Was soll schon schief gehen?

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          Ana lag neben dem Lagerfeuer und starrte hoch ins Blätterdach als sich etwas zwischen den Bäumen bewegte. Es war mehr das Wispern einer Bewegung, ein Flackern im Blickwinkel. Mit einem Ruck, der ihr Bein schmerzhaft pochen ließ, fuhr sie nach oben. In ihrer Hand hielt sie den Dolch, den Kaïa ihr gestern gegeben hatte unter der strengen Mahnung, ihn nicht einzusetzen. 

Die Bewegung hatte kein Geräusch gemacht. Der Wald war weiß und Frost überzogen, wie eine nicht fertige Skizze. Allein drei Vögel, schwarze Flecken vor dem hellen Hintergrund, wurden von Anas ruckartiger Bewegung aufgeschreckt. Ihr Flattern klang wie lauter Protest im Wald. 

Anas Atem sammelte sich vor ihrem Mund. Ihre Decke hatte sich um ihre Beine geschlungen und der kleine Otter war neben sie in das aufgetaute Gras gerollt. Auf der anderen Seite des niedergebrannten Feuers, lag noch Kaïas Mantel. Verlassen.

Ana hatte bereits den Mund geöffnet, um ihren Namen zu rufen, als sie die Bewegung erneut sah. Es war klein und schillernd wie eine Qualle. Kaum mehr als eine Seifenblase in der frostigen Luft.  Es trieb zwischen den Bäumen umher, träge Bewegungen mit seinem Schweif machend.

Die Worte vereisten auf Anas Lippen. Sah sie wieder Dinge? Die Vorstellung sammelte sich in einem Klumpen in ihrem Magen und hätten sie beinahe die Hände vor ihre Augen schlagen lassen. Bitte nicht. Sie wollte nicht in zwei Welten verrückt sein. Wollte nur ein einziges Mal, das die Welt um sie herum echt war. 

Sie blinzelte langsam. Bewusst. Aber das Ding löste sich trotz ihrer stummen Bitte nicht auf. Es trieb vor ihr her, sanft die Farbe von blau zu rosa wechselnd. Winzige goldene Pollen lösten sich von seiner glatten Oberfläche und schwebten zu ihr herunter, sammelten sich auf ihren Armen und ihrer ausgestreckten Hand. 

Anas Herz setzte einen Schlag aus. Legten Druck auf ihre Ohren. Den Dolch in ihren Gürtel steckend, kam Ana  auf die Beine. Ein Schlag gegen den Kopf musste irgendwelche Folgen haben. Wenn es eine Halluzination war, war es zumindest ungefährlich.

Nebel hatte sich zwischen den Bäumen gesammelt durch die sie hindurch humpelte, auf das leuchtende Wesen hinzu. Es war vollkommen anders als die Dinge die sie sonst sah. Beinahe außerirdisch, ohne Augen oder gezielte Bewegung. 

Als Ana näher kam driftete es weiter zwischen die Bäume, wie durch eine unsichtbare Welle getragen. Schwerelos. 

Ana sah ihr Licht, bevor sie die anderen Wesen sah. Zwanzig oder dreißig in einem trägen Strudel. Ihre bunten Körper schenkten dem sonst weißen Wald diffuse Verfärbungen, während sie Kreise über einem vereisten Teich zogen. Sie berührten einander nie, schwebten höher und tiefer wie Tänzer ohne Schwerkraft.

Winzige Schneekristalle auf vereistem Schilf reflektierten ihr Licht. Pollen bedeckten die Eisfläche und jeden Ast, der sich zu nahe zu ihnen heranstreckte. 

Wie eine Schlafwandlerin starrte Ana sie an, unfähig sich abzuwenden. Etwas schwang in ihr mit den Bewegungen der Wesen mit. Es war ein Summen. Ein sanftes Vibrieren. Die Wesen waren so anders. So friedlich und ungestört. Ihre Schwerelosigkeit war ansteckend, als würden sie Sorgen mit sich in die Luft heben und sie so lange in ihren Kreisen ziehen, bis sie ebenfalls durchsichtig und Substanzlos waren.

Sie bemerkte erst, dass sie Cassys kleinen Otter herausgeholt hatte, als seine drahtigen Haare ihr in die Finger stachen. Cassy würde alles geben, um sowas zu sehen. Auf dem glatten Wasser des Sees, wünschte Ana sich, ihr Gesicht zu sehen. Nur ein einziges Mal, damit sie daran erinnert wurde, wofür sie kämpfte.

The Demon Stone - Der Weltenwandler IWhere stories live. Discover now