♕ Juliana II ♕

1.4K 100 31
                                    


Das Geschirr klapperte, als es vor uns auf dem Tisch abgestellt wurde und ich nahm mir eine Tasse Tee, bevor ich mich wieder dem Beobachten der anderen Mädchen zuwandte. Es war als gute Idee befunden worden, uns am Nachmittag zusammenzusetzen, damit wir uns besser kennenlernen konnten. Also wirklich, als ob ich darauf Wert gelegt hätte, nähere Bekanntschaft mit diesen ... Bauerntölpeln zu machen. Man brauchte sich nur diese Schwarzhaarige ansehen, Raven, die das Wort „Manieren" wohl komplett aus ihrem Wortschatz gestrichen hatte – ihr Kleid war heute wieder einmal besonders kurz und sie scheute nicht davor, ein Kuchenstück nach dem anderen in sich hineinzustopfen. Wenn sie so weiter aß, würde es nicht lange dauern, bis sie aufging wie Hefeteig und ich eine Konkurrentin um den Thron weniger hätte, was nicht wirklich schlecht wäre. Aber auch die anderen; diese Elion zum Beispiel, was machte die überhaupt hier? Die hatte hier doch gar nichts zu suchen, als Bastard. Es war wirklich unzumutbar, mit solchen Leuten zusammensitzen zu müssen. Und diese Katrina, von der man immer sagte, wie anmutig und schön sie wäre, könnte kaum unscheinbarer sein. Und von der kleinen Victoria brauchte ich gar nicht erst anzufangen. Wenn sie nicht gerade wehmütig aus dem Fenster schaute, verschwand sie nach draußen und ich mochte lieber gar nicht wissen, wo sie sich herumtrieb. Was hatte sich der König hierbei bloß gedacht? Das waren alles keine würdigen Anwärterinnen für die Krone und für seinen Sohn. Nicht einmal annähernd.

Ich hob die Tasse an den Mund, um mein Schmunzeln zu unterdrücken. Wenn das so weiterging, würde ich wirklich keine Probleme haben, mit ihnen fertigzuwerden. Und ich hatte auch schon eine Idee, wie ich mir einen Vorsprung holen würde.

„Bei den Göttern, habt ihr alle das Sprechen verlernt?" Raven warf die Hände in die Höhe und sah uns abwartend an. „Selbst der Kuchen ist gesprächiger als ihr!"

„Worüber möchtest du denn reden?" Katrina schaute ihre Cousine über den Tassenrand hinweg aus großen Augen an.

„Das ist mir gleich, nur diese Stille ist einfach unerträglich. Man könnte glauben, wir befänden uns in einem Kloster oder gar auf einem Begräbnis!" Raven verdrehte die Augen und ich könnte mal wieder den Kopf über sie schütteln, wenn es nicht meine sorgfältig festgesteckte Frisur zerstören würde. Wie konnte man mit so einem Titel nur so wenig Erziehung genossen haben?

„Na dann, reden wir. Wie gefällt dir das Schloss?" Katrina schenkte der schüchternen Elion ein sanftes Lächeln.

„Es ist wunderschön hier", meinte diese und schlug ihre Augen wieder nieder.

„Der Kuchen schmeckt gut", sagte jetzt auch Victoria und Raven und sie verfielen sofort in eine angeregte Diskussion über Kuchen und Torten.

„Was ist mit dir?" Katrina blickte mich aus ihrem langweiligen Gesicht heraus an. Ein wenig Rouge könnte echt nicht schaden – sie war blass wie ein Laken.

Schnell stellte ich meine Tasse zurück, bevor ich mich erhob und den Stoff meines langen schwarz-silbernen Kleides glatt strich.

„Wenn ihr mich entschuldigen würdet, ich habe Besseres zu tun." Ich raffte meine Röcke und ging erhobenen Kinns an ihnen vorbei. Das musste ich mir  wirklich nicht antun. Außerdem konnte ich meine Zeit sinnvoller nutzen und mich für mein Vorhaben bezüglich Prinz Jonathans vorbereiten.

In meinem Zimmer blieb ich erst einmal vor meinem Kleiderschrank stehen. Immerhin musste ich für heute Abend etwas zum Anziehen finden. Mein Blick fiel auf ein dunkelrotes Kleid, dessen Oberteil nur aus edelster Spitze bestand. Eigentlich hatte ich es für einen Ball mitgenommen, aber für mein Vorhaben war es genauso gut. Dazu passten dann auch die großen Ohrringe mit den Rubinen und die hohen schwarzen Schuhe, die ich fast nie trug. Perfekt!

SilberblutWhere stories live. Discover now