Kapitel 51

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Rafael P.O.V.

"Ich will sofort wissen, wo diese verdammte Ware ist. Wenn du nicht innerhalb der nächsten fünf Sekunden deine Fresse aufmachst, steche ich dir die Augen aus." Das Arschloch das noch vor wenigen Stunden für uns gearbeitet spuckte mir vor die Füße. Das war ein Fehler mein Freund. "Sag mal Kleiner, wieso hast du denn so schlechte Laune? Hat dich eins deiner Betthäschen versetzt?" Ein ekelhaftes Grinsen legte sich auf seine Lippen und zeigte seine mit Blut verschmierten Zähne.
Auch wenn er ein widerlicher Wichser war, eins musste man ihm lassen, er konnte so einiges einstecken.

Wir hatten einen Tipp bekommen, dass er sich immer wieder etwas von unseren Drogen schnappte. Tatsächlich hatte er sich über Monate hinweg an unserer Ware vergriffen. Und jetzt wollte ich verdammt nochmal wissen wo dieses scheiß Zeug war. Bei seinem letzten Versuch etwas mitgehen zu lassen hatte er sich etwas überschätzt. Bei kleinen Mengen fiel es kaum auf, wenn mal etwas verschwand. Aber wenn man versuchte Stoff im Wert von fast 10 000 $ zu klauen, dann musste man damit rechnen, dass man aufflog.

Das Arschloch vor mir hatte sich definitiv den falschen Tag ausgesucht mich zu nerven. Meine Laune war am Tiefpunkt angelangt, meine Nerven waren überstrapaziert. Die letzten Tage hatte ich kaum geschlafen. Nicht nur, dass ich mich darum kümmern musste, dass Roxy nichts passierte, jetzt war auch noch Cara ins Visier dieser Spinner geraten. Allerdings machte sie es mir immerhin leichter als Roxy und ließ sich von Luca und mir helfen.
Andererseits konnte ich es Roxana nicht mal verübeln. Wäre ich an ihrer Stelle wäre ich vermutlich auch angepisst. Und für das was Luca zu ihr gesagt hatte, hätte ich ihm eine reinhauen können. Bruder hin oder her.
Ich versuchte sie zu beschützen. Aber für sie musste es so aussehen als hätte ich es mir anders überlegt, als hätte mir der Abend nicht gefallen oder mir nichts bedeutet. Wenn ich ihr die Wahrheit sagen würde, müsste ich ihr alles erzählen. Dann hätte ich nicht nur das Problem, dass sie mich hassen und verabscheuen würde, ich würde sie damit auch noch in viel größere Gefahr bringen.

Gerade als ich ausholen wollte um dem Mann vor mir erneut eine reinzuhauen wurde die Tür zum Kellerraum aufgestoßen und einer unserer Männer stand im Raum. "Du sollst zu deinem Vater. Wir kümmern uns um ihn." Widerwillig nickte ich. Eigentlich wäre ich lieber hier geblieben und hätte noch ein bisschen meinen Frust an ihm ausgelassen, aber meinen Vater ignorierte man nicht. Niemals. Sonst bereute man es bitterlich.

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"Du leistest gute Arbeit, Rafael. Ich bin der Meinung, dass du etwas mehr verdienen solltest als bisher." Ich sah zu meinem Vater, der sich entspannt in seinem Schreibtischstuhl zurücklehnte und mich nachdenklich musterte. Dann wanderte mein Blick zu dem Mann, der in einem Sessel neben mir saß. Giovanni Mazza, Roxana Vater. Ich hätte nicht gedacht, dass es mein Dad tatsächlich schafft ihn wieder ins Boot zu holen. Allerdings galt bei uns, bist du einmal drin, kommst du nicht mehr raus. Zumindest nicht lebend. So war es nur eine Frage der Zeit bis Giovanni wieder für meinen Dad arbeitete. Ich denke damals hatte mein Vater nur zugelassen, dass Giovanni ausstieg, weil sie eigentlich schon von klein auf befreundet waren.
Als mein Großvater damals noch die Geschäfte geführt hatte, lebte er alleine in New York. Seine Frau und Kinder hatte er in Italien gelassen um sie zu schützen. Als mein Dad und Roxana Vater dann 18 waren hatten beide beschlossen gemeinsam in die Staaten zu ziehen. Mein Vater um in die Geschäfte einzusteigen, Giovanni um Jura zu studieren.
Die Freundschaft die die beiden verband war vermutlich der einzige Grund, warum Giovanni den Ausstieg damals überlebt hatte.

"Und was heißt das für mich?" "Das heißt, dass ich dir einen Teil der Firma überschreibe. Du wirst weiterhin nicht mehr als nötig damit zu tun haben, allerdings hast du deine Anteile und verdienst natürlich auch mehr. Im Grunde ändert sich sonst nicht viel für dich." Ich nickte. Das meiste Geld unserer Geschäfte lief über die Firma meines Vaters. Die Hallen, die mit unseren Drogengeschäften zusammenhingen, waren offiziell als Verpackungs- und Versandstationen gemeldet.
Ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung wie es mein Dad immer wieder regelmäßig schaffte tausende von Dollar an den Behörden vorbeizuschmuggeln ohne dass etwas auffiel.

"Giovanni ist hier um einen Vertrag aufzusetzen und mit dir alles noch einmal durchzugehen." Mein Blick schweifte wieder zu Roxanas Dad. Ihre Augen hatte sie definitiv von ihm. "Ich muss noch schnell zu einem Gespräch." Mein Vater erhob sich und knöpfte sein Jackett zu. "Ich denke ihr werdet auch alleine klar kommen." Im vorbei gehen klopfte er mir auf die Schulter und verschwand dann durch die große Türe aus seinem Büro.

Giovanni breitete seine Unterlagen auf dem Tisch aus und sah mich an. "Ich bin mir nicht so ganz sicher was ich von dir halten soll Rafael." Mein Blick richtete sich fragend auf den Mann mir gegenüber. "Einerseits hast du meiner Tochter geholfen und sie ist wirklich glücklich seit sie dich kennt." Er stand auf und ging auf die andere Seite des Schreibtisches.

"Andererseits bist du genau wie dein Vater. Und ich weiß besser als jeder andere zu was er fähig sein kann."

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Nachdenklich sah ich auf die Häuserfront vor mir. Schon seit gut zwei Stunden stand ich vor Roxys Haus, rauchte eine Zigarette nach der anderen und beobachtete das Geschehen in der Straße. Ich war nicht hier um Roxana zu besuchen. Ich konnte mir schon denken, dass sie mich nicht sehen wollte. Ich war nur hier um sicher zu gehen, dass es ihr gut ging. Mir war klar, dass Milo noch immer bei ihr war, sein Auto stand schließlich vor der Tür, und ich wusste, dass ich mir keine Sorgen um sie machen musste solange er da war, aber trotzdem hatte ich ein besseres Gefühl, wenn ich mit eigenen Augen sah, dass ihr nichts passierte.
Ein kleines Lächeln legte sich auf meine Lippen, als ich sah wie sie lachend am Fenster vorbei sprang.

Wenigstens eine die gute Laune hatte.

Mir gingen die Worte ihres Dads nicht mehr aus dem Kopf. Er hatte recht. Ich merkte selbst wie ich immer mehr wie mein Vater wurde. Manchmal ekelte ich mich vor mir selbst. Ich hatte mit meinen 18 Jahren Dinge getan, die niemand jemals tun sollte.
Mein Dad war ein skrupelloser Mann und ich war auf dem besten Weg genauso zu werden wie er.
Roxy hatte etwas besseres verdient. Jemanden mit einem normalen Leben, der ihr ein sicheres Leben bieten konnte und sie nicht in Gefahr brachte.

Ich schnipste meine Kippe auf den Boden und trat den glühenden Stummel aus. Es würde nicht mehr lange gehen, dann würde ihre Familie nach und nach aufschlagen und Milo rauskommen. Wahrscheinlich wäre es besser, wenn ich bis dahin verschwunden war. Ich warf noch einen letzten Blick auf das Fenster vor dem Roxy gerade mit dem Rücken zu mir stand. Gerade als ich in mein Auto einsteigen wollte kam einer unserer schwarzen SUVs um die Ecke gefahren und kam mit quietschenden Reifen vor mir zum stehen.
Irritiert und in der Erwartung Luca oder einen unserer Männer zu sehen ging ich einige Schritte darauf zu.
Eine der getönten Scheiben wurde heruntergelassen und ehe ich mich versah wurde der Lauf einer Waffe auf mich gerichtet.

Es dauerte keine Sekunde bis ein ohrenbetäubender Schuss die Stille zerriss und mich ein unglaublicher Schmerz durchzuckte. Der SUV raste davon während mein Blick wieder zum Fenster glitt und auf das geschockte Gesicht von Roxy fiel.

Langsam sah ich an mir herunter und betrachtete mein Shirt das sich langsam mit meinem Blut tränkte.
Meine Sicht verschwamm, ehe ich auf die Knie sank und schließlich alles um mich herum schwarz wurde.
Es war nicht so wie es immer beschrieben wurde. Mein Leben zog nicht noch einmal an mir vorbei, so wie es immer hieß.
Das einzige was ich noch vor mir sah, war das Gesicht von Roxy.

Rafael oder Roxana. Wer stirbt zuerst?

Das wars.
Wenigstens ich und nicht sie.


Samstag 20.00 nicht vergessen

Rafael // ✔️Where stories live. Discover now