Deal.

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          Es war nicht wie ihr erster Sturz. Die Zeit wurde nicht langsamer und die Welt hielt nicht den Atem an. Ana merkte alles. Hörte Adriel ihren Namen flüstern als sie aus dem Zimmer gezogen wurde. Spürte den Salto in ihrem Magen, der selbst ihre Panik in den Hintergrund drängte. Die scharfe kühle Luft auf ihrer Wange und Kaïas körperliche Nähe.

Die Landung schlug ihre Zähne aufeinander und ihren Kopf nach vorne. Aber Kaïa hielt sie trotz ihrer Größe so hoch, dass ihre Füße sehr sanft den Boden berührten. Ana kämpfte mit ihrer Orientierung wie jemand Windmühlen focht, doch Kaïa hatte dafür keine Zeit.

Sie hatte die Wahrheit gesagt. Selbst in dem hintersten Eck des Gartens, der sonst den intimen Spaziergängen und friedlichen Sommernachmittagen vorbehalten war, hatte das Chaos seine Fühler ausgestreckt. Die Neuigkeit, dass ein Attentat auf den Usurpator ausgeübt worden war, hatte jeden einzelnen Soldaten bewaffnet in Bereitschaft gerufen. Aber sie waren nicht mehr alleine. Bunt in der Kleidung von Höflingen und Bauern, Händlern und Arbeitern, hatten sich hunderte Menschen versammelt, Waffen und Broschen in den Händen.

Das gleichmäßige schnelle Stampfen schwerer Soldatenstiefel erfüllte den Palast wie ein hektischer Herzschlag und verschluckte die ängstlichen Zurufe der Bewohner.

Laute Stimmen über ihnen ließen beide den Kopf heben, gerade noch rechtzeitig, als Adriel mit rudernden Armen hinter ihnen her aus dem Fenster sprang, einen Regen aus Scherben hinunter sendend.

Ana sog ihren Atem ruckartig ein und Kaïa hielt inne. Eben noch regungslos, ruderte er mit den Armen, um seinen Fall auszutarieren. Er landete auf den Füßen, doch der Schwung sandte ihn nach vorne in eine Rolle. Zu schnell. Schleuderte ihn weiter von Ana weg, Steine in alle Richtungen sendend, bis er einige Meter entfernt im Kies liegen blieb.

Niemand drehte sich zu ihm um. Es war, als hätte die Welt um ihn herum den Atem angehalten. Wartend. Zögernd.
Ana sah die Bewegung zuerst, machte einen Schritt auf ihn zu, doch Kaïas Griff war unnachgiebig.

Wie eben zuvor im Zimmer zog er qualvoll langsam seinen ausgestreckten Arm zu sich heran. Zog ihn durch die Steine unter seinen Körper.

Kaïa fluchte und setzte sich wieder in Bewegung, fort vom Palast und auf das Haupttor zu.

Ana stemmte die Fersen zwischen die Kieselsteine, drehte sich halb um ihre eigene Achse und sah Kellen in den Überresten des Fensters stehen. Alte Erinnerungen drohten, wie eine schwarze Welle über ihr einzubrechen, doch sie zwang sie zurück. Zwang sich, ihr ganzes Gewicht in den Widerstand zu stemmen. Und tatsächlich hielt Kaïa inne.

„Wenn du nicht kommst, werde ich dich hochheben und tragen." Sie machte einen Schritt auf Ana zu, wahrscheinlich um ihre Drohung wahr zu machen, doch Ana nutzte den flüchtigen Moment, um ihr Handgelenk freizuwinden.

Sie war sich sicher, dass sie weinen musste. Doch ihr Herzschlag war zu schnell. Zu wild. Mit dem freien Arm gestikulierte sie zu Adriel, der sich nicht hatte erheben können.
„Wir können ihn nicht zurücklassen", brachte sie zwischen zwei heftigen Atemzügen hervor. Sie konnte ihn dort nicht liegen lassen. Er musste hier genauso raus wie sie.

Kaïa sah ebenfalls zu ihm hinüber, doch ihre Bewegungen waren rastlos. Jeder einzelne Soldat, jeder Mensch, der in ihre Nähe kam, machte sie hektischer.
„Ich dachte, du willst in deine eigene Welt zurück? Dazu musst du überleben und wenn wir ihn mitschleifen..."

Hinter Ana barst ein neues Fenster. Orangenes Licht breitete sich über die Stockwerke aus wie erwachende Augen. Zu hell. Zu groß.
Noch mehr Glas sprang und klirrte. Holz ächzte.

The Demon Stone - Der Weltenwandler IWhere stories live. Discover now