Kapitel 30 - Desdemona MacKenzie

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Das komplette Zimmer war nicht zu sehen. Alles war voll von schwarzen Schatten, die das gesamte Zimmer einnahmen. Na das fing doch schon einmal gut an.

"MacKenzie!", rief sofort Lady Darkstone wütend, "Nicht schon wieder! Das schiebe dir lieber für den Unterricht auf!"

Irgendjemand murmelte missgelaunt etwas nicht gerade Nettes.

"MacKenzie!", brüllte Lady Darkstone und das Gemurmel verstummte. Nun bezweifelte ich wirklich, dass das in diesem Zimmer etwas werden konnte.

Langsam zogen sich die schwarzen Schatten zurück in die hinterste Ecke, wo ein siebzehnjähriges Mädchen saß. Grimmig schaute sie zu der Direktorin. Ihre Augen hatte sie zu Schlitzen zugekniffen, als sie uns skeptisch musterte.

Ihr Haar war dunkelbraun und lang. Einige schwarze Strähnen zierten es und feindselig sah sie zu uns. Ihre Augen waren schwarz umrandet und mir blitzten stechend grüne Augen entgegen. Sie trug schwarze Kleidung und wie auch bei der Direktorin steckten ihre Füße in Stiefeln. Ihre Haut war bleich. Es sah bei ihr ein wenig ungesund aus, doch es schien ihr Normalzustand zu sein.

"Was wollen Sie hier?", blaffte Desdemona die Direktorin an und ihr Blick fiel auf mich, "Was wollen Sie mit der hier?" Na danke aber auch. Meine Laune war nun komplett unter der Erde. Das fing wirklich gut an.

Die Miene der Direktorin war kühl und würde keinen Wiederspruch akzeptieren. "Das, Desdemona ist deine neue Mitbewohnerin. Ich dulde keine Wiederrede. Sie wird bleiben, einen schönen Tag noch." Sie drehte sich um, lächelte mir noch einmal aufmunternd zu, dann verschwand sie auch schon und ließ mich mit Desdemona alleine.

Diese sah mich übrigens immer noch aus ihren stechenden Augen an.

"Eines sage ich dir, nennst du mich auch nur einmal Desdemona, wirst du in Schatten ersticken!", flüstere sie leise und bedrohlich. Ich hatte es aufgegeben, mir zu erhoffen, dass es besser werden würde und ich sie nur einmal richtig kennen lernen musste.

"Und wie soll ich dich dann nennen?" Kühl sah ich sie an. Was sie konnte, konnte ich schon lange.

Sie verzog keine Miene. "MacKenzie. Und wehe du denkst dir Spitznamen zu meinem Vornamen aus! Dann bist du genauso tot!" Sie wandte sich ab und verschwand aus dem Zimmer. Wahrscheinlich zum Gemeinschaftsbadezimmer. Oder zu ihren Freunden, obwohl ich bezweifelte, dass sie welche hatte. Obwohl ... wenn alle hier so waren, wie sie, dann würde sie sicher auch Freunde haben. Aber da Lady Darkstone sie schon als "seltsam" bezeichnete, bezweifelte ich, dass alle wie sie waren.

Ich sah mich in dem Zimmer um. Es gab hier kein eigenes Badezimmer. Auf der rechten und auf der linken Seite des Zimmers standen Himmelbetten und auf jeder Hälfte des Zimmers gab es einen Teppich, einen Schreibtisch, einen Stuhl, einen Sessel, einen normalen Tisch, einen Schrank und ein Regal. Das Zimmer war recht groß und es gab auf jeder Zimmerhälfte ein Fenster mit Vorhängen. Die Fenster waren zur Rückseite des Schlosses ausgerichtet. Ich konnte einen Schlossgarten mit Bänken und ein Kampffeld entdecken. Dahinter waren wieder die dunklen Bäume des Waldes.

Seufzend ließ ich mich auf das Bett fallen. Es war sehr weich und gemütlich. Wie sollte ich das bloß mit Desdemona MacKenzie hier aushalten? Sie schien mich regelrecht zu hassen. Und schien überhaupt keinen Respekt zu haben. Nicht einmal vor Lady Darkstone, die Desdemona hier wohnen ließ. Es war schließlich ihre Entscheidung gewesen, ob sie nun hier wohnen durfte oder nicht.

Jedenfalls würde ich hier wohl mehr über mein Ghost Elementary-Dasein lernen, als auf dem Elementary Internat. Wäre ich doch gleich hierhergekommen. Vielleicht wäre dann das alles überhaupt nicht passiert. Aber dann hätte ich niemals Will und meine Familie kennen gelernt.

Die Bücher legte ich noch schnell auf den Schreibtisch, ebenso den Stundenplan und dann setzte ich mich wieder auf das Bett. Ich hoffte wirklich, dass es besser werden würde, aber ich glaubte nicht daran. Nicht mit so jemanden wie Desdemona MacKenzie. Und das blöde war, ich brauchte sie. Ich hatte keine Ahnung, wo hier was war und ich wusste auch nicht, wann es hier Essen gab. Ich hatte überhaupt keine Ahnung. Und deswegen musste ich mich an sie halten. Das war ihr glaube ich auch bewusst. Vielleicht einer der vielen Gründe, weshalb sie mich sofort hasste. Schließlich war das hier vorher ja auch noch ihr eigenes Zimmer gewesen.

Es wäre echt eine Katastrophe, wenn sie dann auch noch die unschönen Dinge über mich erfahren würde, obwohl ich bezweifelte, dass sie überhaupt irgendetwas von mir wissen wollte. Doch da sie mit mir in einem Zimmer war, wäre das nicht einmal so unwahrscheinlich, dass sie meine Eckzähne sah. Oder wenn ich wütend werden würde ... Ich wollte es mir gar nicht erst vorstellen. Darüber würde ich nachdenken, wenn es so weit war. Auch wenn es bis dahin vielleicht zu spät sein würde.

Plötzlich wurde die Tür wieder aufgeworfen und eine mies gelaunte MacKenzie trat ein. Sie würdigte mich nicht eines Blickes und setzte sich auf ihr Bett, nicht ohne noch vorher eines der Bücher aus ihrem Regal zu holen.

"Starr woanders hin!", fuhr sie mich genervt an und ehe ich mich versah, strömten schwarze Schatten aus ihr und verdeckten ihre komplette Zimmerhälfte, sodass ich nichts mehr von ihr sehen konnte. Nett. Wirklich sehr nett.

Nun auch genervt streckte ich mich auf meinem Bett aus. Ich hatte nicht einmal ein Buch, um mir die Zeit zu vertreiben. Vielleicht sollte ich mich mal draußen umsehen? Nein, sonst würde ich nicht mehr zurückfinden. Aber MacKenzie würde mich sowieso wohl irgendwie versuchen loszuwerden. Für sie wäre es kein Problem, wenn ich mich verirren und nie wieder zurückfinden würde.

Nein, ich würde MacKenzie keinen Grund liefern, um mich auszulachen, falls sie denn jemals lachen sollte. Wieso musste ich auch immer so ein Pech haben? Konnte nicht einmal etwas gut laufen? Und wenn mal etwas gut lief, musste es wieder etwas geben, weshalb es nicht mehr so gut war.

Ich ignorierte MacKenzies Zimmerhälfte vollkommen, sodass ich nicht einmal bemerkte, wie sie ihre Schatten zurückzog und mich musterte.

"Hey! Hey, du da!", ertönte da auf einmal ihre liebreißende Stimme. Genervt blickte ich zu ihr. Sie sah mich aus ihren stechend grünen Augen an. "Wer bist du eigentlich?"

Ich setzte mich auf. "Ich bin Lune James und bevor du fragst, ich bin eine Ghost."

Ihre Augen weiteten sich überrascht. "Eine kleine Geist, sieh mal einer an."

ObscuraWhere stories live. Discover now