Espresso

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Der Blick kommt von schräg über den Gang. Meine Nackenhaut prickelt, während das anschwellende Dröhnen der Triebwerke beide Gehörgänge ausfüllt. Schon jetzt legen sich die ersten Vorboten dieses ekligen Druckgefühls auf meine Trommelfelle, das alles dämpft und das Gefühl erzeugt, man wäre in einem Käfig aus Plexiglas gefangen. Eine unsichtbare Kraft drückt auf meine Brust und mich in den Sitz. Das Herz schlägt mir bis zum Hals, während ich den Kopf drehe, um das Augenpaar zu suchen, das sich seit dem Check-in in Hamburg an mich geheftet hat.

Espresso.

Ich schlucke.
Zwei verkniffene Augen blicken unverblümt in meine. Sie schimmern in einem dunklen, fast schwarzen Braun, wie der italienische Espresso in diesen kleinen Tassen.

Mit Schwung drehe ich mich wieder um.

Hitze steigt in meine Wangen und ich beuge mich zu Jenna, die neben mir sitzt. Ihr blonder Haarschopf ist über ein Modemagazin gebeugt, sodass ihre rosa Spitzen das Hochglanzpapier streifen.

„Aufgeregt?" Ihrem teilnahmslosen Murmeln entnehme ich, dass sie meine Unruhe auf den Start schiebt.

„Da ist ein Typ", wispere ich und beuge mich noch näher zu ihr hin.

Ihr Kopf schnellt schneller in die Höhe, als ein Düsenjet abhebt. „Echt? Du hast schon jemanden entdeckt? Wo denn?"

Sie schraubt ihre Wirbelsäule auf doppelte Länge und reckt den Hals in alle Richtungen. „Lass das!" Ich ziehe sie am Ärmel ihres Kaschmircardigans runter. „Das meine ich nicht. Da ist einer, der beobachtet uns!"
„Ernsthaft?" Ihre Augen sind rund wie Ufos und sie schaut, als hätte ich ihr eben erzählt, aus dem kleinen Fenster neben uns eines gesichtet zu haben.

Ihrer Euphorie tut das allerdings keinen Abbruch. Eher im Gegenteil. „Zeig!" Ihr Kopf schnellt wieder über die Sitzlehne, während ich meinen tief zwischen die Schultern ziehe. Am liebsten wäre ich in der kleinen Ritze zwischen unseren Plätzen verschwunden, während meine Freundin neugierig über den Gang nach hinten blickt.

Für meinen Geschmack hält sie den Blickkontakt viel zu lang, aber das ist Jenna.

Auf ihren Wangen liegt ein pinker Schimmer, als sie sich wieder zu mir dreht.

„Tatsache", flötet sie. „Und was für einer! Der hat Geschmack! Und Geld! Gugg nur mal auf den Anzug, den er trägt, der ..." Hektisch beginnt sie in ihrem Modeheft zu blättern.

„Hör auf! Das ist doch jetzt egal!" Ich stoße sie mit der Faust an die Schulter und werfe verstohlen einen weiteren Blick nach hinten.

Jenna hat Recht.

Der hellgesäumte, dunkelblaue Anzug hat etwas Edles, fast schon Aristokratisches. Auch ohne Modemagazin erkenne ich, dass es sich um ein Designerteil handelt. Ganz zu schweigen von der Uhr, die er trägt.

Mein Nacken kribbelt als hätte da eine fette Spinne ihr Netz gebaut und meine Finger sind auf Tiefkühltemperatur abgekühlt, als ich zu Jenna herumfahre:

„Aber das macht es umso verdächtiger! Warum sitzt der hier? Und nicht in der Businessclass oder gleich in einem Privatjet?"

Mein Herz schlägt viel zu schnell. Ich würde jetzt gern etwas trinken, aber die Stewardess ist noch nicht vorbeigekommen.

Jenna zuckt die Schultern und schiebt die Nase wieder in ihr Heft.

„Vielleicht hatte er zu spät gebucht? Oder er ist einer von denen, die nur bei bestimmten Dingen zeigen, wie viel Kohle sie haben und in anderen total geizig sind?" Ihrer Stimme nach zu urteilen, war ihr Interesse schon wieder verpufft.

Die Maske des Dogen - das Geheimnis von VenedigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt