Ouvertüre

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„Lucian Caccia."

Der Name ist so klangvoll, dass ich ihn am liebsten gebeten hätte, ihn zu wiederholen, nur um diesen Moment noch einmal zu erleben.

Doch eine Schnabelmaske in einer schwarzen Kutte lugt hinter dem Löwen hervor. Der Mann vom Eingang schießt es mir durch den Kopf. Irritiert sehe ich zu, wie er die Fersen in die Luft reckt und sich vertraulich dem rechten Ohr des Löwenmaskenträgers nähert. 

Doch statt zu Flüstern, krächzt er so durchdringend, dass ich vor Schreck zusammenzucke und selbst der Letzte im Saal auf die Szene aufmerksam wird: „Mio stimato Signore, die beiden Damen haben keine Einladung."

Er hat Recht und dennoch wünsche ich ihm die Pest an den Hals.

Der Löwe lacht ein heiteres Brüllen und seine Augen blitzen. Als es verklingt, sind alle Gespräche und selbst das Klirren der Gläser verstummt. Doch die Rabenaugen hinter der Schnabelmaske lachen höhnisch in unsere Richtung.

„Dann hast du wohl deinen Job nicht richtig gemacht?" Widerstrebend wendet Lucian sich ihm zu. „Si, signore. Sie hatten eine Einladung. Aber ... ." Ich kichere, als ich sehe wie er hektisch mit den Armen auf und nieder flattert. „Signore, es ..." setzt er an, doch Lucian Caccia unterbricht ihn schroff.

„Ich denke, es hat alles seine Richtigkeit." Er richtet seinen Blick auf mich und ergänzt in einem Tonfall, der einer Einladung gleichkommt: „Der Glückseligkeit sollte man, wann immer sie sich einstellt, Tür und Tor öffnen, denn sie kommt nie zur unrechten Zeit."

Überrascht starre ich ihn an. Das ist ein Zitat von Arthur Schopenhauer. Korrekt heißt es aber: Der Heiterkeit und nicht der Glückseligkeit. Wobei die Bedeutung ja die gleiche ist, zumindest im Deutschen. Mein ungutes Gefühl mausert sich zu blankem Entsetzen.

Glückseligkeit ... felicità...Felicitas.

Eine Anspielung auf meinen Namen? Das kann nicht sein - woher sollte er ihn kennen? Dennoch ist meine Haut noch blasser als vorher und meine Finger eiskalt.

Quatsch, das ist doch typisch Italiener; um keinen Spruch zum Anbaggern verlegen und dabei hatte er das Zitat sogar noch falsch zitiert!

„Schopenhauer?", frage ich leise und versuche, in den dunklen Augen hinter der Maske zu lesen.

Er zuckt die Schultern. „Wer weiß? Könnte auch Mazzanti sein." Sein Grinsen verwirrt mich nur noch mehr.

Mazzanti .... Mazzanti .... den Namen hatte ich doch auch schon irgendwo gehört?

Doch wie sehr ich es auch versuche, in seiner Gegenwart arbeitet mein Hirn drei Stufen langsamer als gewöhnlich. Mein Alarmsystem läuft dafür auf Hochtouren und ich beschließe, diesem Lucian Caccia nicht über den Weg zu trauen.

„Mir scheint, wir sind uns bereits begegnet", meint er und neigt den Kopf. Jennas neugieriger Blick sticht mir in die Seite, doch ich ignoriere ihn, denn er ist nichts im Vergleich zu seinem.

Mit seinen eisblauen Augen zieht er meine Seele nackt aus. Es ist, als suche er nach Antworten, die tief darin verborgen sind.

In dem Versuch, seinem forschenden Blick auszuweichen, drehe ich den Kopf zur Seite. „Vielleicht im Museum?", frage ich, obwohl ich sicher bin. Er ist der Mann auf dem Bild, auch wenn mein Verstand es abstreiten würde; gerade funktioniert er nicht und mein Gefühl ist sich todsicher.

Als Antwort formt sich ein breites Lächeln unter seiner Maske. „Certo."

Großartig, das kann alles und nichts bedeuten.

Mein Verstand findet langsam in den Arbeitsmodus zurück und prompt bekomme ich rote Wangen. Oje, bestimmt war das nur eine Anmache, die gar keiner Antwort bedarf. Nur ich Dussel hab's nicht gecheckt.

Die Maske des Dogen - das Geheimnis von VenedigWhere stories live. Discover now