Kapitel 27.2 - Hass und Kälte

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Damon

"Du bist ein gottverdammtes Monster, Mika. Und du wirst niemals etwas anderes sein. Du bist ein Monster, eine Ausgeburt der Hölle. Ich hätte dich von Anfang an töten sollen, wie es eigentlich meine Aufgabe gewesen war." Ich behielt meine kalte Maske bei. Ich durfte keine Gefühle zulassen. Nicht bei ihr. Sie war ... nun ja. Was konnte ich da bloß sagen? Sie war genau das, was keineswegs existieren durfte. Sie war verdammt eine Ghost Elementary, eine Hexe und ein Vampir. Zudem verwirrte es mich.

Wer war Mika? Sie schien so viel zu sein.

War sie nun das verwirrte und ängstliche Mädchen, das ich damals im Wald getroffen hatte?

War sie das Ghost Elementarymädchen aus der Schule, das langsam ihre Fähigkeiten als Ghost entdeckte und von dem sich ale abgewandt hatten?

Oder war sie diese ... völlig neue Mika, die von heute? Ich wusste nicht, wie ich es beschreiben sollte.

Tränen rannen unaufhaltsam über ihr Gesicht. Ich sah Schmerz in ihren Augen aufblitzen. Meine Worte hatten sie mehr getroffen, als ich es eigentlich beabsichtigt hatte. Verdammt, das wollte ich doch gar nicht! Doch nun hieß es, Maske bewahren! Es war das Richtige.

Ja, ich hatte Angst vor ihr. Und ich sollte es lieber jetzt beenden, als wenn sie später komplett ausflippte und ich es zu Ende bringen musste. Dann beendete ich es lieber jetzt. Sie war gefährlich. Ich durfte nicht mit ihr befreundet sein, denn sie war der Feind.

Mika wirkte vollkommen fertig. Ich bedauerte es. Natürlich tat ich das. Doch es musste sein. Es nahm sie alles mit. Und nun kam ich noch mit diesen Worten. Gerade hasste ich mich dafür.

Es machte mir Angst, dass sie es herausgefunden hat. Dass ich wieder ein Jäger war, wenn ich wirklich jemals aufgehört hatte. Ich glaube, ich war die ganze Zeit über Jäger gewesen, doch hatte versucht sie zu beschützen. Hatte sie aus so vielen Kilometern Entfernung in meinen Kopf gesehen? Oder wie sollte ich mir das vorstellen?

Mika vor mir, drehte sich einfach um und rannte. Rannte vor mir davon. Und ich? Ich sah ihr einfach nur hinterher. Erst verraten von Claire und jetzt von mir. Die Welt meinte es nicht gut mit ihr.

Sie verschwand zwischen Bäumen und Sträuchern. Doch weshalb war sie hier gewesen? Müsste sie nicht eigentlich bei ihrer richtigen Familie sein?

Ich schüttelte den Kopf über mein Verhalten. Ich musste damit aufhören. Dringend. Am besten sofort. Mich sollte das mit ihr gar nicht erst so Kopfzerbrechen bereiten. Ich sollte lernen, sie zu hassen. Dann wäre alles gut. Es würde alles erleichtern.

Gedankenverloren erschien eine Flamme auf meiner Handfläche und zuckte ruhig hin und her. Wieder schwenkten meine Gedanken ungewollt zu Mika um. Sie wurde immer mächtiger, was ihre Fähigkeiten angingen. Doch wie genau nannte man das, was sie war? Ich konnte ja schlecht sagen, wenn mich jemand fragte: "Sie ist eine Ghost Elementary, eine Hexe und ein Vampir." Es musste doch irgendeine Bezeichnung dafür geben. Vielleicht fand ich ja etwas in den alten Tagebüchern meines Vorfahren.

Sofort machte ich mich auf den Weg zurück. Das Laub raschelte unter meinen Schuhen. Der Boden war uneben. Wie es sich für einen Wald gehörte.

"Du hast sie gehen lassen.", ertönte da auf einmal eine Stimme hinter mir. Meine Miene verdüsterte sich. Konnte sie sich nicht einmal um ihre eigenen Probleme kümmern?!

Wütend drehte ich mich zu ihr um. Kalt und gleichgültig blickte sie mir entgegen, während sie lässig und mit verschränkten Armen an einem Baum lehnte.

"Ariadne.", presste ich düster hervor. Ein Grinsen legte sich auf ihre Lippen, als sie sich vom Baum abstieß und auf mich zu kam.

"Damon." Sie blieb direkt vor mir stehen. Finster blickte ich auf sie hinab. "Es ist nicht das erste mal, dass du sie am Leben lässt." Ihr Grinsen wurde hinterhältiger und böser. "Du hast nachgelassen, Damon." Mit einem leisen Lachen lief sie um mich herum, während sie ihre Augen nicht von mir nahm.

Ihre Augen waren sehr ungewöhnlich. Eisblau und voller Kälte. Jeder der ihr in die Augen blickte erschauderte vor ihrer Kälte. Ihre Haut war wie Mikas sehr blass. Beinahe unnormal blass. Ihr Haar war silbern und lang. Ariadne trug ausschließlich schwarz. Das war ein gewaltiger Kontrast zu ihrer hellen Haut, ihren Augen und ihrem Haar.

Sie war wie eine Raubkatze. Sie bewegte sich wie eine und jagte wie eine. Leichtfüßig, elegant und geschmeidig. So war es kein Wunder, dass man sie bei uns "Die Katze" nannte. Wie sie bei uns landete, hatte sie uns niemals verraten.

Eine normale Elementary war sie auch nicht. Keiner der Jäger wusste wirklich etwas über Ariadne. Wir kannten ihr Alter. Sie war siebzehn. Und wir wussten, was für eine Elementary sie war. Mehr hatte sie uns nie verraten. Wir wussten nicht, ob ihre Familie genau so war, wie sie. Sie wurde sofort eiskalt und gleichgültig, wenn man sie auf ihre Familie ansprach.

"Na? Hat es dir die Sprache verschlagen? Dachtest du, du würdest es schaffen, etwas vor mir zu verbergen?", hauchte sie in mein Ohr und lachte leise. Ein Schauer lief mir den Rücken hinunter. Selbst ihr Atem war kalt. "Langsam müsstest du doch genau wie alle anderen wissen, dass man nichts vor mir verbergen kann. Ich finde immer alles heraus." Den letzten Satz zischte sie. Es war wie eine Drohung. Ariadne war gefährlich. Deshalb versuchte man nicht, ihr in die Quere zu kommen.

Ich presste fest die Zähne aufeinander. Wie ich sie hasste!

Sie lachte rau, während sie sich wie ein Schatten von mir entfernte. Ihre Augen blitzten böse. "Ich erinnere dich nur ungerne daran. Aber du weist noch, was das letzte mal geschah!" Kalt lachend verschwand sie wieder in der Dunkelheit der Bäume. Als wäre sie niemals dagewesen. Doch ich wusste, dass sie es war.

Ariadne Glacial war wie ein böser Schatten. Ein eisiger, böser Schatten. Sie fand alles heraus. Und die Konsequenzen waren jedes mal fatal.

ObscuraWhere stories live. Discover now