Kapitel 62 - Mikas Plan

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Ariadnes Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. "Auf deine Art?", presste sie hervor. Sie versuchte ihre aufkommende Wut zu unterdrücken. "Was weißt du schon davon?"
Mit einer gleichgültigen Maske sah ich sie an. "Entweder du willst mich dabei haben oder nicht. Wenn ja, dann musst du dich wohl oder übel auf meine Art und Weise an solche Dinge heranzugehen einlassen. Wenn nicht, dann tu es auf deine Art. Aber ohne mich.", sagte ich kühl. Ariadne fiel wortwörtlich die Kinnlade herunter. Das hatte sie wohl nicht erwartet. "Du stellst mich also vor die Wahl?!", keifte sie, ehe sie bemerkte, dass sie die Kontrolle verloren hatte. Und das nicht bloß über sich selbst. Schnell wandelte sich ihre wütende Miene wieder einer ruhigen. Doch sie war bemühter als zuvor die Illusion zu wahren. Ariadne verschränkte ihre Hände hinter ihrem Rücken. "Na schön.", zischte sie. "Machen wir es, wie du." Ihre Augen funkelten zornig. So ganz im Griff hatte sie sich noch immer nicht. "Aber dann spuck es jetzt aus." Ein höhnisches Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen. Immerhin hatte ich Ariadne dazu gebracht ihre äußere Fassade zum Einsturz zu bringen. Und das obwohl ich ihre Geschwister dieses mal nicht auf sie losgelassen hatte. Eigenlob stank, ja, ja.
Ariadne starrte mich mit zornfunkelnden Augen an. Mein Grinsen gefiel ihr ganz und gar nicht. Ich hob meinen Zeigefinger. "Erstens. Wir bringen niemanden um. Wir überwältigen und fesseln sie. Immerhin könnten sie uns noch etwas nützen. Als Informationsquelle, als Geisel, was weiß ich. Denk dir etwas aus.", sagte ich und hob zusätzlich zu meinem Zeigefinger noch meinen Mittelfinger. "Zweitens. Niemand wird zu schwer verletzt. Wir brauchen sie lebendig und nicht halb tot." Je mehr ich Punkte ich aufzählte, desto düsterer wurde Ariadne. Nun gesellte sich mein Daumen zu den zwei anderen Fingern dazu. "Drittens.", fuhr ich ruhig fort. "Desdemona macht mit. Sie hat mehr Qualifikationen dazu, als man ihr ansieht. Außerdem würde sie mich umbringen, wenn ich das ohne sie mache. Wahrscheinlich wird sie auch noch Liam mitnehmen wollen." Ariadne sah so aus als wolle sie im Erdboden versinken und nie wieder auftauchen.
"War's das jetzt?", presste Ariadne hervor.
"Ja.", erlöste ich sie grinsend von ihren Qualen. "Das war's. Wir sehen uns heute um Mitternacht in der Empfangshalle."  Ohne noch auf eine Antwort von ihr zu warten, ließ ich Ariadne zurück und machte mich auf den Weg zu den anderen.

Diese befanden sich nach wie vor im Speisesaal. Niemand von ihnen redete. Sie alle waren stumm mit ihrem Essen beschäftigt. Als Desdemona den Kopf hob und mich erblickte, erhellte sich ihr Gesicht. Ich ließ mich wieder auf meinen Platz neben ihr sinken. Mein Rührei war in der Zwischenzeit kalt geworden.
"Nun sag schon! Was hat sie von dir gewollt?", kam es sofort von Desdemona. Ihre Gabel hatte sie beiseite gelegt. Auch die anderen sahen mich abwartend an.
"Später.", sagte ich und sah dabei Desdemona an. Diese nickte verstehend. Ihr Blick schweifte kurz zu Liam und sah anschließend fragend zu mir. Mein knappes Nicken ließ sie lächeln.
"Was heißt hier später?", mischte sich Nawin ein. "Wenn Ariadne Glacial etwas von dir will, muss es schon etwas Großes sein! Etwas verdammt Großes!" Desdemona knallte ihr Besteck laut polternd zurück auf den Tisch, sodass wir alle kurz zusammenzuckten. "Halt den Mund! Das geht dich doch überhaupt nichts an!", fauchte sie in seine Richtung.
Nawin schnaubte verärgert. "Du hast gut Reden! Immerhin wirst du es erfahren!", zischte er. "Immerhin ist Lune deine beste Freundin!" Desdemona und Nawin begannen halblaut miteinander zu streiten. Ich schaltete auf Durchzug. Das würde mit den beiden vermutlich noch ewig so weiter gehen. Auf einmal bemerkte ich den Blick meines Bruders. Dieser sah mich besorgt und mit gerunzelter Stirn an. Er wusste, dass mehr hinter all dem steckte als zu vermuten war. Und das gefiel ihm nicht. Doch ich würde ihm auch keine Antwort geben. Das war meine Angelegenheit. Außerdem wollte ich ihn nicht auch noch mit hineinziehen.
Nawins und Desdemonas Zankerei wurde immer lauter, sodass nun auch die Leute an den Nachbartischen sie nicht mehr ignorieren konnten. Ein genervter Elementary nahm sich eine Hand voll Rührei von seinem Teller und bewarf Nawin und Desdemona wütend damit. "Seid doch endlich mal leise! Hier wollen einige in Ruhe Frühstücken! Sucht euch endlich ein Zimmer!" Nawin und Desdemona waren schlagartig still. Peinlich berührt schauten sie von einander weg und hielten ihren Blick gesenkt. Kopfschüttelnd stocherte ich in meinem kalten Rührei herum, ehe ich es beiseite schob und mich meinem Müsli widmete. Ich bemerkte, wie Liam mich verstohlen dabei beobachtete. Fragend zog ich eine Augenbraue in die Höhe und sofort wandte Liam seinen Blick wieder ab. Es war ihm wohl peinlich. Wahrscheinlich dachte er daran wie ich Blut getrunken hatte und fragte sich nun, ob ich auch normale Nahrung zu mir nehmen konnte. Eigentlich konnte ich ihm das nicht verübeln. Wäre ich er, ich hätte es wohl nicht anders gemacht. 
Will schob seinen leeren Teller von sich und stand auf, wobei er Nawin an den Schultern packte und mich sich hochzog. "Komm, gehen wir.", sagte er beschwichtigend, denn Nawin hing recht düster auf seinem Stuhl. Er warf mir einen entschuldigenden Blick zu, als er mit Nawin im Schlepptau ging. Kaum waren sie weg, war Desdemonas vorlaute Klappe auch schon wieder zurück. "Ich verstehe nicht, warum dein Bruder Nawin ausstehen kann.", brummte sie. Sofort wurde Liam hellhörig. "Dein Bruder?", wiederholte er.
Ich nickte. "Ja.", bestätigte ich.
"Ist er ...", Liam unterbrach sich selbst und sah sich verstohlen um. Dann senkte er seine Stimme. "Ist er auch so ... wie du?"
Ich schaute auf die Tischplatte. "Nein.", sagte ich seufzend. "Nur ich bin so. Will ist einfach ein Ghost Elementary." Liam nickte verstehend. Desdemona rückte nun näher an mich heran. "Da die beiden ja weg sind, kannst du es uns jetzt erzählen.", sagte sie grinsend. "Also. Was hat der Eiswürfel von dir gewollt?" Liam stieß ihr seinen Ellenbogen nicht gerade sanft in die Seite. "HEY!", beschwerte sie sich, doch Liam blieb unbeeindruckt.
"Das willst du doch nicht wirklich hier klären, oder?" Eindringlich sah er sie an. Desdemona sah sich um. "Wieso?", wollte sie provozierend wissen. "Wir können doch leise sprechen." Liam verdrehte genervt seine Augen. Und da waren sie wieder. Desdemona und Liam. Ewig dazu verdammt sich gegenseitig zu nerven.
Gerade wollte ich die beiden beschwichtigen und ihnen erklären, dass wir das jetzt sofort besprechen könnten, wenn wir nur den Speisesaal verlassen würden, als sich auch schon Theodor zu uns setzte. Sofort schloss ich meinen Mund wieder. Auch Liam und Desdemona hörten auf zu streiten und sahen Theodor verwirrt an. "Was willst du denn hier?", rutschte es Liam erstaunt heraus.
"Du mich auch.", grummelte Theodor. "Oder soll ich wieder gehen?"
"Nein, nein!", versuchte Liam sich schnell raus zu reden. "So war das nicht gemeint! Es ist nur so, dass du dich normalerweise eher ... nun ja ..."
Auf Theodors Gesicht erschien ein Grinsen, während er Liam betrachtete, der sich bemühte die richtigen Worte zu finden. "Ist ja schon gut.", erlöste er Liam lachend von seiner Erklärungsnot. "Ich weiß doch selbst, dass ich normalerweise nicht aus dem Zimmer herauskomme und erst esse, wenn alle anderen schon weg sind!" Er griff nach Liams Käsetoast und biss ein Stück ab. Liam starrte ihn aus großen Augen an. "Ich finde, es ist langsam an der Zeit, ein paar Kontakte zu knüpfen." Theodor sah uns alle der Reihe nach an. "Und ich schätze, das seid wohl ihr."
Das wird mit dem Plan musste ich dann wohl auf später verschieben. Ich sei denn, ich würde Theodor mit einweihen. Immerhin konnten seine Fähigkeiten von Vorteil sein.

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