Erklärungsnot

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          Vollkommene Dunkelheit.

Wusste Adriel von der Bedeutung der Brosche? 

Unbewegte Dunkelheit.

Und warum öffnete sie ein Auge?

Leere.

Sie wusste, dass sie wieder in ihren eigenen Körper zurückgekehrt war, weil sie sich nicht bewegen konnte. Ana lag bäuchlings in einem weichen Bett, das Gesicht zur Wand gedreht und trotzdem bekam sie keine Luft.

Irgendwo musste sie Zeit verloren haben. Jemand hatte kühlende Salbe auf die aufgesprungene Haut geschmiert. Sie hatte diffuse Erinnerungen an einen älteren Herrn mit großer brauner Tasche und einem schwarz-grauen Bart. Aber wie sie in das Zimmer gekommen war, dessen Wand sie seit unbestimmter Zeit anstarrte, wusste sie nicht mehr.

Was hatten die Seelenweberinnen noch gleich über die Prophezeiung gesagt? Ana hatte Schwierigkeiten sich zu erinnern. Ihr erstes Erlebnis ohne Körper. Sicherlich konnte Salem sich das auch erklären. 

Licht fiel durch ein großes Fenster hinein und zeichnete sein Muster auf die einfarbige Tapete. Ana hatte zugesehen, wie es zunehmend oranger wurde und schließlich an Kraft verlor. Sie musste zurück zu ihm. Der Gedanke folterte sie in ihrer Bewegungslosigkeit. Sie würden ihn zurück zum Wohnsitz der Jägergilde bringen, ihn von dort zu befreien war schwieriger.

Probehalber wackelte sie mit den Fingern. Sie gab sich Mühe, nicht ihren Arm zu bewegen, doch ihre Haut fühlte sich so straff an, dass trotzdem flammender Schmerz in ihrem Rücken folgte und sie mit einem Hissen tiefer in die Kissen sinken ließ.

Wenn sie nur wieder in ihre körperlose Gestalt zurückkönnte. In ihrer alten Welt hätte das lediglich bedeutet, einzuschlafen. Etwas, was durch ihren schmerzenden Rücken unmöglich erschien. Aber Ohnmacht... Wenn sie sich nur stark genug bewegte... wenn der Schmerz zu viel werden würde...

Hinter ihr klickte das Schloss der Tür und sie zuckte zweimal zusammen. Einmal vor Schreck und dann noch einmal vor Schmerzen. Mühsam drehte sie den Kopf auf die andere Seite. Wenn jemand hier war, um sie zu erledigen....

Der bärtige Arzt schob sich in das kleine Zimmer, dicht gefolgt von Sir Ranwic, Adriels Onkel, der ihm die Tasche trug. Entgegen allen Umständen hob sich Anas Stimmung. Er sah seit ihrer letzten Begegnung noch einmal deutlich gealtert aus. Aus kleinen Augen musterte er das spärlich eingerichtete Zimmer, von dem blassen Holzboden bis zu den leeren Wänden.

Während der Doktor einen Schemel zu Anas Bett zog, drückte er sich mit dem Rücken an die gegenüberliegende Wand, die Hände ineinander verknotet, den Blick nicht gesenkt, aber auch nicht Anas erwidernd.

„Ihr seid wach", bemerkte der Arzt mit einem wohlwollenden Lächeln und griff Anas herunterhängende Hand, um sie vorsichtig zu schütteln, „Das wird unsere fortlaufende Behandlung viel einfacher machen. Mein Name ist Viego, ich bin der hiesige Hofarzt."

„Freut mich." Ana wollte nicht unhöflich sein. Er hatte ein nettes Gesicht, durchwirkt von Falten in den richtigen Stellen, die von einem lachenden Leben berichteten. Ihre Augen gingen an ihm vorbei und fixierten Sir Ranwic.
„Wo ist Adriel?" Adriel würde sich schneller wieder bewegen können als sie. Adriel hatte die Macht und den Einfluss, Salems Haut zu retten.

In Sir Ranwics Gesicht zerbrach etwas und er stieß sich von der Wand ab. Sorge hatte sich in jede einzelne Falte gemeißelt.
„Ist es wahr? Was mit meiner Tochter passiert ist?" 

Luft wurde in Anas Hals zu Blei. Füllte sie mit derselben Dunkelheit, die sie in seinen Augen sah, bis sie sich abwenden musste. Jedes Wort zu viel. Also nickte sie schlicht. Seine Anwesenheit machte es beinahe unmöglich, daran zu denken. Zu wissen, wie sehr er an seiner Familie gehangen hatte und wie groß der Verlust für ihn war. Egal was Salem gesagt hatte, sie fühlte sich schuldig.

The Demon Stone - Der Weltenwandler IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt