Bella Luce

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Licht nimmt uns in Empfang, als die Führung nach einer reichlichen Stunde zu Ende ist. Die Sonne ist bereits ein Stück herabgesunken und strahlt mir über das Dach der Marciana Bibliothek direkt ins Gesicht. Die Nachmittagsluft ist angenehm warm und hüllt mich ein wie ein Mantel aus Merinowolle. Im Palast war es frisch gewesen. Der Unterschied wird mir erst bewusst, als ich merke, wie weit meine Schultern nach hinten unten rutschen.

„Also für ein Museum war das nicht schlecht. Auch wenn ich nicht verstehe, was dich an diesen Dogen so fasziniert." Jenna schielt zurück zum Ausgang des Palastes.

Tja, das wüsste ich auch gern. „Wie heißt er denn, dein Kunstwerk?" Lieber lass ich Jenna erzählen, als von mir zu reden.

„Paolo." Allein an ihrer Stimme höre ich, wie glücklich sie ist.

„Du weißt aber schon, welchen Ruf Italiener in diesen Dingen haben?" Erst als er draußen ist, merke ich, dass das auch so ein typischer Meine-Mutter-Satz ist. Wenigstens beiße ich mir nachträglich auf die Zunge.

Jenna sieht mich groß an. „Du weißt aber schon, welchen Ruf ich habe?" Sie imitiert nicht nur meinen Tonfall, sondern auch meine Mimik mit der hochgezogenen Augenbraue.

Das ist zu viel.

Wir prusten beide los.

„Er wollte mich heute Abend einladen, aber ich habe abgelehnt", erzählt sie, nachdem wir uns wieder beruhigt haben und an den Säulen entlangschlendern.

„Also wegen mir, kannst du ruhig gehen." Ich werfe einen schnellen Blick auf meine Tasche, die an zarten Riemen über meiner Schulter hängt und mir seit der letzten halben Stunde viel zu schwer ist.

„Aber wegen mir nicht." Jenna greift nach meiner Hand. „Erstens, kann ich es ihm nicht zu leicht machen: Männer wollen erobern. Und zweitens: Will ich mit dir zu diesem Ball! Und deswegen gehen wir jetzt shoppen! Ohne wenn und aber, denn ohne Kleid und Maske wird das nichts."

„Jen, warte mal!" Ich führe sie am Ellenbogen in den Schatten einer Säule und komme mir dabei vor wie eine Schwerverbrecherin. Schweißtröpfchen perlen auf meiner Stirn und ich luge sicherheitshalber noch einmal um die dicke Säule herum: Die wenigen Leute auf dem Platz fotografieren, essen Eis, stehen in der Ticketschlange an oder schlendern aus einem der Museen und kneifen dabei die Augen zusammen, da die Helligkeit sie blendet, wie uns vorhin.

Alles ganz harmlos.

Doch warum zum Teufel, habe ich dann das Gefühl, von unsichtbaren Augen umzingelt zu sein? Mein Herz pocht wild gegen die Rippen.

„Weißt du, dass du dich gerade echt merkwürdig benimmst?" Jen sieht mich forschend an.

„Äh, naja, ..."

Wie sagt man seiner besten Freundin, dass man etwas aus einem Museum hat mitgehen lassen?

Am besten gar nicht. Mit einem Ruck ziehe ich am Reißverschluss meiner Tasche und lasse Jenna einen Blick hineinwerfen.

Ihre Augen werden groß wie Pizzateller. „Wahnsinn! Wie bist du denn an die gekommen? Ich dachte, du hattest in dem Maskenladen nichts gefunden?"

Meine Wangen glühen jetzt wie Pflastersteine an einem heißen Hochsommertag. „Habe ich nicht", gebe ich zu. Jenna lässt mich nicht aus den Augen und jetzt hätte ich mich gern vor ihr hinter der Säule versteckt. „Die lag im Museum auf dem Fensterbrett." Schuldbewusst senke ich den Kopf. „In dem großen Ratssaal", ergänze ich und kneife fest die Finger zusammen, in Erwartung einer fetten Standpauke.

Doch stattdessen erklingt ein begeistertes Quietschen, das fünf Oktaven zu hoch ist und sogar die Tauben neugierig zu uns guggen lässt und leider nicht nur die.
„Jenna! Wirst du wohl still sein!", zische ich, während ich die Tasche an mich reiße, den Reißverschluss schließe und mich umdrehe. „Ich gebe sie jetzt ab!"

Die Maske des Dogen - das Geheimnis von VenedigUnde poveștirile trăiesc. Descoperă acum