Freiheit, wir kommen (morgen vielleicht)!

288 51 5
                                    

2 Monate später.

꧁꧂

          Die Gestalt, die die Höhle des Orakels betrat, war fast nicht als Frau zu erkennen. Dunkle Tücher waren um ihren gesamten Körper geschlungen und mit weißem Schnee bedeckt, bis sie kaum mehr Form oder Figur war.

Das Orakel erwartete sie, die Beine über ihren blutroten Sessel geschwungen. Sie sah nicht zu ihr hinüber, als sie sich schwer atmend ihrer Maskierung entledigte. Stattdessen pickte sie Dinge unter ihren Fingernägeln hervor, von denen niemand wissen wollte, ob sie noch lebten, während Schnee in Klumpen auf ihren Fußboden fiel.
„Was suchst du hier?"

Einem anderen Besucher hätte sie sich nicht gezeigt. Doch das Mädchen erweckte eine derartig jämmerliche Erscheinung, dass sie nicht widerstehen konnte, ihre übernatürlichste Gestalt zu wählen. Eine die durchsichtig leuchtete wie Sternenlicht und Träume.

„Meinen Willen zu leben?", die letzte Bandage abstreifend, schüttelte Kaïa Schneereste aus ihren schwarzen Haaren. Sie wusste genau, was das Orakel tat. An diesem Punkt musste beinahe schon ein Ritual sein, das sie alle hundert Jahre wiederholten. „Ich muss mich verlaufen haben."

„Witzig." Das blonde Mädchen ihr gegenüber schlug die Beine über die Lehne und setzte sich auf, wie eine blutige Königin, die den Riffraff der Straße empfing.
„Deine Maskerade ist erbärmlich. Du stinkst bereits wie sie."

Der Hieb saß besser als sie erwartet hatte. Sie kostete den Effekt in Kaïas Gesicht vollkommen aus, während das Mädchen für mehrere Herzschläge die Augen schloss, als könne sie so besser damit umgehen. Aber das Orakel hatte von ihren Eskapaden gehört. Audienzen bei dem jungen Usurpator. Vereinbarungen mit dem Onkel des flüchtigen Caraiden.
Sie konnte eben nicht damit umgehen. Sie war verzweifelt.

„Wann hast du das letzte Mal deine Maske abgenommen und warst stolz darauf, was du bist?"

Sie erwartete eine schnippische Antwort. Eine provokant hochgezogene Augenbraue und verschränkte Arme. Doch Kaïa klopfte nur weiter Schnee von ihrer Kleidung, ehe sie sich das erste Mal in der Höhle umsah. Ihre Enttäuschung färbte die Luft um sie herum.
„Du bist nicht stark genug", ihre Augen, durchscheinend hier oben im Zwielicht, fanden niemals die des Orakels, „Das hier...", sie deutete ausholend auf die Höhle um sie herum, „... hat dich geschwächt. Und ich brauche dich noch für etwas."

Ihr Bedauern ließ das Orakel würgen. Sie wollte sich nicht ausmalen, was sie mit so viel Macht anstellen würde, denn es bestand tatsächlich die Möglichkeit, dass sie einen Kampf mit Kaïa nicht überleben würde.

Aber sie konnte auf sie heruntersehen, als wäre sie wirklich nicht mehr als das, was sie unbedingt sein wollte.
„Ich habe nicht, was du wirklich suchst."

Kaïa lehnte sich gegen ihren Altar und spielte mit dem Saum ihres Vorhangs.
„Ich weiß inzwischen, wer deinen kleinen Edelstein geklaut hat."

Es war nur ein Luftzug, der sie vorwarnte, ehe das Orakel vor ihr stand, die langen, dünnen Finger nach ihrem Hals ausgestreckt. Doch Kaïas Messer in ihrem Bauch hielt sie auf Abstand.
Kaïa lächelte müde, als sie das bestialische Glimmern in den Augen des Dämons sah.
„Nicht doch."

Das Orakel fauchte. Ihr eisiger Atem hinterließ Eisblumen auf dem schwarzen Metall der Maske.
„Der Weltenwandler hat mit mir einen Handel gemacht. Er wird ihn mir bringen."

Kaïas Augenrollen wurde nur noch von dem Klicken ihrer Zunge übertroffen. Sie sah erschöpft aus, aber das milderte die Schärfe ihrer Zunge nicht ab.
„Du bist ein Orakel. Sollt ihr nicht sowas wie Voraussicht haben? Er wird nichts dergleichen tun und bis das sogar dir klar ist, ist er mit dem Dämonenstein sieben Welten außer deiner Reichweite."

The Demon Stone - Der Weltenwandler IWhere stories live. Discover now