Massenm*rder und die, die es noch werden wollen.

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          Ana erwachte mit einer zierlichen Hand auf ihren Mund gepresst. Dumpfer Schmerz machte ihre Bewegungen schwer, als ihre Fingerspitzen über das raue Holz eines Wagens unter ihr fuhren. Aber der Wagen stand still.

Über ihr verliefen die Dachstreben einer niedrigen Scheune, gefüllt mit Heu und Stroh für den Winter. Staub rieselte aus dem Dachboden zu ihnen herunter und glitzerte im Licht, das sich zwischen den Wandbrettern hindurch stahl.

Eimer waren auf dem Wagen verteilt und Gabby saß neben Ana, den Kopf geduckt, sodass sie kaum über die Wandteile hinweglugte, ihre Hand fest auf Anas Mund gepresst. Als diese versuchte, sie wegzuschieben, zuckte sie zusammen und legte einen Finger auf ihre Lippen.

Anas Herzschlag pochte gegen die Stille. Draußen hörte sie schwere Schritte und die Stimmen von Männern. Instinktiv tastete sie nach dem Band, das sie mit Adriel verknüpfte und fand es dumpf und unscharf vor.

Mit einem leisen Ächzen richtete sie sich ebenfalls auf und lugte neben Gabby über die Wand des Karrens, rüber zu der verriegelten Tür der Scheune.
„Was ist los?"

Die Worte waren kaum mehr als ein Atemzug, doch Gabby spannte sich an, als hätte Ana ihr ins Ohr geschrien.
Er ist dort draußen", wisperte sie, die Hände in ihre Kleidung gekrallt.

Adriel. Anas Puls wurde schneller. Ein kleiner Teil von ihr war erleichtert gewesen, als sie ihn im Dorf gesehen hatte. Hatte gewusst, dass er sie beschützen würde. Er hatte sich gegen die Männer seines Bruders gestellt. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass das ungestraft bleiben würde.

Und sie hatte ihn zum Dank ausgeknockt. Es war nur ein kleiner Verrat, wenn sie es mit Mika'ils Freilassung verglich, aber es trug auch nicht zu ihrem besseren Verhältnis bei. Er hatte sie nicht zu den Seelenweberinnen lassen wollen. Er hatte sie eingesperrt.

Ana robbte näher an Gabby heran. Die Bewegung brachte einen sengenden Schmerz in ihrer Schulter, der sie scharf Einatmen ließ. Mit spitzen Fingern zog sie ihr Hemd zur Seite und offenbarte eine feinsäuberlich genähte Wunde.
Wann war das passiert?

Gabby fing ihren Blick auf und sie verzog den Mund zu einem entschuldigenden Lächeln.
„Ich habe mir Mühe gegeben, aber wir hatten wenig Zeit und jetzt-..."

Rütteln an der Scheunentür schnitt ihr das Wort ab und beide Mädchen pressten sich bäuchlings auf den Wagen.

Sie hatten sie gerettet. Eine merkwürdige Emotion schwemmte durch Ana hindurch. Sie hatten sie gerettet und sich hier versteckt. Und obwohl sie wusste, dass Adriel ihr niemals etwas antun würde, konnte sie nicht dasselbe für die Weltenwandlerin sagen.

Gabby packte ihre Hand und zog sie ein kleines Stück dichter an sie heran.
„Die Medikamente, die sie ihm gegeben haben müssen, haben dich ebenfalls ausgeknockt. Und ich glaube- ich hoffe – dass sie seine Fähigkeiten immer noch beeinträchtigen, dich zu finden. Also sei still und halt den Kopf unten, egal was er sagt."

In diesem Moment splitterte das Holz des Balkens vor der Tür und sie wurde aufgestoßen. Ana linste zwischen zwei Brettern der Wagenwand hindurch und sah eine Gestalt im kühlen Winterlicht, deren Silhouette sie überall erkannt hätte.

Ihr Herz machte einen beinahe schon schmerzhaften Schlag.

Langsam setzte Adriel einen Fuß in das Zwielicht der Scheune. Stroh knirschte unter seinen Stiefeln und verschluckte Anas und Gabbys flache Atemzüge.

Er betrat die Scheune wie eine Kirche. Ohne Eile sah er erst zur Decke hoch, dann nahm er den kompletten Raum in Augenschein, gefüllt mit leeren Stallungen für Vieh, drei unterschiedlichen Wägen und mehreren Ballen Heu, die die Rückseite verbarrikadierten.
„Ana." Sein Akzent rollte rau über ihren Namen. Es war nicht einmal eine Frage. Er wusste, dass sie hier war. Und ihm bestimmt nicht antworten würde.

The Demon Stone - Der Weltenwandler IWhere stories live. Discover now