Aurelie I (Viktoria VI)

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Ausnahmsweise einmal ein Kapitel, das nicht von uns und aus der Sicht einer Bediensteten geschrieben wurde. Die Autorin (eine Schwester) hat leider kein Wattpad, also können wir sie nicht verlinken. Danke, Sophie :D

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Die Hitze stieg mir ins Gesicht als ich den Kessel vom Feuer nahm. Ein paar Strähnen fielen aus meinem Zopf und durch die Wärme glänzte meine Stirn leicht. Mit ein paar geübten Handgriffen war das kochend heiße Wasser in eine Teekanne gegossen und die Kräuter, die Prinzessin Raven aus dem westlichen Königreich mitgebracht hatte, schwammen auf der Oberfläche des Wassers. Ich stellte die Kanne vorsichtig auf ein Silbertablett und beeilte mich aus der Küche hinaus. Eine angenehm kühle Brise wehte von einem geöffneten Fenster, wofür ich dankbar war. In den Küchen war es vor lauter Kesseln und Öfen immer furchtbar stickig und heiß.

Darauf bedacht nicht zu stolpern, schritt ich zügig auf die Gemächer von Komtess Viktoria zu. Vorsichtig balancierte ich das Tablett auf einer Hand während ich mit der anderen die herausgefallenen Haarsträhnen ungeschickt hinter mein Ohr strich. Am Ende des Ganges angelangt, zupfte ich ein letztes Mal mein Kleid zurecht und dann klopfte ich dreimal an die schwere Eichentür.
Ein gedämpftes »Ja?« kam durch die Tür und ich öffnete sie langsam. Ich erwartete Komtess Viktoria wegen ihres verletzten Knöchels in ihrem Bett, doch ich hatte mich getäuscht. Es war zwar ungemacht, jedoch leer. Auf dem Sessel der neben einem Nachttisch stand, war auch niemand, eben so wenig wie auf dem Sitzmöbel gegenüber des Betts. Ich blickte suchend durch den Raum und sah sie vor der Tür, welche in das Badezimmer führte, stehen, eine Hand Hilfe suchend auf einer Kommode abgestützt. Ich japste nach Luft und unterdrückte einen Aufschrei.

»Eure Hoheit! Ihr dürft doch nicht aufstehen, Ihr müsst Euch schonen!« keuchte ich hysterisch. Ich stellte das Tablett auf einem kleinen Tisch neben mir ab und eilte zu ihr. Würde sie noch länger herumwandern, würde ihre Verletzung nicht verheilen und da ich wusste wie gerne Komtess Viktoria ritt, wäre sie sehr unglücklich darüber. Auch was ihren Aufenthalt auf Schloss Silbermeer anbelangt, hätte sie ohne Schmerzen sicher das bessere Los gezogen. Ich nahm ihren freien Arm und legte ihn um meine zierlichen Schultern.
»Ich muss Euch auf Anraten des Hofarztes bitten, ruht Euch aus.« sagte ich und versuchte sie somit zur Vernunft zu bringen. Der Arzt würde ihr Verhalten sicher nicht gutheißen.

»Fein, aber ich kann doch nicht den ganzen Tag im Bett verbringen. Ich versäume alles!« murrte sie. Viktoria humpelte um die Kommode und stützte sich an mir ab. Trotz meiner zierlichen Statur, hatte ich keine Probleme damit, sie zu unterstützen. Ich hatte früher meiner Mutter geholfen, unser angebautes Getreide in die Stadt zu bringen, um es auf dem Markt zu verkaufen. Wir konnten uns keine Helfer leisten, geschweige denn einen Pferdewagen, also blieb es an mir und meinen Geschwistern hängen, unserer Mutter zu helfen. Als es nach ein paar Jahren dann knapp mit dem Ertrag wurde, gab es nur eine Lösung. Ich hatte mich melden müssen, um einem Adeligen zu dienen und um meine Familie zu unterstützen. Gottseidank war ich an den Hof von Schloss Silbermeer gekommen, denn es wurden dort, laut den anderen Zofen, alle recht freundlich behandelt, und nicht so unmöglich, wie in anderen Adelshäusern. Und aus  eigener Erfahrung, konnte ich das nur bestätigen. Es gab zwar ein paar jähzornige Köche und Köchinnen, die manchmal bissige Kommentare von sich gaben oder mit Geschirr um sich warfen, aber im Großen und Ganzen war dieser Hof ein sehr angenehmer Ort zum Leben. Als Zofe von Komtess Viktoria hatte ich es auch gut, denn schon öfters waren unmögliche Gäste hier erschienen, welche Bedienstete wie Dreck von der Straße behandelten.

Komtess Viktoria war hingegen ein sehr liebenswerter Mensch. Zwar nicht so bescheiden und übermäßig dankbar wie Komtess Elion, oder zerbrechlich und zurückhaltend wie die Gräfin Katrina, aber auch nicht so selbstbewusst und eitel wie Komtess Juliana. Sie war es gewohnt mit Zofen und Bediensteten zusammenzuleben, aber kam nie auf die Idee sie als minderwertig oder zweitklassig anzusehen. Diese Eigenschaft wurde aus offensichtlichen Gründen sehr geschätzt unter uns Bediensteten.

SilberblutWhere stories live. Discover now