Kapitel 30

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"Und du hast auch nichts von ihm gehört?" Ich schüttelte den Kopf während ich Tia über den Rand meiner Tasse hinweg ansah. "Er ist ja nicht verpflichtet sich bei mir zu melden." "Trotzdem. Ich meine ein Blinder mit Krückstock erkennt, dass da was zwischen euch ist. Aber trotzdem meldet er sich fast eine Woche nicht bei dir." Augenverdrehend lehnte ich mich in dem gemütlichen Ledersessel zurück.
Seit der Nacht in der Halle waren einige Tage vergangen und seitdem hatte ich auch nichts mehr von Rafael gehört. Ich hatte ihm geschrieben und ihm auch ein, zwei Mal angerufen weil ich sichergehen wollte, dass es ihm gut ging, allerdings war sein Handy aus. Auch sonst hatte niemand in der letzten Woche ein Lebenszeichen von ihm erhalten. Mal abgesehen von Luca und Vince, der ja neuerdings auch auf unsere Schule ging.
Klar machte ich mir Sorgen um ihn, aber ich schenkte seinem Bruder und seinem besten Freund Glauben wenn sie sagten, dass alles in Ordnung war. Zumindest mehr oder weniger.

Mittlerweile war es Freitag Nachmittag und ich hatte die Woche mehr oder minder erfolgreich hinter mich gebracht. Mal abgesehen vom Schlafmangel war alles in Ordnung. Seit der Nacht hatte ich kaum ein Auge zugetan und wenn doch dann rissen mich oft Alpträume aus dem Schlaf.

Auch wenn ich jetzt definitiv lieber in meinem Bett wäre um einiges an Schlaf nachzuholen hatten mich meine beiden besten Freundinnen dazu überredet noch zu Tias Mom ins Café zu gehen und wie üblich eine heiße Schokolade zu trinken.
"Sicher, dass du übers Wochenende nicht bei mir schlafen willst? Du weißt, dass ich sturmfrei habe." Elly sah mich skeptisch an. Stöhnend verneinte ich, legte ich meinen Kopf in den Nacken und sah die rosarote Lampe über mir an. Wenn ich schon an die kommenden zweieinhalb Tage dachte könnte ich kotzen.
Meine Grandma mütterlicherseits stattete uns ihren halbjährlichen Kontrollbesuch ab. Und diese Frau war keineswegs das liebe Großmütterchen das einem immer Kekse machte und einem hier und da mal einen zwanzig Dollar Schein zusteckte. Sie war eher komplett das Gegenteil. Streng, elitär, kurz gefasst ein richtiges Biest.

Meine Liebe zu ihr beruhte auf Gegenseitigkeit. Sie konnte mich genauso wenig leiden wie ich sie. An sich war ihr meine komplette Familie ein Dorn im Auge. Mein Dad war für sie ein Nudel fressender Mafiosi und meine Brüder waren in ihren Augen zwei pubertierende Idioten aus denen nie etwas werden würde.
Und ich? Ich wurde stets mit meiner perfekten Cousine Lydia verglichen, die sich im übrigen dem Besuch bei uns anschloss.

Für meine Großmutter waren wir nicht gut genug. Genauso wie Tante Maddy und ihre Familie.
Meine Mutter hatte zwei Schwestern. Angelina und Maddy. Während meine Mom und Tante Maddy ihre eigenen Wege gingen, machte Tante Angelina genau das was meine Grandma erwartete. Sie studierte Medizin, heiratete einen Arzt aus den Südstaaten, zog nur wenige Straßen von ihren Eltern entfernt in ein traumhaftes Haus und bekam zwei hinreißende Kinder.
Mom hingegen wollte noch nie Ärztin werden. Sie zog nach New York, fing an Jura zu studieren, lernte dort meinen Dad kennen und bekam schließlich drei Kinder, und das bevor sie heiratete.
Und dann kam Tante Maddy. Frech, vorlaut und stolze Besitzerin einer Autowerkstatt. Drei Kinder von zwei Männern und unverheiratet.
Eine Schande für meine Großmutter aber meiner Meinung nach die coolste Tante die man sich wünschen konnte.

"Du wirst es schon überleben." "Ich schon. Aber ich bin mir nicht so sicher ob ich übers Wochenende nicht Amok laufen werde." Mit einer Motivation die gleich Null war erhob ich mich. "Wenn ich am Montag nicht in der Schule bin, würde ich wegen dreifachem Mord verhaftet." Ich verabschiedete mich von den beiden, wank im Vorbeigehen noch Tias Mom zu und trat dann in die kalte Novemberluft.
In knapp zwei Stunden würden meine Großmutter samt Tochter und Enkelin bei uns auf der Matte stehen und ich musste davor mein Zimmer noch Cousinensicher machen. Das heißt soviel wie alle persönlichen Gegenstände verstecken und ja nichts übersehen, dass interessant für sie sein könnte.

Es dauerte nicht all zu lange bis ich Zuhause ankam und im Wohnzimmer auf meine Mutter traf, die herum rannte, hier den Staub abwischte und dort die Kissen aufschüttete. Ihr Verhältnis zu ihrer Mutter war nicht wirklich das Beste und genau deshalb wollte sie, dass alles so perfekt wie möglich war um möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten.

Rafael // ✔️Where stories live. Discover now