♕ Juliana VII ♕

462 28 1
                                    

Von einer ungewohnten Nervosität erfüllt schritt ich die langen Korridore entlang. Obwohl noch Tageslicht durch die Fenster hereinfiel, waren die Wandlaternen bereits angezündet worden und ließen meine Schatten über die tapezierten Wände tanzen. Die Vorbereitungen für Jonathans Ball liefen auf Hochtouren und so war es nicht weiter verwunderlich, dass das Schloss vor Bediensteten nur so wimmelte. Die, denen ich auf meinem Weg durchs Schloss begegnete, sprangen allerdings allesamt beiseite, sobald sie mich erkannten, sodass ich mich nicht beschweren konnte.

Als ich an meinem Ziel angekommen war, an die Tür klopfte und mich eine vertraute Stimme hereinbat, überkam mich das Gefühl eines Déjà-vus.

„Juliana! Was führt Euch hierher?" Ein angespannter Zug lag um Jonathans Mund, als er die Tür öffnete, und ich beeilte mich, zu sprechen, nachdem ich in eine kurze Reverenz versank.

„Entschuldigt, Eure Hoheit. Ich weiß, Ihr seid momentan sehr beschäftigt, aber dürfte ich um einen Moment Eurer Zeit bitten?" Ich trat über die Schwelle und auf den Schreibtisch zu, während Jonathan hinter mir die Tür schloss.

„Also, was kann ich für Euch tun?" Er schritt um den Schreibtisch herum und ließ sich formvollendet, wenn auch etwas steif, auf den Sessel dahinter sinken. Er bemühte sich, neutral zu klingen, doch ich meinte, einen Anflug von Gereiztheit durchklingen zu hören. Ich konnte es ihm nicht verübeln.

Der Anblick der Briefe, die in Stapeln gemeinsam mit Dokumenten säuberlich auf der massiven Eichenholzplatte sortiert waren, ließ die Erinnerung an die gefühlte Wagenladung Briefe hochsteigen, die ich über die letzten zwei Wochen hinweg erhalten hatte. Die meisten davon waren von meiner Mutter, doch auch mein Vater hatte sich zu ein, zwei Briefen hinreißen lassen. Am liebsten hätte ich sie alle zerrissen. Im Grunde beinhalteten sie alle dasselbe. Die immer gleichen Formulierungen über Stolz, Pflicht und Prestige, die meine Mutter als Anschuldigungen und Aufforderungen in ihre Briefe einfließen ließ, verfolgten mich mittlerweile in meinen Träumen und ich schlief selten eine Nacht lang durch. Ich durfte kaum besser als Jonathan aussehen. Die Anwesenheit der Komtess von Erzbach tat ihr Übriges, sodass ich mich in letzter Zeit kaum an den gesellschaftlichen Anlässen beteiligt hatte. Selbst als Viktoria abgereist war, hatte ich nie die Gelegenheit gehabt, Jonathan für mich zu gewinnen. Im Grunde wusste ich seit Wochen, dass ich diesbezüglich auf verlorenem Posten kämpfte. Und ich wusste nicht einmal, wann ich aufgehört hatte, mein Ziel ernsthaft zu verfolgen. Wenn ich ehrlich war, verspürte ich kein Interesse mehr daran, Jonathans Frau zu werden. Die Macht dieser Stellung zog mich immer noch an, aber der Preis war zu hoch. Nicht zuletzt durch Lennard war mir bewusst geworden, dass ich niemals wie er sein könnte. Ich würde niemanden nur wegen seiner Stellung und seines Reichtums heiraten.

Als ich bemerkte, dass Jonathan mich nach wie vor abwartend ansah, räusperte ich mich. „Wenn Ihr es erlaubt, würde ich darum bitten, abreisen zu dürfen. Nach Hause, nach Ehrenhall."

Jonathans Augen weiteten sich überrascht. „Euch steht es jederzeit frei abzureisen, das wisst Ihr doch."

Ich nickte dankbar. „Dann bleibt mir bloß noch, mich für mein Verhalten zu Beginn des Sommers zu entschuldigen. Es war von Angst und Zorn getrieben und heute würde ich es wohl anders machen." Die Entschuldigung kam mir schwer über die Lippen, aber doch leichter, als ich gedacht hätte. Trotzdem war es etwas, das gesagt werden musste. Der Zorn, den ich gegen Elion und die anderen Komtessen gerichtet hatte, hatte doch eher meinen Eltern und auch Lennard gegolten – ihn stattdessen an meinen Konkurrentinnen auszulassen war fehlgeleitet gewesen. Im Grunde hatte ich durch meine Handlungen zu Beginn bereits jede Chance auf die Hand des Kronprinzen vertan.

Dieser sah mich nun nachdenklich an. „Ich denke, diese Entschuldigung ist bei den anderen besser aufgehoben, vor allem bei Raven."

Den Blick gesenkt, verkniff ich mir ein verärgertes Zähneknirschen. Da musste ich nun wohl durch, obwohl mir der Gedanke, mich bei dieser verwilderten Göre zu entschuldigen, gar nicht gefiel. Ich nickte knapp.

Silberblutजहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें