Kapitel 20

141K 6K 1.3K
                                    

Rafael P.O.V.

"Du hast lange gebraucht." Angespannt stand ich im Büro meines Vaters und sah ihn an. "Ich hatte noch etwas zu erledigen." Er nickte und sah von seinen Akten, die auf seinem Schreibtisch ausgebreitet waren, auf. "Rodriguez hat geplaudert. Theoretisch brauchen wir ihn nicht mehr." "Und praktisch?" "Praktisch könnten wir ihn noch als Druckmittel oder Lockvogel benutzen." Mein Vater stand auf und sah aus dem Fenster auf New York hinab. "Kümmer dich um ihn. Und lass' den Zufall entscheiden was wir mit ihm machen." Auch wenn er es nicht sah, nickte ich. Ich wusste genau was er meinte.

Ohne auf weitere Worte meines Vaters zu warten ging ich aus seinem Büro und lief zu den Aufzügen. Kurz bevor sich die Türen hinter mir schlossen quetschte sich Milo in die enge Kabine. "Ich komme mit." Knapp nickte ich und widmete mich meinem Handy. Milo war mein Cousin und wir waren praktisch zusammen aufgewachsen. Sein Dad war der Bruder meiner Mutter und nach seinem Tod, nahm meine Mom Milo auf und behandelte ihn wie ihren eigenen Sohn.

In der Tiefgarage setzten wir uns in meinen Wagen und fuhren schließlich Richtung Bronx. "Was hast du jetzt mit den Spitzel vor?" "Ich mache was Dad gesagt hat. Ich lasse den Zufall entscheiden." Nickend gab er sich mit meiner Antwort zufrieden.

Wenn es nach mir gegangen wäre, würde Rodriguez schon lange nicht mehr unter den Lebenden weilen, aber mein Vater hatte andere Pläne mit ihm. Laut Dad war ich noch zu Impulsiv um irgendwann an seine Stelle treten zu können. Und vielleicht hatte er dabei auch recht, aber in den jeweiligen Situationen erschien mir das was ich getan hatte schlichtweg als richtig.
Im Endeffekt hatte allerdings Dads Plan funktioniert und wir hatten die Informationen die wir wollten.

"Wie läufts eigentlich mit deiner Süßen?" Verwirrt wanderte mein Blick kurz zu Milo, ehe ich mich wieder auf die Straße konzentrierte. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich ihm in letzter Zeit nichts über irgendein Mädchen erzählt hatte. "Was meinst du?" "Na, Viola. Oder hab ich irgendwas verpasst?" Genervt stöhnte ich auf. "Hör mir bloß auf!" Milo lachte. Er wusste ganz genau wie sehr mir dieses Thema auf den Sack ging. "Ich weiß nicht was du gegen sie hast. Sie sieht hammer aus, hat eine top Figur und lustig ist sie auch." "Wenn du sie so toll findest kannst du sie gerne knallen." "Alter, dafür ist mir mein Leben zu wichtig." Kopfschüttelnd bog ich in eine Gasse ab und wartete darauf, dass mir unsere Männer das Tor öffnen würden. "Und außerdem wäre es doch gut fürs Geschäft." "Du hörst dich schon an wie mein Vater." Kopfschüttelnd beobachtet ich das Tor das langsam zur Seite fuhr.
Ich nickte Jonny, einem bulligen Kerl der schon jahrelang für meinen Vater arbeitete, zu und passierte schließlich das Tor. Vor der alten Halle parkte ich, stieg aus und lief dicht gefolgt von Milo zum Eingang. Kaum hatte ich die große Eingangstür hinter mir gelassen wurde es still in der Halle. Die Leute hier wussten wer ich war und wozu ich im Stande war.

Jonny kam ebenfalls in die Halle und stellte sich zu mir. "Rodriguez ist unten. Brauchst du irgendwas?" Kopfschüttelnd lief ich los. "Ich hab alles."

Ich stieg die morschen Treppen nach unten und hörte das Knarren als auch Milo die ersten Stufen betrat. Vor einer der Türen standen zwei unserer Männer, die mir kaum merklich zu nickten als ich an ihnen vorbei ging.

Ein gehässiges Grinsen legte sich auf meine Lippen als ich in die leeren blutunterlaufenen Augen von Rodriguez sah. Gefesselt an einen Stuhl, ein entstelltes Gesicht. Für ihn gab es nur zwei Möglichkeiten wie das heute ausgehen würde, und das wusste er genauso gut wie ich.

"Ich hab schon alles gesagt was ich weiß." "Deswegen bin ich nicht hier." "Was willst du dann hören? Dass es mir leid tut euch ausspioniert zu haben? Dass es mir leid tut vier eurer Männer getötet zu haben? Darauf kannst du lange warten, Salvatore." "Eigentlich bin ich hier um ein kleines Spiel mit dir zu spielen." Ich zog einen Revolver aus meiner Lederjacke und legte ihn auf den hölzernen Tisch der zwischen uns stand.

"Russisch Roulette sagt dir doch sicher etwas, oder? Eine Patrone, fünf Nieten. Sollen wir wetten?" "Wie kann man in deinem Alter nur schon so eiskalt und skrupellos sein?" "Glaub mir, ich töte nur die, die es verdient haben." Ich nahm die Waffe wieder an mich und legte eine Patrone ein. "Willst du drehen? Obwohl, ich glaube das wird gerade nichts, oder?" Während Rodriguez verhört wurde, wurden ihm sämtliche Finger zertrümmert. Scheinbar mit Erfolg. Er hatte gesungen wie ein Vogel.
Schwächling.

Ich drehte die Trommel und richtete dann die Waffe auf unseren kleinen Spitzel. Auch wenn es eine dumme Ausrede war, hatte ich mir geschworen niemanden umzulegen, der es nicht verdient hätte. Und dieser Drecksack hätte es mehr als verdient. Elf Leben hatte er auf dem Gewissen, vier davon waren meine Männer, eine war eine junge Frau die er davor vergewaltigt hatte.

"Irgendwelche letzten Worte?" "Fick dich, Salavatore." "Das lasse ich lieber andere übernehmen." Ich drückte den Abzug, aber nichts geschah. Kein ohrenbetäubender Knall, kein toter Bastard. Schade eigentlich. "Glück gehabt, Rodriguez." "Ich weiß nicht ob ich das Glück nennen würde." "Da hast du ausnahmsweise mal recht."
Ich machte auf dem Absatz kehrt und verließ zusammen mit Milo den Raum. "Also darf er weiterleben?" "Es ist nur eine Frage der Zeit bis er drauf geht."

Schweigend liefen wir wieder nach oben. Es waren eine Menge neue Leute hier, auch zum Teil in meinem Alter. Vermutlich suchten sie hier nach dem Gewissen Kick, aber im Endeffekt ruinierten sie so ihr gesamtes Leben. Ich wusste wovon ich redete. Zwei von den Jungs die auf einer Couch herumlungerten hatte ich sogar schon in der Schule gesehen. Gut zu wissen.

Gerade als ich die Halle verlassen wollte klingelte mein Handy. Die Nummer von meinem Vater leuchtete auf dem Display. "Was gibts?" "Wie liefs mit Rodriguez?" "Er lebt noch." Kurz blieb es still. "Unser Politiker macht Probleme. Nimm Jonny und Milo mit und statte ihm doch einen kleinen Besuch ab."

"Mit Vergnügen."

Lesenacht #2

Rafael // ✔️Where stories live. Discover now