Kapitel 67.2 - Damons Erinnerungen

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Ruckartig wurde ich aus der Erinnerung gezogen. Erschrocken zuckte ich zusammen. Was war denn jetzt los? Weshalb wurde ich weggezogen. Verzweifelt versuchte ich nach der Erinnerung zu greifen, sie festzuhalten. Doch es war unmöglich.

"Nein!", schrie ich. "Nein!" Damon hatte mich erwischt. Hielt mich fest umklammert. Er würde mich nicht entkommen lassen. Unter keinen Umständen. "Lass mich!", schrie ich. Natürlich war das vollkommen unnötig. Er würde mich nicht einfach weiter in seinem Kopf herumwühlen lassen. Niemals.

Ich wandte mich, trat und versuchte mich aus seinen Fängen zu befreien. Sein Griff wurde fester. Ich würde nicht aufgeben! Ich musste stark bleiben und alles geben! Es ging schließlich um das Leben vieler Elementary! Und um ihre Freiheit! Also biss ich fest meine Zähne zusammen, spürte wie meine Muskeln sich anspannten. Ich nahm all meine Kraft zusammen. Und dann riss ich mich los. Damons Schrei war ein Mix aus Verzweiflung und Wut. Ich schoss davon. Erinnerungsstränge flitzten an mir vorbei in einer unglaublichen Geschwindigkeit.

Hastig sah ich mich nach der Erinnerung um, in der ich vorhin gesteckt hatte. Ich musste dorthin zurück! Ich musste mir anhören, was genau sie vorhatten! Immer wieder blickte ich zurück. Damon durfte mich nicht wieder erwischen. Er schien sich wieder gefasst zu haben und versuchte mich wieder aus seinem Kopf zu werfen.
Meine Aufmerksamkeit lag wieder auf den Erinnerungen. Eine davon sah vielversprechend aus. Also beschloss ich, dort mein Glück zu versuchen. Gerade noch rechtzeitig rutschte ich in die Erinnerung hinein und landete in einem ebenso düsteren und alten Raum wie in der Erinnerung davor. Leider musste ich feststellen, dass es sich nicht um die selbe Erinnerung handelte, wie die, aus der ich herausgerissen wurde. Meinen Frust schluckte ich herunter und zwang mich, mich erst einmal in der Situation zurecht zu finden.

Die Luft roch nach Staub und war abgestanden. Es war lange schon nicht mehr gelüftet und der Raum lange nicht mehr gesäubert worden. Anders als in der Erinnerung davor, gab es hier keine Fenster, die man hätte mit Rollläden verschließen können. Auch so gab es nicht viel. Die Holzdielen knarrten und wiesen einige Unebenheiten auf, während von der Decke eine einzelne Glühbirne an einem Kabel hing. An den Wänden hing eine alte, herunter gekommene Tapete.

Weshalb waren die Verstecke der Jäger, die ich bis jetzt zu Gesicht bekommen hatte, immer dunkel oder/und heruntergekommen?  

In der Mitte des Raumes stand ein einziger, leerer Tisch. Um den herum standen nur drei Personen. Und sie alle kamen mir bekannt vor. Eine von ihnen war der alte Mann aus der Erinnerung davor. Der andere kam mir auch bekannt vor. Doch für einen Moment konnte ich ihn nicht zuordnen. Aber dann fiel es mir ein.
Erschrocken wich ich einen Schritt zurück. Dunkles Haar, bronzefarbene Haut. Mark. Der Jäger, der mich damals am Briefkasten abgefangen hatte. Es kam mir vor, als sei das bereits eine Ewigkeit her.

Ich zwang mich die Ruhe zu beware. Das hier war eine Erinnerung, rief ich mir ins Gedächtnis. Er konnte mir nichts tun. Außerdem war er bereits tot. Egal, wie real das hier aussah. Es war bloß eine Erinnerung. Damons Erinnerung.

Der stand übrigens neben Mark. Beide sahen zu dem alten Mann, der auf der anderen Seite des Tisches stand.

"Sie muss endlich gefunden werden!", sagte der alte Mann mit einem Unterton in der Stimme, der mich erschaudern ließ. Weder Damon, noch Mark sagten ein Wort. Mit geraden Rücken standen sie regungslos vor dem Mann. Ihre Gesichter zeigten keinerlei Gefühl.

"Schon viel zu lange haben wir uns Zeit gelassen!", sagte der Mann nachdrücklich. "Sie darf nicht am Leben bleiben!" Mit der Faust schlug er auf den Tisch, sodass er ein lautes Geräusch erzeugte. Seine Augen visierten die beiden Jäger an. Keine Gnade war in ihnen zu sehen. Keine Freundlichkeit. Nichts. Sie wirkten auf mich wie zwei abgrundtiefe Löcher.

ObscuraWhere stories live. Discover now