♕ Victoria II ♕

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Schon morgen fand der Ball statt und ich konnte mich noch immer nicht recht entscheiden, ob ich mich darüber freute oder nicht. Einerseits liebte ich Bälle, aber andererseits vermisste ich es, mit Greta über unsere Kleider zu diskutieren, Elona auszureden, sämtliche junge Offiziere anzuschmachten und Marianne für Bälle zu begeistern zu versuchen. Ein Ball ohne meine Familie war einfach nicht dasselbe. Ich würde auch Steffan nicht sehen, der sich sonst wenigstens zu solchen Anlässen sehen ließ, wenn er nicht gerade in der Weltgeschichte herumirrte.

Ein Klopfen an der Tür riss mich aus meinen Gedanken und ich sprang auf, um nachzuschauen, wer davor stand.

„Guten Morgen, Lady Victoria.", begrüßte mich eine Zofe. „Ihr werdet bereits unten erwartet."

Da hatte ich doch glatt die Zeit vergessen! Ich bedankte mich schnell, bevor ich im Eilschritt die Treppen hinunterlief und völlig außer Atem in den kleinen Saal platzte, wo bereits alle – inklusive der Königin und dem König – am Tisch saßen.

„Es tut mir leid für die Verspätung!", entschuldigte ich mich keuchend und kassierte dafür einen abschätzigen Blick von Juliana.

„Das macht doch nichts. Ich wünsche Euch einen angenehmen Morgen." Prinz Jonathan schenkte mir ein Lächeln und auch Katrina und Elion schauten mich freundlich an.

Ich atmete erleichtert auf. „Guten Morgen", sagte ich nun an alle gerichtet.

„Das wurde ja auch Zeit, dass du kommst. Langsam habe ich wirklich Hunger bekommen." Raven drehte sich grinsend zu mir um und ich bemerkte, wie Juliana erneut das Gesicht verzog. „Du kannst dich zu mir setzen." Raven deutete auf den leeren Sessel neben sich.

„Danke" Ich ließ mich neben ihr auf den Stuhl fallen und fast sofort begannen alle zu essen. Raven neben mir häufte sich Unmengen an Essen auf ihren Teller, während Juliana an einem trockenen Croissant herumkaute und ab und zu einen Schluck aus ihrer Tasse nahm. Wieder einmal wunderte ich mich, dass sich die beiden sich noch nicht gegenseitig an die Gurgel gegangen waren. Es hatte zwar die eine oder andere Diskussion gegeben, aber eskaliert war die Situation noch nie – zumindest nicht, soweit ich es mitbekommen hatte.

Es dauerte nicht lange, bis sich Juliana formvollendet mit der Serviette den Mund abtupfte, sich entschuldigte und auf ihr Zimmer verschwand.

Ich unterhielt mich danach leise mit Elion über morgen Abend – sie war schrecklich aufgeregt und etwas unsicher, da sie noch nie auf einem Ball gewesen war.

Als wir fertig gegessen hatten und aufstehen durften, zog ich sie an der Hand aus dem Saal und die Treppe hinauf in mein Zimmer.

„Wir werden Euch ablenken.", teilte ich ihr mit, während ich kurz ins Badezimmer verschwand, um meine Frisur zu richten, aus der schon wieder hoffnungslos zahllose Strähnen hingen.

„Wartet, ich helfe Euch." Unbemerkt war Elion hinter mich getreten und machte sich nun an meinen Haaren zu schaffen. In Windeseile hatte sie sie wieder geflochten und festgesteckt. Ich schenkte ihr ein dankbares Lächeln, während ich das Wasser aufdrehte, um noch schnell meine Hände zu waschen. Als ich blindlings nach dem Stück Seife langte, griff ich ins Leere.

„Dort liegt noch eine." Elion zeigte zur Badewanne.

„Danke" Ich lief mit tropfenden Händen schnell hinüber und schnappte mir die Seife. Als ich die gelben Blütenblätter entdeckte, die durch das Weiß der Seife durchschimmerten, ließ ich sie fallen, als hätte ich mich verbrannt. Das war doch nicht...

Ich beugte mich über den Badewannenrand und schnupperte prüfend an dem unschuldig wirkenden Seifenwürfel.

„Nesselkraut.", stellte ich schließlich fest und Elion schaute mich fragend an.

SilberblutWhere stories live. Discover now