Schritt für Schritt zum Schulausschluss

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          Ana gab sich große Mühe, die krachenden Wellen hinter Schuldirektor Mettens Schreibtisch zu ignorieren. Ein gar nicht so einfaches Unterfangen zwischen spitzender Gischt, salziger Luft und tosendem Rollen. Schon mal versucht, das Meer zu ignorieren? Schon mal versucht, es zu ignorieren, wenn es in einem kleinen Zehn mal Zehn Raum eingesperrt war?

Aber bekam der Direktor vielleicht nasse Füße? Nein.

Wahrscheinlich hatte das Wasser ebenfalls Angst, weil er so herumbrüllte.

Oder, und Ana musste sich eingestehen, dass das leider wahrscheinlicher war, niemand sah das Meer, außer ihr. Ihre Mom Judy hing zumindest an den Lippen des Schulleiters, ihre Handtasche im Schoß und nach vorne gerutscht bis zur Stuhlkante. Würde sie die Wellen sehen, wäre hier drinnen jemand anderes am Schreien.

Ana rutschte tiefer in den blassgrünen Stuhl vor dem großen Schreibtisch hinein und versuchte sich so unsichtbar wie möglich zu machen. Das wäre auch leichter, wenn Mettens nicht in jedem dritten Satz ihren Namen sagen würde. Die Arme hoch über seiner Glatze erhoben, gestikulierte er, als müsse er die Londoner Philharmonie dirigieren. Und seine feuchte Aussprache machte die Wellen hinter ihm noch realistischer.

Erst als er mit einem tiefen Luftholen sich auf seinen Stuhl fallen ließ, blickte Ana wieder von dem steigenden Wasserspiegel um ihre Füße wieder auf. Neben ihr sah Judy aus, als müsse sie gleich weinen. Ihre Finger hielten die Träger ihrer Handtasche umklammert, als wäre es ihre Rettungsweste.

„Ihr Kind ist für die Schule gefährlich", setzte Mettens nach, die Arme vor dem dicklichen Bauch verschränkt und die Augenbrauen so hochgezogen, dass selbst seine Glatze Falten bekam.
Eine weitere Welle krachte hinter ihm nieder für dramatischen Effekt und verschwand im Linoleumboden.

Ana zog die Schultern hoch und wurde noch ein bisschen kleiner, als Judy sich zu ihr umdrehte. Die Frau war nicht viel größer als Ana, schmal und übermüdet an guten Tagen. Sie sah aus, als wäre sie nur einen kräftigen Windstoß davon entfernt, in tausend angespannte Nervenenden zu zerfallen. Jetzt gerade zitterte ihre Unterlippe, aber sie brachte die Worte sicher und vorwurfsvoll heraus.
„Was hast du dir nur dabei gedacht?"

Ana warf dem Schulleiter einen kurzen Blick zu, um sicherzugehen, dass sie auf die Frage wirklich antworten sollte. Da sie keine Handtasche hatte, mussten sich ihre Finger um sich selbst knoten und es brauchte mehr Aufwand als erwartet, sich wieder im Stuhl aufzurichten.
„Dass ich aus dem Schrank herauswollte?"

Es war mehr eine Aussage, aber leider nicht die, die Mettens oder Judy hören wollten.
„Dann klopft man an die Tür und bittet, herausgelassen zu werden", polterte der Schulleiter von neuem los, halb aus seinem Bürostuhl erhoben. Seine Gesichtsfarbe erinnerte an marmorierten Sonnenbrand und Ana hatte den Verdacht, dass sein Blutdruck inzwischen bereits hoch ging, wenn sie ihn zufällig auf dem Gang traf.

The Demon Stone - Der Weltenwandler IWhere stories live. Discover now