Il gondoliere

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Ich spüre Lucians Präsenz direkt auf meiner Haut. Meine Wangen und der Nasenrücken prickeln und ich schwöre, dass meine Wimpern surren. Aber nicht ich reagiere auf ihn, sondern die Maske.

Es ist, als versuche sie, um jeden Preis eine Verbindung herzustellen. Unsichtbare Fäden zerren mich in Richtung der lauernden Finsternis im stockdunklen Flur und jetzt hämmert der Schmerz nicht nur in meiner Stirn, sondern auch in meiner Brust wie verrückt.

Doch der Schreck, über das, was ich eben erfahren habe, sitzt zu tief in meinen Knochen, um dem Drängen nachzugeben. Niemals werde ich freiwillig zu ihm gehen!

Entschlossen reiße ich die Fensterscheiben auf und schwinge mich auf das Fensterbrett. Durch den Nebel sehe ich nicht, was mich erwartet. Doch in diesem Moment tritt Lucian hinter mir durch die Tür.

„Mia felice, meine Erwählte!" Er besitzt die Autorität eines Donnerschlags, der die Luft mit Spannung erfüllt und gleichzeitig das Verlangen weckt, dem Sturm entgegenzutreten.

Aber ich springe.

Mitten hinein in den dichten Nebel. Lucian brüllt irgendetwas und ein stechender Schmerz fährt in meinen linken Knöchel, als er bei der Landung auf dem unebenen Pflaster umknickt. Er jagt von meiner Ferse die Wirbelsäule hinauf und überlagert für diesen einen Moment sogar die quälenden Kopfschmerzen.

Ich streife die Schuhe ab und sprinte los.

Jeden Atemzug rechne ich damit, von einer Gewehrkugel durchbohrt zu werden. Ich sehe nichts in dem nasskalten Grau, das die Gassen füllt und auf Höhe der Dachrinnen nahtlos in den schwarzgrauen Himmel übergeht. Das Echo von Rufen und Stiefeltritten prallt von den Wänden und trifft mich aus allen Richtungen.

Trotz meiner Angst, den Fae direkt in die Arme zu laufen, renne ich immer weiter in die graue Wand. Zur Orientierung strecke ich eine Hand aus und lasse sie über die Hauswände streifen, der grobe Putz reißt die Haut an den Fingerkuppen auf, doch das ist nichts im Vergleich zu den Schmerzen im Rest meines Körpers. Sie ziehen im Knöchel, stechen in der Lunge und bohren sich tief in mein Hirn.
Mein ganzer Körper fleht mich an umzukehren!

Panik wallt heiß in meiner Brust und ich versuche, nicht darüber nachzudenken, was mir alles zustoßen kann. Denn selbst die Angst ist eine Gefahr. Sie lähmt mich wie ein Tier, wenn es auf der Landstraße vom Scheinwerferkegel eines Autos erfasst wird. Mein Scheinwerfer ist Lucian und wenn er mich erwischt, war's das mit mir.

Nein Feli! Nicht denken, rennen!

Adrenalin durchströmt meine Zellen, aber meine Beine sind müde und mein Atem rasselt.

Verzweifelt halte ich Ausschau nach einem Versteck. Doch Lucian wird mich finden, so wie er mich bei der alten Frau gefunden hat. Doch ... Wenn ich es bis hinter die Absperrungen schaffe ... Die Erkenntnis trifft mich wie ein Blitzschlag. Von wegen Regata storica! Sie sperren das Jagdgebiet ab, um die Einheimischen zu schützen und zu verhindern, dass es noch mehr Opfer gibt! Wenn ich dahinter käme, wäre ich gerettet!

Der Gedanke gibt mir neue Kraft, die ich gleich ins Rennen investiere. Ich beschleunige, trotz des Brennens in der Lunge und des Stechens in der Seite.

Nur mein eigenes Keuchen und das Patschen meiner nackten Fußsohlen auf Stein ist zu hören. Ich habe sie abgehängt! Meine Mundwinkel zucken, doch das Grinsen erstirbt, als es erneut ohrenbetäubend knallt. Ganz in meiner Nähe.

Es kostet mich alle Willenskraft, mich nicht auf den Boden zu schmeißen und mit beiden Händen schützend Kopf und Ohren zu bedecken. Und wenn ich nicht jedes Fitzelchen Luft zum Rennen bräuchte, würde ich laut schreien. Doch ich sprinte weiter. Das ist meine einzige Hoffnung.

Die Maske des Dogen - das Geheimnis von VenedigWhere stories live. Discover now