Schuld und Schuldzuweisungen.

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          Nichts davon war seine Schuld. Und Salem war es sehr wichtig, dass das auch jemand wusste. Er hatte keine blasse Ahnung von dem Vorhaben seines Bruders gehabt. Sonst wäre er wohl kaum in der Novizenschule zurückgeblieben, damit sie ihren Zorn an ihm ausließen. Er war vielleicht nicht der talentierteste Jäger, aber er war nicht so dämlich.

Trotzdem hatte er die Strafversetzung zum Orakel hingenommen, die, wie er nur noch mal betonen wollte, die Idee des Rates gewesen war. Und erst diese Strafversetzung hatte ihn in Mika'ils Schneise der Verwüstung geworfen und seine Brille zerbrochen. Er wäre überhaupt nicht dort gewesen, wenn Nahem nicht das wertvollste Artefakt dieses Jahrhunderts gestohlen hätte. Er hätte nicht die Unterrichtsstunden zum Nahkampf verpasst, während er Tablette den Orakelberg hoch und runtertrug. Und vielleicht hätte er dann auch eine Chance gehabt, Mika'il aufzuhalten. (Und seine Brille zu retten.)

Alas, keines der Ratsmitglieder der Jägergilde ließ ihn all das erklären und so blieb er mit seiner Unschuld alleine, während bärtige tätowierte Männer über eine weitere passende Strafe brüteten. Zweifelsohne würde die ihn in noch größere Schwierigkeiten bringen.

„Zumindest hat er ihn erkannt", gab Sinbar Calimer zu bedenken, sein persönlicher Meister. Er saß ganz links in der Reihe aus sieben Stühlen, die alle auf einem flachen Podest am Ende der Halle thronten. Sie waren aus grobem, grauem Holz geschnitzt, mit alten, auseinanderfallenden Verzierungen auf den Lehnen.

Salem kniete vor der Stufe zu der Erhebung, schob alle paar Sekunden die Brille mit nur noch einem Glas nach oben und versuchte trotz gesenktem Kopf, Blicke zu ihnen hochzustehlen. Sein Meister klang, als hätte er den einzigen Lichtfunken in einem sonst schwarzen Loch gefunden.

„Und warum hat er dann nicht nach Hilfe gerufen?", zischte Obenner zwei Stühle weiter rechts zurück. Er hatte sich nach vorne gelehnt, sodass sein Bart zwischen seinen Knien hing. „Ist ihm nicht bewusst, dass die Festnahme und Befragung des Weltenwandlers momentan unsere größte Priorität ist?"

Er kniete direkt vor ihnen. Wenn sie eine Antwort wollten, mussten sie nur fragen.

„Erst der Verlust der drei Dämonensteine und jetzt das!", ereiferte sich der Mann ganz rechts, dessen Namen Salem bereits wieder vergessen hatte, „Der Usurpator wird uns noch Beihilfe vorwerfen."

Salem bewegte die Lippen in einer trotzigen Antwort, sichergehend, dass nur die grauen Ziegelfliesen diesen kleinen Akt der Rebellion sahen. So wie sie ihm Beihilfe vorwarfen? Zugegeben, es war unglücklich, dass sein Name in beiden Katastrophen gefallen war. Aber das war nicht seine Schuld!

„Wir müssen den Weltenwandler schnappen, bevor es sein Bruder tut. Unseren Informanten zufolge hat er die Jagd endlich begonnen und tot wird er uns wohl kaum Fragen beantworten", wandte sein Meister ein, die Hände im Schoß gefaltet. Obwohl Salem den Kopf nicht heben durfte, spürte er wie die braunen Augen seines Meisters auf ihm zum Liegen kamen. „Ich schlage vor, dass wir Salem zu dem Prinzen schicken. Von dort kann er uns regelmäßig Meldung über dessen Fortschritt machen."

„Ihr wollt den Nachtfuchs ausspionieren?", das Ratsmitglied in der Mitte schoss mit beachtlicher Agilität für sein Alter von seinem Platz hoch, „Wollt Ihr uns alle umbringen?"

Salems Magen verknotete sich, als auch die Anderen aufgebrachte Einwände erhoben.
„Der Junge ist eine wandelnde Katastrophe! Er ist so einer Aufgabe nicht gewachsen!"

„Und was soll er machen, wenn Prinz Adriel den Weltenwandler in die Finger bekommt? Ihn befreien und selbst wieder einfangen, um ihn zu uns zu bring-... das ist kein ernstgemeinter Vorschlag, Bursche! Schau mich nicht so an!", fuhr Obenner Salem an, als dieser verblüfft den Kopf hob.

The Demon Stone - Der Weltenwandler IWhere stories live. Discover now