La maschera del destino

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Sobald ich drin bin, schließe ich vorsichtig das Fenster. Das staubige Glas zittert unter meiner Berührung oder sind es doch meine Finger? Ein eiskalter Luftzug  strömt durch die Ritzen und streift meinen Hals.

Fröstelnd schaue ich mich um. Es riecht nach Mottenkugeln, Kerzenrauch und Schimmel und meine Augen beginnen zu tränen, ob des Geruchs oder meiner Situation, vermag ich nicht zu unterscheiden. Die Silhouetten dreier Holzschränke heben sich wie stumme Zeugen meines Leids von den stockfleckigen Wänden ab und in der Mitte liegt ein zerschlissener, von Motten zerfressener Teppich. Sonst ist das Zimmer leer.

Hinter meinem Brustbein regt sich ein Beben. Ich stelle mir vor, wie es wäre, auf diesem Teppich zu liegen und zu weinen, doch gleichzeitig drängt sich mir die Gewissheit auf, dass wenn ich damit anfinge, ich bis zum Morgen nicht aufhören könne.

Also schlucke ich die aufsteigenden Tränen hinunter und durchquere den trostlosen Raum mit vier großen Schritten. Die Tür steht offen und an den Wänden des angrenzenden Flures flackert orangefarbenes Licht. Es verspricht Wärme, die mir fehlt und so nähere ich mich ihm vorsichtig. Heimeliges Knistern verrät, dass ich auf dem richtigen Weg bin und als ich den nächsten Raum betrete, empfangen mich ein schwerer, süßer Duft und das Feuer eines offenen Kamins.

„Vieni dentro, signorina." Ich fahre zusammen, als die sonore, aber gebrechliche Stimme erklingt. Ihr Klang malt das Bild von Wind, der flüsternd durch die Äste einer alten Pappel fährt, in meinen Kopf.

Ich trete näher und sehe eine Frau neben dem Feuer in einem Sessel sitzen und stricken. Ihr weißes Haar, lieg ihr zu einem dicken Zopf geflochten über der Schulter und ein Garn mit roter Wolle liegt auf ihrem Schoß.

„Le stelle sono nere stanotte." Sie redet, ohne aufzusehen. Ihre Stricknadeln klackern so schnell, dass mir vom Zusehen schwindelig wird. Den Blick hält sie fest auf ihren Schoß gerichtet und doch habe ich das Gefühl, dass sie mich ansieht. Um ihre Augen herum zeichnen sich tiefe Falten ab, die von Alter und Weisheit zeugen.
Sie ist bestimmt schon hundert! Demütig senke ich den Kopf.

„Ah, la maschera del destino!" Sie nickt wissend ihrem Garn zu und mir fällt es wie Schuppen von den Augen, dass ich noch immer die Maske trage. Schnell greife ich das Seidenband, um sie abzunehmen, doch meine Locken haben sich darin so verworren, dass der Versuch sie loszuwerden auf meiner Kopfhaut schmerzt.

„Non serve a niente." Die Alte schüttelt energisch den Kopf und legt das Strickzeug neben sich auf einem runden Tisch ab. Ich beobachte gespannt, wie sie aufsteht und mit schlurfenden Schritten den Raum verlässt. Erst jetzt lösen sich meine Finger von der Maske. Habe ich die Frau etwa verärgert?

Aus dem Kamin stieben Funken, als eines der Scheite, an dem das Feuer mit gierigen Zungen leckt, verrutscht. Ich verfolge das Schauspiel und die Endgültigkeit mit der sich die Flammen über das Holz hermachen, erinnert mich an meine Situation.

Macht es überhaupt noch einen Unterschied? Die hämmernden Kopfschmerzen lassen mich kaum noch klar denken.

Ein tiefes Seufzen entfährt mir, als die alte Frau mit einer bauchigen Tasse zurückkehrt und sie mir reicht. Das süßliche Aroma von Bergamotte-Orangen steigt in kleinen Wölkchen daraus empor.

„Mille Grazie", murmel ich und halte meine Nase über den heißen Tee. Der elende Schmerz in meinem Kopf wird augenblicklich besser.

„Prego", erwidert die Alte und lässt sich zurück in den Sessel plumpsen. Ihr Po ist genauso breit wie die mit dunkelgrünem Samt bezogene Sitzfläche.

Vorsichtig nippe ich von dem heißen Tee. Der winzige Tropfen verbrennt meine Oberlippe.

„Die Trägerin der Maske ist die Auserwählte des Dogen." Überrascht hebe ich den Kopf und sehe sie an. Sie spricht ja Deutsch!

Die Maske des Dogen - das Geheimnis von VenedigWhere stories live. Discover now