Goldene Augen und Überfälle

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            Ein gurgelnder Laut statt einer Antwort ließ sie dann aber doch innehalten. Und als ihr keine weiteren Fußstapfen mehr folgten, drehte sie sich sogar zögerlich um.

Casper, den sie gestern erst gesehen hatte, klammerte an Salem wie ein verrutschter Rucksack, die Beine um seine Körpermitte geschlungen, damit er groß genug war, um ihm ein Messer an die Kehle zu halten. Er hatte es so ungeschickt angestellt, dass sein einer Arm in Salems Gesicht drückte und den Jäger blind machte.

Dieser ruderte mit den Armen und drehte sich im Kreis, was Ana einen erschrockenen Schritt nach vorne machen ließ, die Hände beruhigt ausgestreckt. Doch das sah Salem natürlich nicht. Er gab seine beste Darbietung des Spiels 'Blinde Kuh', ohne die Regeln zu kennen.

Casper ließ sich davon nicht stören. Mit einem breiten Grinsen grölte er Salem ins Ohr: „So verliert man hier Finger, Sir. Die Dame steht unter Schutz."

Salem ruckte seinen Kopf herum, verlor das Gleichgewicht und landete auf dem Hintern.
„Natürlich steht sie unter Schutz! Unter dem des Nachtfuchses", bei dem Aufprall verrutschte Caspers Arm und gab ihm seine Sicht zurück. Aber als er das Messer bemerkte, erstarrte Salem sofort.

Casper tätschelte ihm mit der nun freien Hand, mit der er sich nicht weiter festhalten musste, die blonden Locken.
„Sie sah aber nicht aus, als wollte sie deinen Schutz. Respektierst du kein ‚Nein'?"

Ana zuckte empfindlich zusammen, als Bilder von ihrer letzten Party zu ihr zurückkamen. Hastig schüttelte sie sie ab, bevor diese sie lähmen konnten und kam noch einige Schritte zu den Zweien zurück.
„Schon in Ordnung, Casper. Wir sind...", ihr fiel nicht sofort ein passender Begriff ein, „... alte Bekannte."

Casper lehnte sich inzwischen auf den erstarrten Salem, wie andere an einen Kaminsims lehnten: „Sind Sie sicher? Er hat die Tattoos der Jäger, Miss." Wie zum Beweis schob er Salems Kragen herunter, um ein schwarzes Muster auf seinem Schlüsselbein zu entblößen.

Ana lächelte dem widerlichen Gefühl in ihrem Magen zum Trotz. Sie wünschte, sie könnte es vergessen. Warum genau rettete sie ihn vor dem Jungen? Salem hatte keine neuen Befreiungsversuche gestartet, die ihn oder den Jungen verletzen würden. Ana kannte gefährliche Männer. Das hier war keiner.
„Sieht er für dich aus, als würde er sich besonders wehren können?"

Eine kurze Pause entstand.
Nachdrücklich hob sie die Augenbrauen und Casper schüttelte schließlich den Kopf. Probehalber nahm er das Messer ein kleines Stück von der Kehle des Jägers und bestätigte dann: „Brav wie ein Lamm, Miss."

„Hey!" Salems empörter Ausruf wurde von den beiden anderen ignoriert.

Ana war sich inzwischen sicher, dass sie übergeschnappt sein musste, wenn sie dem Jäger half. Also mehr als sonst. Dennoch fummelte sie an ihrem Gürtel, an dem ein kleiner Beutel hing.
„Lass ihn los. Ich denke, im Zweifelsfall werde ich selbst mit ihm fertig."

Nur Caspar blieb skeptisch. Mit dem Messer kratzte er wieder über Salems Hals, als wolle er ihn rasieren. „Ich könnte aus ihm Antworten herauskitzeln..."

Sofort hob Ana wieder beschwichtigend die Hände, den Münzbeutel bereits gelockert. Sie wollte definitiv nicht, dass der Bursche noch mehr redete. Ganz bestimmt nicht.
„Hast du heute schon gefrühstückt?" Sie warf ihm den Beutel zu und Casper musste Salem loslassen, um ihn zu fangen.

Der Jägernovize keuchte erleichtert auf und stützte sich mit seinen Handflächen auf den unebenen Steinen der Straße ab. Leute, die an ihnen wie selbstverständlich vorbei gingen, warfen ihm mitleidige Blicke zu, doch keiner von ihnen blieb stehen. Falsche Stadt dafür.

The Demon Stone - Der Weltenwandler IOnde histórias criam vida. Descubra agora