Du verstehst nur Gewalt. Und Bahnhof.

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          „Ana!", jemand rüttelte sie an den Schultern, bis ihre Zähne aufeinanderschlugen. Schon wieder. Sie erwartete, dass ihr Kopf auf die Planken des Schiffs treffen würde, doch irgendwo in ihrem ewigen Sturz war sie weich gelandet.

Ihr war schlecht. Und ihre Muskeln schmerzten. Erinnerungen entzogen sich ihr wie jemand, der versuchte, ein Haar aus seiner Teetasse zu fischen. Sie hatte es verbockt, oder? Sie wusste nicht genau was, aber die Idee ließ sie die Augen fester zusammenpressen.

„Ana." Der Kerl ließ nicht locker. Fremder Zorn mischte sich wie flüssige Lava unter ihre eigenen Gefühle. Erhellte ihre Sicht wie jemand, der eine Taschenlampe auf ihre geschlossenen Lider richtete. Vorsichtig öffnete sie ein Auge, mehr aus Sorge, dass sie vielleicht im nächsten Moment geohrfeigt werden würde, wenn sie es nicht tat.

Ihre Sorge war nicht ganz umsonst. Adriel, der in den letzten Wochen kein Grund zur Sorge vor Gewalt gegeben hatte, stand dicht über ihr gebeugt, als begutachte er eine Leiche. Oder besser gesagt... eine zukünftige Leiche.
„Warum?"

Judys Unterlippe zitterte, aber sie brachte die Worte sicher und vorwurfsvoll heraus.
„Warum?"
Ana blinzelte das Echo weg und hätte am liebsten die Augen wieder geschlossen, als sie den Verrat in Adriels Gesicht sah. Sh*t. Sh*t. Sh*t. Er würde sie umbringen. Dieses Mal hatte sie seine Selbstbeherrschung ausgereizt.
Umständlich zog sie ihre Ellenbogen unter sich, um in eine nur halb liegende Position zu kommen. Ihr Kopf schwamm schlimmer als das Schiff. Sie würde hier wegmüssen.

Adriel bebte. Es hätte Ana nicht gewundert, wenn seine Hände verkohlte Abdrücke auf den Planken des Schiffs hinterlassen hätte. Aber er starrte sie einfach nur an. Zorn und Verrat so deutlich in sein Gesicht geschrieben, dass selbst ein Analphabet es hätte lesen können.
„Wa-rum?"

Er kannte die Antwort bereits. Sie stand in einer langen Akte bei Dr. Neill niedergeschrieben. Und Ana hatte ihm jeden Beweis dafür geliefert. Sie hatte versagt und jetzt steckte sie mit den Konsequenzen ihres Handelns fest.
„Ist er weg?"

Adriel musste nicht fragen, wen sie meinte. Seine grünen Augen wurden noch finsterer als wolle er sie verschlucken. Mit einer Hand packte er sie an der Schulter und zog sie ruckartig mit sich auf die Beine.
„Dein Plan hat funktioniert. Bis ich wieder bei Bewusstsein war-...", er musste den Satz nicht zu Ende bringen. Biss sich eher so stark auf die Zunge, dass selbst Ana es spürte, als aussprechen zu wollen, dass ihm der Weltenwandler entkommen war.

Ana fühlte sich wie eine Katze, die am Schlafittchen vor ihm her zur Luke geschoben wurde. Ihre Füße fanden auf den eisigen Planken keinen Halt und ihre Finger waren nutzlos gegen seinen Griff.
„Wenn mein Plan funktioniert hätte, wäre ich nicht hier."

Sie hatte gesprochen, bevor sie gedacht hatte. Aber bevor sie die Worte zurücknehmen nehmen konnte, hatte Adriel sie bereits umgedreht und rückwärts gegen die Wand des Steuerdecks gepresst, den Unterarm quer über ihren Schultern. Sein Atem kam stoßweise, so nahe, dass Ana Minze roch.
„Hast du eigentlich irgendeine Ahnung, was du angerichtet hast?"

Instinktiv klammerten sich ihre Fingerspitzen um seinen Arm und versuchten ihn wegzuschieben, doch Adriel war deutlich stärker als sie. Er nahm ihr gesamtes Sichtfeld ein, blockte die Außenwelt mit seinem Rücken ab, bis sie nur noch ihn sah und die Zerstörung, die sie gewütet hatte.
„Es wird dich nicht glücklicher machen, wenn ich 'ja' sage."

Zumindest damit hatte sie recht und sie stolperte beinahe über ihre eigenen Worte, um schnell weiterzusprechen.
„In meiner eigenen Welt bin ich sicher. Das Band wäre keine Gefahr mehr für di-..."

The Demon Stone - Der Weltenwandler IWhere stories live. Discover now