Kapitel 30

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Wir liefen mit leisen Schritten über den Waldboden, der hier nur dünn mit Schnee bedeckt war. Ich konnte nicht aufhören, Ohitika immer wieder rasche Seitenblicke zuzuwerfen, um mich zu vergewissern, dass er auch wirklich da war. Nach einer Weile stießen Sihahanska und Hehaka zu uns. Hehaka nickte mir zu, gab sich aber distanziert. Ihm war natürlich nicht entgangen, dass Ohitika in einer besitzergreifenden Geste meine Hand ergriff.

Die Mustangs standen tiefer im Wald in einer geschützten Senke. Ohitika hängte mir ein Bärenfell über die Schultern, hob mich auf seinen Schecken und saß hinter mir auf. Er umfasste mich mit einem Arm und griff mit dem anderen nach den Zügeln. Dann ritten wir in einer Reihe im Schritt durch den verschneiten Wald, bis wir an den Fluss kamen, den ich mit den Goldsuchern auch auf meinem Weg hierher überquert hatte.

Unten am Ufer stiegen die Krieger ab, während ich auf dem Pferd sitzen bleiben sollte. Sie zogen ihre Mokassins aus und führten die Mustangs in das flache Uferwasser hinein. Vermutlich wollten sie einige Zeit im Fluss laufen, um ihre Spuren zu verwischen und eventuelle Verfolger abzuhängen. Ich glaubte zwar nicht, dass der Major uns jemanden hinterherschicken würde, aber Ohitika vertraute den Waschitschu nicht und ich konnte es ihm nicht verübeln.

Die Mustangs trotteten flussabwärts und schnaubten ab und zu leise, was im Rauschen des Flusses beinahe unterging. Der Himmel klarte sich auf und die Sonnenstrahlen glänzten auf den schwarzen, eingeölten Haaren Ohitikas und der anderen Krieger. Am Ufer hoben sich die hohen, tiefgrünen Formen der Nadelbäume vor dem blauen Himmel ab.

Ohitika hatte sich eine Büffellederdecke umgehängt, aber seine Füße im Wasser mussten trotz der Sonne eisig kalt sein. Nachdem wir eine gewisse Strecke schweigend zurückgelegt hatten, konnte ich meine Neugier nicht mehr zügeln.

„Woher wusstest du, dass ich hier bin?", fragte ich ihn leise. „Und wie ist es dir ergangen? Das Letzte, was ich von dir gesehen habe, war ..." Ich stockte, als das Bild seiner leblosen Form im Schnee wieder vor mir auftauchte. „Ich dachte, du wärst tot. Und es war meine Schuld. Wenn ich nicht so dumm gewesen wäre und —"

Ohitika hob eine Hand, um mich zum Schweigen zu bringen. „Niemand ist Schuld. Nur die Waschitschu, die unerlaubt in unser Land eingedrungen sind." Er hielt inne und holte tief Luft.

„Ich weiß nicht, wie lange ich verwundet im Schnee lag", begann er. „Irgendwann erwachte ich, weil mich etwas Weiches anstieß. Es war der Schecke, der mich aufgespürt hatte. Wenn er mich nicht gefunden hätte, wäre ich vielleicht erfroren."

Ich erschauerte.

„Ich war geschwächt vom Blutverlust", fuhr er fort, „zu schwach, um mich aufzurichten oder zu laufen, aber der treue Schecke legte sich neben mich in den Schnee und wartete, bis ich mich mühsam auf seinen Rücken gezogen hatte und an der Mähne festhielt. Dann richtete er sich auf und trug mich den ganzen Weg nach Hause, während ich nur halb bei Sinnen auf ihm saß."

Ich kraulte dem Schecken den Hals und spürte eine tiefe Dankbarkeit in meiner Brust für das Tier, das so viel Loyalität und Klugheit bewiesen hatte. „Und Patches?", wollte ich wissen.

„Sie ist dem Schecken gefolgt. Die beiden haben sich recht schnell aneinander gewöhnt."

Der Gedanke ließ mich lächeln. „Und dann?"

„Im Dorf konnte ich gerade noch berichten, was geschehen ist, bevor ich zusammenbrach. Tatanka Wakon versorgte mich und Häuptling Mazzukata schickte einige Männer zurück zu dem Ort, den ich ihm beschrieben hatte, um nach dir zu suchen. Sie fanden die Spuren der Waschitschu und folgten ihnen einige Zeit, bis sie wegen der Schneeschmelze nicht mehr sichtbar waren. So ritten sie wieder zurück Es dauerte Wochen, bis meine Wunden geheilt und ich wieder einigermaßen bei Kräften war. Erst dann konnte ich aufbrechen, um nach dir zu suchen. Hehaka und Sihahanska boten an, mich zu begleiten. Der Häuptling wusste von einem Stützpunkt der Waschitschu auf der anderen Seite des Flusses und es war meine Hoffnung, dass sie dich dorthin gebracht hatten. Es war die einzige Spur, die ich hatte", sagte er. „Ich wollte das Lager der Langmesser nur auskundschaften — und stolperte geradewegs über dich. Die Geister müssen wieder ihre Hand im Spiel gehabt haben. Vergib mir, dass es so lange gedauert hat."

Plötzlich Indianer - Eine ZeitreisegeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt