Ich höre Kröten.

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          Ana wollte umdrehen. Sie wusste, dass das hier ihre Chance war, nach Hause zu kommen. Kaïa hatte ihr Leben und ihre Loyalität riskiert, auf die Chance, sie hierher zu bringen. Sie glaubte Cassys Stimme im Flüstern des Schnees zu hören, der in großen, trägen Flocken zwischen sie fiel.

Ihr Lachen. Die Wärme der Küche und der Geruch nach frisch gebrühtem Kaffee. Es war wie an dem Abend, als Adriel sie vor den Rebellen gerettet hatte. Ihr Herz schlug kräftig gegen ihre Rippen, als wolle es trotz des Käfigs ausbrechen. Nach vorne sprinten.

Und gleichzeitig fühlte es sich schwer wie ein Stein an, der Ana jeden Moment seitlich in das kalte Weiß stürzen lassen würde.

Salem, Lucah und Gabby hatten ihr Leben riskiert, um sie aus dem Dorf zu holen. Und sie ließ sie einfach zurück. Vielleicht könnte sie ja mit Adriel reden. Sie verwarf den Gedanken prompt wieder, als sie an seine letzte Reaktion dachte.
‚Ich wäre ein toter Idiot, wenn ich dich in diese Welt zurücklasse.'

Mika'il ritt vor ihr, die goldenen Augen dunkle und blind. Jedes Mal, wenn sie den Mund öffnete, um Mika'il etwas vorzuschlagen, stoppten die angespannten Muskeln seiner Schultern die Worte, bevor sie ihre kalten Lippen verlassen konnte.

Sein stummer Zorn war eine frische Erinnerung daran, dass er ihr einst gedroht hatte, sie umzubringen. Und sie hatte ihm geglaubt.

Er stoppte sein Pferd, als neben ihnen plötzlich die Bäume ausblieben und einer kreisrunden Lichtung Platz machten. Vor ihnen breitete sich eine Schlucht aus, gefüllt mit tausend kleinen Lichtern. Sie schwebten wie Glühwürmchen in der Nacht und erhellten die Brücke, die zu einer alten Burg auf der anderen Seite führte.

„Erzähl mir die Geschichte der gespaltenen Stadt." Wie ein Singsang hallte Cassys Stimme zu ihr hoch, zurückgeworfen von den klaffenden Wänden der Schlucht. Weit entfernt und gleichzeitig als säße sie hinter Ana auf dem Pferd.

Ihre Handflächen kribbelten und noch vor Mika'il rutschte sie von ihrem Pferd herunter. Sie wusste, dass Cassy nicht hier war. Das hatte sie inzwischen begriffen.
„Kannst du sie auch hören?", flüsterte sie Mika'il zu, als seine Stiefel neben ihr auf den Boden trafen.

Der Weltenwandler runzelte die Stirn und sah sehr langsam von ihr zu der Schlucht und wieder zurück.
„Ich höre Kröten."

Es war eine Lüge, ausgesprochen wie der letzte Schlag eines Fallgitters. Eine schließende Tür. Er hörte vielleicht nicht Cassy, aber er hörte etwas. Und es waren bestimmt keine Kröten im Winter. Es zeichnete Spannung zwischen seine Augenbrauen als er vorsichtig nähertrat.

„Sei gewarnt...", murmelte er so leise, dass Ana nicht sicher war, ob er überhaupt mit ihr sprach, „... dieser Ort schwimmt vor Magie."

Ana entließ einen kleinen Schrei neben ihm, den sie mit beiden Händen versuchte, wieder in ihren Mund zu stopfen. Vor ihr, in einem perfekten Halbkreis saßen dreizehn Frauen, jede eine perfekte Kopie ihrer Nebensitzerin. Ihre Gewänder bestanden aus dem gleichen feinen Stoff, den sie auch überall im Wald gesehen hatte, erleuchtet durch hundert kleine goldene Lichtpunkte, die sich darin verfangen hatten.

Neben ihr bemühte Mika'il sich um ein unbeteiligtes Gesicht, auch wenn Ana ihn dabei ertappte, wie er über seine Schulter zur Tür in ihrem Rücken linste. Ein Feuer knisterte leise im Hintergrund, doch anstatt den Raum gemütlich wirken zu lassen, schlossen die dicken Vorhänge seine Hitze mit ihnen hier drinnen ein. Er war definitiv nicht gerne hier. Und es fiel ihr schwer, sich von dem Gedanken zu lösen.

„Wir haben euch erwartet", sagten die Frauen im Chor und Ana stieß gegen Mika'il im Versuch, zurückzuweichen. Das war der Stoff für Albträume. Und so wie sie ihre Träume kannte, würde das sehr unglücklich für sie enden.

The Demon Stone - Der Weltenwandler IWhere stories live. Discover now