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Erwachen
Jahr 2018, Mai - Korea

„Werd bitte wieder gesund." Ich könnte nicht damit leben, ihn zu verlieren. Nicht nach all dem, was wir bereits durchmachen mussten.

Chan PoV:

„Komm versuch es noch mal. Du hast es gerade fast geschafft." Mit Seungmin's Arm über der Schulter und einer Hand an seiner Hüfte, stütze ich den Jüngeren vorsichtig dabei, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Es ist jetzt schon über ein Monat vergangen und Seungmin ist nach wie vor auf seinen Rollstuhl angewiesen. Er schafft es mal gerade mit sehr viel Mühe und Unterstützung aufzustehen. „Chan, es geht nicht. Ich kann nicht mehr."

„Nur noch einmal, bitte." Er hätte es gerade fast geschafft. Ich konnte es sehen. „Nein, lass mich runter", erwidert er leise murrend, während er sich selber langsam auf den Boden sacken lässt. Wieso gibt er jedes Mal so schnell auf? Mit ein bisschen mehr Training könnte er sicher bald wieder laufen. Aber nein, aus irgendeinem Grund sträubt er sich davor. „Dann lass es uns in einer halben Stunde noch einmal versuchen."

„Hör endlich auf damit. Ich werde nicht ganz plötzlich eine Wunderheilung erleben." Sichtlich genervt sieht Seungmin kurz zu mir auf, während ich seinen Rollstuhl an ihn heranschiebe. „Aber wenn wir es nicht weiter versuchen, wird es nur noch länger dauern." Ich verstehe ihn wirklich nicht. Ich würde an seiner Stelle alles geben, um so schnell wie möglich wieder laufen zu können. „Wir? Es ist mein Körper. Du hast rein gar nichts damit zu tun."

„Aber ich muss doch irgendwas für dich tun." Das Training ist das einzige, wobei ich ihm helfen kann, damit es ihm wieder besser geht. Es ist meine Schuld, dass es soweit gekommen ist und es gibt sonst nichts, was ich tun kann, um es wieder in Ordnung zu bringen. „Es ist verdammt nochmal nicht deine Schuld. Du musst bei mir nichts wieder gut machen. Also hör auf deine Schuldgefühle an mir auszulassen."

„Aber-" „Dann dauert es halt länger. Mein Körper kann im Moment einfach noch nicht mehr. Und früher hättest du das auch verstanden", unterbricht Seungmin mich schließlich und dreht mir kurzerhand den Rücken zu. „Komm erst mal wieder mit dir selber klar, bevor du anderen helfen kannst." Dieser Satz hat gesessen. Ich weiß ja, dass er eigentlich recht hat, aber es fällt mir einfach schwer das Geschehene hinter mir zu lassen. Es gibt so vieles, das ich nie wieder gut machen kann.

„Ich will euch nicht stören, aber hat jemand von euch Jeongin gesehen?" Völlig außer Atem platzt Hyunjin mit einem Mal in unseren Trainingsraum hinein, weswegen Seungmin und ich ihn gleichermaßen verwirrt ansehen. „Was meinst du? Liegt er nicht in seinem Bett?" Das letzte Mal, als ich nach ihm gesehen habe, hat er sich noch immer im Koma befunden. Aber es war schon an der Zeit, dass er langsam wieder zu sich kommt. „Nein, ich war nur kurz auf Toilette und als ich zurückgekommen bin, war er plötzlich weg."

„Wann hat Changbin das letzte Mal seine Werte kontrolliert?" Normalerweise gibt es im Nachhinein irgendwelche Indikatoren dafür, dass jemand aufwacht. Leider variieren diese von Person zu Person und auch nicht jeder erhöhte Wert bedeutet gleich, dass es soweit ist. „Heute Morgen. Er meinte das irgendwas erhöht sei, aber sonst alles normal ist."

„Dann ist er wahrscheinlich aufgewacht. Hast du schon in der Küche nach ihm gesucht?" Nach der Verwandlung sind die meisten verwirrt und vollkommen von ihren verstärkten Sinnen und dem Drang nach Blut überfordert. Seine Instinkte führen ihn wahrscheinlich zur nächstbesten Blutquelle. „Ja, aber da war er nicht. Bei Felix war ich auch schon. Changbin hat sich direkt mit ihm in ihrem Zimmer eingeschlossen." Ich habe auch ehrlich nichts anderes von ihm erwartet. Statt suchen zu helfen, steht Felix Sicherheit an erster Stelle. Aber übelnehmen kann ich es ihm ehrlich gesagt nicht. Voll allem nicht nachdem, was in den letzten Monaten passiert ist.

„Dann müssen wir wohl runter in den Keller." So viel zu dem Thema, mein kleines Versteck bleibt geheim. Eigentlich sollte niemand davon erfahren, damit es möglichst sicher bleibt, aber wir haben hier wohl eine kleine Ausnahmesituation. „Was sollte er im Keller wollen?" „Ich bewahre dort alle Blutproben auf, die ich bisher sammeln konnte. Und eigentlich habe ich sie so verpackt, dass sie für uns nicht riechbar sind, aber wer weiß, wie stark die Sinne eines verwandelten Chiyu's ausgeprägt sind."

„Ich hoffe du hast recht." Sichtlich besorgt folgt Hyunjin mir schließlich die Kellertreppe hinunter, weswegen ich ein leises Brummen von mir gebe. Das hoffe ich auch. Ich hätte Hyunjin nicht mit Jeongin alleine lassen dürfen. Normalerweise müssen immer zwei Personen gemeinsam wache schieben. Aber im Moment sind noch alle damit beschäftigt, sich von unserem Kampf zu erholen. Wenn ich mich doch nur aufteilen könnte.

Hyunjin PoV:

Ziemlich angespannt folge ich Chan weiter durch einen langen Gang im Keller und knabbere dabei nervös auf meiner Unterlippe herum. Ich kann mich nicht daran erinnern schon einmal hier unten gewesen zu sein. Und Chan glaubt wirklich, dass er das Blut von hier unten riechen konnte? Wenn das wirklich der Fall sein sollte, dann muss Jeongin's Geruchssinn mehr als nur gut ausgeprägt sein. Ich rieche bisher nämlich immer noch nichts.

„Wir wissen nicht, was gleich eventuell auf uns zukommt, also mach dich auf alles gefasst. Jeongin hat sich selbst sehr wahrscheinlich noch nicht unter Kontrolle."

Fortsetzung folgt...

Protector // Hyunin {Bloodline Trilogie}Where stories live. Discover now