♕ Viktoria VII ♕

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Der Duft von Kaffee und ofenfrischem Gebäck hing noch immer in der Luft und ich hob die Tasse mit meinem heiß geliebten Gewürztee an die Lippen. Obwohl bereits alle ihr Frühstück so gut wie beendet hatten und die Croissants, weichgekochten Eier und Speck ziemlich dezimiert waren und nur noch wenige Brösel an die anfänglichen Mengen erinnerten, blieben alle weiterhin sitzen und unterhielten sich lebhaft. Meine Eltern waren in eine hitzige Diskussion mit Marianne versunken, die um jeden Preis Fechtunterricht nehmen wollte, während Greta mir mit gesenkter Stimme erzählte, welche Partie unsere Eltern nun für sie im Auge hatten (einen jungen Offizier aus einer wohlhabenden Familie aus Lowafels, wie es schien, der allerdings nicht nur aussah, als wäre er gegen eine Wand gelaufen, sondern auch so stupide war, als hätte er bei einem solchen Unterfangen irreparablen Schaden davongetragen). Ich kicherte, als sie mir die Unterhaltung schilderte, die sie auf dem Fest gestern geführt hatte und bereute es, dass ich ihn nicht mit eigenen Augen sehen hatte können.

„Wenn wir schon dabei sind... dich habe ich gestern Abend irgendwann aus den Augen verloren. Gibt es etwas zu erzählen?", wandte ich mich an Ilona, die an meiner anderen Seite über ihren Kaffee gebeugt saß.

„Lass mich bloß in Frieden. Erinnere mich daran, mich nächstes Jahr von Jakob fernzuhalten.", stöhnte sie und zupfte lustlos an ihrem Buttercroissant herum. Das ganze Frühstück hinweg hatte sie sich bereits auffällig still und appetitlos verhalten – ich kannte die Anzeichen. Außerdem kannte ich Jakob gut genug.

„Gib mir nicht die Schuld. Du bist alt genug, um selbst einzuschätzen, wie viel du verträgst. Jakob trifft auch keine Schuld. Er hat dich bestimmt nicht dazu gezwungen, dich durch sämtliche Weine zu kosten, die Papa bereitgestellt hat." Ich grinste. Ilona verkatert zu sehen, war ein seltener Anblick und eine Genugtuung, wenn ich bedachte, wie oft sie mich für dasselbe neunmalklug gescholten hatte.

Greta versuchte diplomatisch zu sein, doch auch ihr entwischte ein Lächeln. „Du kannst jedoch nicht abstreiten, dass Jakob sich darauf versteht, die Stimmung zu heben."

„Nein, dass kann er sehr gut. Er-" Ich brach ab, als Marija hinter meinem Stuhl stehen blieb und mir einen Brief reichte. Beim Anblick des cremefarbenen Umschlags und rotem Siegel erwachte Ilona aus ihrem Halbschlaf und Greta beugte sich neugierig vor. Ein kurzer Blick auf das Wappen auf dem Siegel ließ mich aufspringen und entschuldigen. Meine neugierigen Schwestern zurücklassend, zog ich mich in mein Zimmer zurück und ignorierte mein klopfendes Herz.

„Sei nicht dumm", schalt ich mich leise und bemerkte erleichtert, dass mir niemand folgte. Meine Schwestern hatten also beschlossen, mir etwas Zeit zu geben, bevor sie mich mit Fragen bestürmen würden. Fest hielt ich den Umschlag umklammert, der sich weich unter meinen Fingern anfühlte.

„Dumm, dumm, dumm", schimpfte ich, als ich die Eingangshalle auf dem Weg zu meinem Zimmer durchquerte.

„Vik?"

Ertappt fuhr ich herum und erblickte Jakob, der zögernd einen Schritt näher trat.

„Guten Morgen. Entschuldige, dass ich dich so überfalle, aber hättest du Lust, mich auf einen Ausritt zu begleiten? Ich weiß, es ist zeitig, aber heute soll es noch einmal heiß werden und ich wollte der ärgsten Hitze entfliehen."

Wie aus einem Impuls heraus versteckte ich den Brief hinter meinem Rücken und krampfte meine Hände darum. Während ich schnell nach einer Antwort suchte, musterte ich Jakob in seinem dunkelgrünen Reitgewand.

„Ach, was soll's", murmelte ich vor mich hin, bevor ich lauter weitersprach. „Gern. Gib mir zehn Minuten, damit ich mich umziehen kann. Wir sehen uns am Stall."

Er nickte lächelnd und deutete eine Verbeugung an, während ich mich bereits halb umgedreht hatte und mit einer Hand den Rock meines leichten Teekleides anhob, um schneller gehen zu können. In Windeseile schlüpfte ich in meinem Zimmer angekommen aus meinem Kleid und warf es über den Sessel vor dem Frisiertisch. Dann zog ich eine Reithose, die ich Steffan vor ein paar Jahren einmal gestohlen hatte (nicht, dass er es bemerkt hätte, bei der Menge an Kleidung, die er besaß – was das anging, war er sehr eitel) und die ich innig liebte, trotz der Proteste und Bemühungen meiner Eltern. Da mein Vater allerdings noch nie versucht hatte, in einem ausladenden Kleid auf dem Pferdesattel Halt zu finden, hielt ich in dieser Hinsicht nichts auf seinen Rat und insgeheim wussten wir alle, dass es hier niemanden kümmerte, wie ich aussah, wenn ich auf einen Ritt in den Wald verschwand. Ich war ohnehin zu schnell, als dass mich jemand auf Robs Rücken erkennen könnte.

SilberblutWhere stories live. Discover now