Pappe zum Frühstück

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Die Morgensonne fällt durch das Bogenfenster und zeichnet das verschnörkelte Muster des Balkongitters in einem zarten Bleistiftgrau auf den hellen Teppich.

Selbst durch das geschlossene Fenster dringt das Gurren von Tauben herein. Hinter meinen Lidern flackern die Reste eines Blaus, intensiv genug, dass sie mich an ein Augenpaar erinnern. Den flatterigen Balzgeräuschen zum Trotz versuche ich, weiterzuschlafen, denn da lauert ein Traum, so verheißungsvoll wie ein gegebenes Versprechen. In der Hoffnung, dass es dunkel und still wird, vergrabe ich mich in die weichen Kissen.
Bis etwas an meiner Schulter rüttelt.

„Los Feli! Frühstück!"

Das etwas heißt Jenna und ist penetranter als alle Tauben zusammen.

Grummelnd reibe ich mir die Augen und blinzel, während mein Blick den verschwommenen Klecks erfasst, der vor dem Bett steht und langsam scharfe Konturen bekommt.

Meine Freundin ist längst fertig - in pinken Top und weißen Rock. Ihr Look erinnert an ein Tennisdress. Doch statt eines Schlägers hält sie eine Sonnenbrille in der Hand und das Gewinnerlächeln hat sie auf den Lippen.

„Du bist schon wach?" Meine Schläfrigkeit paart sich mit Skepsis und lässt etwas Speichel aus meinem Mundwinkel tropfen. Ich wische ihn mit dem Handrücken ab und schiele auf den Nachttisch, wo mein Handy liegen würde, wenn es nicht ein Bad in der Ostsee genommen hätte. Wie lange hatte ich denn geschlafen? Normalerweise ist bei Jenna das Siebenschläfer-Gen aktiv und nicht andersherum.

Der Nachttisch ist leer und bei Sonne betrachtet, bin ich froh, dass mein Samsung Galaxy nur noch ein mit Algen umwickeltes Stück Elektroschrott ist, denn sonst hätte ich ihn angerufen. Mitten in der Nacht. Aus einem Hotel in Venedig. Kurz nachdem er mich eiskalt abserviert hatte. Katastrophe!

Ein Urlaub ohne Handy gleicht zwar einem Zoo ohne Tieren: ruhig, aber wenig unterhaltsam. Doch in diesem Fall rettet es mich und meine Würde und Jenna würde schon dafür sorgen, dass wir nicht an Langeweile sterben.

Ich setze mich auf. Mein Haar glänzt wie flüssiger Thymianhonig und riecht auch so. Mit dem Finger entwirre ich zwei Strähnen, als die Erinnerung langsam zurückkehrt: Die erste Hälfte der Nacht hatte ich entsetzlich geschwitzt. Die Hotelbettwäsche ist bauschig, aber null atmungsaktiv. Ich wälzte mich hin und her und kämpfte mit Fragen, so undurchdringlich und tückisch wie ein Dschungel aus Kletterrosen. Ob David in der Nacht bei Lou war? Ob er wenigstens versucht hat, mich zu erreichen? Ob er mich vermisst? Wenigstens ein bisschen? Jeder dieser Gedanken war ein Dorn, und jeder stach ein Loch in mein Herz.

Zum Glück hatte ich noch ein Lavendelthymianbonbon aus dem Klütje im Rucksack. Erst nachdem ich es gelutscht und mir dabei den Blumenladen, mit den vielen Vasen, den Amaryllis, Nelken und Gerberas bis ins Detail vorgestellt hatte, wurde mein Herzschlag ruhig und meine Atmung tief.

Gemessen daran, wie müde ich jetzt bin, schien das ganz schön gedauert zu haben.

„Bereit?" Jenna zieht an der Bettdecke.

„Nein!" Ich rufe so laut, dass die Tauben auf der Balkonbrüstung aufhören zu gurren. Jenna lacht. Ihre Wangen schimmern in einem zarten Rosa und ihre Augen haben die gleiche Farbe wie der wolkenlose Himmel. Sie kann fröhlich sein. Sie hat nicht die Liebe ihres Lebens verloren.

Mit dem Gedanken falle ich wieder in mein Kissen zurück.

Jenna verdreht die Augen und zieht mich aus dem Bett. „Süße, du wirst sehen, ein Cappuccino mit viel Zucker und Milchschaum, dazu ein paar leckere Cantuccini und dann sieht die Welt wieder ganz anders aus."

Obwohl ihr mein Verstand widerspricht, sammelt sich die Spucke in meinem Mund.



Die Maske des Dogen - das Geheimnis von VenedigWhere stories live. Discover now