♕Epilog: Rosalie ♕

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Das Aroma von Kerzenrauch und üppigen Parfums füllte den Raum, der zum Bersten voll war, und verdarb die frische Nachtluft, die in einem verzweifelten Versuch von Linderung durch die Terassentüren hereinströmte. Ausnahmsweise kam Silbermeer an die Träume heran, die ich von dem Schloss gehabt hatte, denn um den 20. Geburtstag des Kronprinzen zu feiern, hatte man sich selbst übertroffen. Heerscharen an Bediensteten mussten die Tuchbahnen und Blumengestecke an Decke und Wänden befestigten haben, bevor sie ihre Arbeit fortsetzten, wo immer es ihnen möglich war. Kein kahler Fleck zierte die Wände, keine Ecke war düster und verlassen. Der gewaltige Saal war gefüllt mit Leben und Musik, die ein Orchester von der Galerie über den tanzenden Massen aus spendierte.

Mein Interesse galt jedoch weder der neuesten Tanzmusik, noch den Blumensorten, die man für die Dekoration verwendet hatte. Heute Abend hatte ich nur ein Ziel und dafür hatte ich mich den gesamten Tag vorbereitet. Dankbar für die wandhohen Spiegel, die sich neben mir befanden, betrachtete ich mein Erscheinungsbild, mich einige Male sachte um die eigene Achse drehend. Die gefütterten Tanzschuhe saßen wie angegossen und wie gewollt, sah man sie nur in Bewegung gemeinsam mit den Strümpfen unter meinem magnolienfarbenen Saum hervorblitzen. Der Rosaton blich zur Taille hin aus, eine Färbung, die mich an die blassen Rosen im Schlossgarten erinnerte. Farblich passte ich demnach bereits zu Silbermeer, jetzt musste ich nur noch Jonathan davon überzeugen, meine Bemühungen gebührend zu entlohnen. Mir war an diesem verhängnisvollen Vormittag im Stoffgeschäft bewusst geworden, dass meine Chancen auf die Krone mit der Rückkehr von Viktoria drastisch gesunken waren, doch einen Grund, aufzugeben, sah ich nicht. Seither hatte ich jede Sekunde genutzt, um meinen Wert zu beweisen. Ich war repräsentativ und charmant im Umgang mit den Adeligen aufgetreten, sogar den Bastard hatte ich gelegentlich mit einigen höflichen Worten bedacht. Der König selbst hatte mich mit außerordentlicher Aufmerksamkeit bedacht, als er mit meinen Eltern und mir einen Nachmittagstee eingenommen hatte. Schlussendlich, aber nicht zuletzt, hatte meine Familie dem Kronprinzen nur die exklusivsten Geschenke zukommen lassen, um seinen Geburtstag zu feiern. Der kleine Wirbelwind aus Klinmaere, diesem bewaldeten Ödland an der Grenze zum nördlichen Königreich, mochte ihn mit ihrer freilebigen Art verzaubert haben, doch er konnte unmöglich annehmen, dass sie eine bessere Begleiterin auf dem Weg zur Macht wäre, als ich es ihm sein könnte.

Mit einem geübten Lächeln bewegte ich mich durch die Menge an elegant gekleideten Menschen, die den Geburtstag des zukünftigen Königs feierten. Unter ihren falschen Grimassen und ihrem aufgesetzen Benehmen lagen die unterschiedlichsten Motive vergraben; eines verdorbener als das andere. Ohne einen gewissen Kampfgeist und die richtige Menge Berechnung kam man an keinem Hof in die richtigen Kreise, das wussten sie alle. Eine Prinzessin aus dem Nachbarland mochte über diesen Machtspielchen stehen, eine naive Komtess aus den verschlafenen Winkeln des Königreichs weit darunter, ohne um sie zu wissen, doch ich befand mich seit dem Aufstieg meiner Familie im Mittelpunkt dieses stillen Kampfes und hatte viel daraus gelernt. Es ist dumm, nicht mitzuspielen, sinnierte ich, ein Glas von dem Silbertablett eines Bediensteten nehmend, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Denn es geht auch ohne dich weiter. Wenn du nicht spielst, hast du bereits verloren.

Erfreut fiel mein Blick auf den Prinzen; die Entdeckung wurde bloß dadurch überschattet, dass Viktoria an seinem Arm hing. Mit arglosen Augen himmelte sie ihn an, sodass mir beinahe Zweifel daran kamen, ob die beiden nicht bereits zu einer Übereinkunft gekommen waren. Im Schloss hatte es zweifellos Gerüchte gegeben, dafür hatte ich nicht erst Zofen befragen müssen, man hatte es dem allgemeinen Aufruhr angemerkt. In den letzten vier Tagen hatte Silbermeer ein Eigenleben entwickelt; alle Flure, Wände und Treppen abseits der repräsentativen Wege flüsterten und zischten, als wollten sie ihre Meinungen unbedingt anbringen. Doch schlussendlich waren all diese Vermutungen nicht gesichert worden, es hatte keine öffentliche Bekanntmachung gegeben. Vielleicht warteten sie auf den richtigen Augenblick, aber es war genauso gut möglich, dass der Kronprinz im letzten Moment kalte Füße bekommen hatte und sich seines Fehlers bewusst geworden war. Er schien an ihrer Seite festgeklebt zu sein, als ob sie nicht imstande wäre, sich alleine gegen die Aasgeier und falschen Freunde zu behaupten, die in der Menge lauerten. Selbst an diesem Abend muss er sie beschützen, dachte ich, nicht ohne einen gewissen Neid das ausladende Kleid der Komtess begutachtend. Es war zweifelsohne für sie angefertigt worden, um sie hervorzuheben. Sie ist und bleibt eine einfache Natur vom Land. Ihre Vorteile beschränken sich wohl auf ihr Aussehen und ihre Leichtgläubigkeit - zu ihrem Glück bildet der König sich ein, dass in einer Zeit wie dieser ihre Herkunft von Wert ist.

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