

Major Lewis runzelte die Stirn. „Wie heißt das Mädchen?", fragte er.

„Mary. Sie ist Deutsche. Fragen Sie mich nicht, wie sie hierher gekommen ist."

„Keine Sorge, das werde ich sie schon selbst fragen", erwiderte Lewis. Er nickte mir zu. „Kommen Sie, Miss. Meine Frau Cecilia wird sich um Sie kümmern."

Ich wollte nicht mit ihm gehen, aber es blieb mir nichts anderes übrig. Die Wachen und die hohe Umzäunung des Forts machte eine Flucht unmöglich, ganz abgesehen davon, dass ich noch immer vor Kälte bibberte und vor Müdigkeit fast aus dem Sattel glitt.

Also stieg ich ab und folgte dem Soldaten, der vom Major den Befehl erhalten hatte, mich zu seiner Frau zu bringen. Ich würdigte die Goldsucher keines Blickes mehr und hoffte, ich würde sie nie wiedersehen.

Wir gingen auf eine der Blockhütten zu, die etwas abseits von den anderen stand. Sie hatte ein winziges Fenster neben der Tür und aus ihrem Schornstein stieg Rauch auf. Der Soldat klopfte und musterte mich aus dem Augenwinkel, während wir warteten. Ich achtete nicht weiter auf ihn, noch auf all die anderen, die mich anstarrten, weil sie noch nie eine Weiße in Indianerkleidung gesehen hatten. Wieder war ich der Paradiesvogel — die Einzige, die hier nicht hingehörte. Schließlich wurde die Tür geöffnet und eine Frau erschien im Rahmen. Ich schätzte sie auf Mitte dreißig. Sie trug eine blaue Schürze über dem einfachen braunen Kleid und hatte ihr hellbraunes Haar hochgesteckt. Ihre blauen Augen weiteten sich, als sie mich sah.

Der Soldat räusperte sich. „Ma'am, Major Lewis bittet Sie, sich dieses Mädchens anzunehmen. Ihr Name ist Mary und sie wurde von den Indianern befreit."

„Ach, herrje." Bevor ich protestieren konnte, hatte Mrs. Lewis meine Hand ergriffen und zog mich sanft über die Schwelle. „Vielen Dank, Burns, ich kümmere mich um sie."

Plötzlich Indianer - Eine ZeitreisegeschichteWhere stories live. Discover now