(Nicht) Hilfreich

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         "Sag mir, wer das getan hat!" Für ihre Größe lief Kaïa beeindruckend schnell und Mika'il hatte Mühe, mit ihr Schrittzuhalten. Ohne Rücksicht platschte er durch Pfützen zwischen dem Kopfsteinpflastersteinen und trat beinahe auf eine Wurzel, die sich aus dem Erdreich nach oben wölbte. Mit rudernden Armen fing er sich im letzten Moment, aufgeschreckt durch die goldenen Adern, die sich durch das Geäst zogen. Sie leuchteten dumpf, pulsierend, als würde ein Herz Flüssigkeit durch sie hindurch pumpen.

Mika'il zog die Nase kraus und sah sich um. Sie waren überall. Wuchsen um schäbige Haustüren und in aufwendig verzierten Giebeln. In riesigen Geflechten wucherten sie Hauswände hoch und zogen sich zwischen den dicken Steinen der Stadtmauer durch. Ihr dumpfes Leuchten erhellte selbst die verwinkelten dunklen Gassen, deren Schatten sie nutzten, um umgesehen weiterzukommen. Definitiv nicht die Schweiz.

Neben ihm stoppte Kaïa, lugte einmal um eine Hausecke und setzte dann ihren Weg fort. Sie widmete den Adern nicht einen einzigen Blick. „Nur, damit du deinen nächsten Mord planen kannst?", sie drehte sich nicht einmal zu ihm um, „Ich glaube, wir haben bereits genug wandelnde Leichen für einen Abend." Sie hielt die Hand des weißhaarigen Mädchens hoch, als wäre sie eine Puppe.

„Ich habe sie am Leben gelassen, oder etwa nicht?" Morgen würde sie Fragen haben. Morgen würde die Panik kommen. Falls sie dafür noch die Kraft hatte. Sie war beinahe durchsichtig im Mondlicht. Und so klein...

Wieder rauschten Erinnerungen zu ihm hoch. Wieder blockte er sie ab, wie jemand der einen Flammenwerfer auf ein Staubkorn richtete. Er hatte gesehen, wie ungern sie bemuttert wurde. Sie würde Fragen haben. Morgen. Das hieß, morgen war er lieber ganz weit weg. Eine andere Welt, vorzugsweise. Ohne goldene Adern.
„Für die Person, die meinen Schlüssel verflüchtigt hat, mache ich keine Versprechen."

Wieder hielten sie an. Wieder sah sich Kaïa um, ehe sie hastig auf die andere Seite einer Straße sprintete und erst zwei Gassen weiter stehen blieb. Mit dem Kinn deutete sich auf ein Haus gegenüber.
„Khan wird Antworten für dich haben."

Es war eine schräge Baute, dessen Dach teilweise von diesem merkwürdig wuchernden Wurzelwerk angehoben worden war. Zu schmal für seine mehrstöckige Höhe und zusammengeschustert aus den Materialien, die der Wald auf der Hügelkuppe bot. Urbanes Hexenhaus.

Und kaum hatte Mika'il den Gedanken gedacht, lief sie direkt darauf zu.

„Khan ist eines der Dinge, zu denen ich Fragen habe!", rief Mika'il ihr hinterher, doch statt einer Antwort klopfte sie an die Haustür. Erst einmal kurz, dann drei Mal mit langen Pausen dazwischen.

Im Fenster daneben ging ein Licht an und erschreckte das Mädchen so sehr, dass Mika'il sich mit erschreckte. Vorhänge wurden zur Seite geschoben und eine alte Frau zeigte ihr runzeliges Gesicht.

Mika'il presste die Lippen aufeinander. Altwerden war nicht für Feiglinge.

Kaïa musste ihr Gesicht dicht vor die schlierige Scheibe drücken, damit die Frau sie erkannte, ehe ihnen die Tür geöffnet wurde. Licht und Wärme fielen aus dem Rahmen, aber ihre schwarzgewandete Retterin gedachte nicht, zu viel von diesen Kostbarkeiten entkommen zu lassen. Mit einem Arm und beachtlicher Stärke, schob sie Mika'il und seine Trägerin durch die Tür.

The Demon Stone - Der Weltenwandler IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt